Mittwoch, 7. März 2012

Kunst zum Anfassen ?


Der Slogan ist mehrdeutig: Kann oder soll „die Kunst“, sprich: ein Bild, eine Skulptur o.ä. angefasst, d.h. in die Hand genommen werden? In den 70-er Jahren wurde der Slogan von der Kulturbehörde, aber auch einigen Kreativen aufgegriffen, Hamburg- und landesweit, um Kunst „den Menschen näher zu bringen“, wie es so schön hieß. Die Tendenz in den 70-er Jahren ging gegen Hoch-Kunst, gegen alles Elitäre, gegen Abstraktion für „das Konkrete“. Die Kunst sollte, aus scheinbar unerreichbaren Höhen der Abstraktion, (wieder) für den einfachen Menschen, den „Mann auf der Straße“ erreichbar sein. Der Slogan wurde damals von KünstlerInnen höchst unterschiedlich auf-gefasst, z.T. spielerisch, ironisch, mit viel Hintersinn. Die österreichische Performerin Valie Export begab sich, den Oberkörper in einen Karton gehüllt, unter „die Menschen“, und forderte sie auf, durch die Karton-Verpackung hindurch, ihre Brüste anzufassen. So etwas wäre heute kaum noch denkbar, da wir ständig mit sexuellen Reizen überflutet werden und so eine Aktion heute nicht mehr spektakulär genug wäre. Damals war es eine echte Sensation, spannend in mehrerlei Hinsicht – und lehrreich. Für die Künstlerin, aber (evtl.) auch für die Männer und Frauen, die der Auffor-derung anzufassen nachkamen. * Zum Artikel im Wochenblatt: Katharina Jensen hat starke Proble-me mit ihrem Augenlicht, kann kaum noch sehen ... vor allem DESHALB wählte sie Material für ihre Kunst, das auf sie einen starken sinnlichen Reiz ausübt. Bilder zum Anfassen. * K.J. lebte viele Jahre in der Kommune Otto Mühls, in der Körper-Kunst gelernt wurde. Wie fasse ich einen Menschen an, wie fassen Männer und Frauen einander an? Es ging um Lernen und Genuß, Sex und Kopfarbeit. Die Grenzen zwischen Kunst und Leben verschwommen. * Ich finde beides wichtig: Sowohl das Direkte, das Anfassen, das Unmittelbare ... als auch die Distanz, die abstrakte Ebene, die Un- oder schwer Erreichbarkeit. * Meine Erfahrungen der letzten Jahre besagen vor allem dies: „Die Menschen“ wollen Kunst konsumieren. Was jedoch nicht geht. Man kann einen Film, ein Buch oder Musik kon-sumieren: Produkt. Aber das Produkt ist mit Kunst nicht identisch. * Kassetten, Bücher, CD’s stehen jederzeit zur Verfügung. Ein Künstler aber sollte nicht jederzeit zur Verfügung stehen. * Aber natürlich muß jeder selber ausprobieren und entscheiden, wie weit er/sie sich anderen Menschen öffnet = ausliefert. Ich machte die Erfahrung, daß zu viel Nähe dumm machen kann. *R.S.*

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