Sonntag, 3. Februar 2013

Polar # 8 - mit u.a. Isa Genzken


Ein Bekannter drückte mir eine Zeitschrift/Buch in die Hand. „Es könnte dich interessieren. Was Ähnliches wie früher das Kursbuch“.  Halbjahresmagazin, lese ich, POLITIK / THEORIE / ALL-TAG. Das farbige Cover-Foto zeigt ein junges Paar mit Golfschläger vor Stadtrand-Kulisse, mit u.a. angemaltem Flachbau (Kinderladen?). Die Situation ist künstlich, interpretiere ich, das Foto gestellt: das Gras zu hoch und holprig, um Golf zu spielen. „Unterm Strich“ ist die Abbildung in weiß überdruckt, schräg darunter steht „#Leistung“, ganz unten ein paar Text-Titel. – Die Arti-kel behandeln Themen, die im Wirtschaftsteil von Tages- und Wochen-Zeitungen zu finden sind, einige auch im Feuilleton oder der Beilage. Es geht um „Leistungsbilanzen - Ein Deutungs-muster verflüchtigt sich – und bleibt umkämpft“ (7-13), „Der Flaschensammler – Porträt eines Urban Entrepreneurs“ (15-17), „Geschlechterkampf im Discounter – Was heißt lidlgerechte Leistung?“ (19-21), „Endlos verlängertes Glück – Leistungsverweigerung in der Popmusik“ (23-26), „Totes Geld – Zehn Thesen für ein neues Erbrecht“  (29-32) usw. insgesamt rund 40 Artikel und Rubriken (auf 192 Seiten), von denen ich ein gutes Dutzend lese. Als Illustrationen (Thema Leistung!) fungieren Fotos von Ausstellungen, events und 16 Konterfeis des deutschen Fußbal-lers Michael Ballack, Schwarz-Weiß-Pressefotos, die Olaf Nicolai sammelte. * Die Lektüre macht wenig Spaß – vielleicht kommt dies vom General-Thema „Leistung“. Oder gehe ich mit falschen, zu hohen (?) Erwartungen an die Lektüre? Der Stoff ist trocken, zwar geschmeidig serviert, berührt mich aber kaum. * Einige der in „Endlos verlängertes Glück“ beschriebenen Pop-Musi-ken kenne ich, ohne mich als Fachmann zu bezeichnen, etwa „animal collective“. Ob bei dieser und ähnlichen Musik-Konzepten tatsächlich Leistungsverweigerung eine zentrale Rolle spielt, weiß ich nicht. Die Produkte, d.h. CD’s sind m.E. hochprofessionell. Sie mögen eine leistungs-kritische Klientel bedienen und von einer ebensolchen Ideologie getragen sein – aber solche Konserven zu produzieren ist an sich bereits eine ziemliche Leistung. Ich meine, daß diese Musiken mit Hörgewohnheiten experimentieren, aber es geht am Ende auch um Markt und Konsum. * Am meisten interessiert mich der Bericht über die Künstlerin Isa Genzken, über-schrieben „Paraden aus dem Alltagsschrott der Konsumkultur“. Auf insgesamt 8 Fotos sind mit farbigen Tüchern, Plastikstoffen und anderem Material und Requisiten versehene Rollstühle, Krücken, Gehwagen, Sessel dargestellt, die scheinbar x-beliebig auf Ausstellungsflächen abge-stellt sind. Weshalb die Polar-Autorin Maren Lübbke-Tidow diese „neueren Skulpturen von Isa Genzken... einfach unglaublich böse“ findet, ist mir ein Rätsel. Die Künstlerin zeigt einen Ausschnitt unserer Lebens-Realität, welcher in dem Bereich „Kunst“ oftmals ausgeblendet ist, und sie tut es mit lebendigen Farben, buntem Material. Ich interpretiere dies als einen lebensfrohen und phantasievollen Umgang mit den Themen „Alter“ und „Behinderung“, und weiß nicht, was daran „böse  sein soll. * Ein Aufsatz (S.89-95) ist überschrieben „Jenseits von Neid und Habgier – Wie wir uns überzeugen können, dass wir verdienen, was wir verdienen.“ Ausgehend vom großen Einkommensunterschied in Deutschland folgt Autor Walter Pfann-kuche in den Unterkapiteln „Wer leistet eigentlich was?“, „Der Trickle-Down-Effekt als Ideologie“ und „Die Selbstüberschätzung der Glücksritter und Machttaktierer“ Argumentationsschienen, auf denen er zu einem von Naivität und Moral geprägten Fazit kommt. Ich fühle mich in die 60-er und 70-er Jahre versetzt. Zitat: „Was jeder verdient, ist eine Anerken-nung und ein Ausgleich für sein ernsthaftes Bemühen um eine Sache, die anderen nutzt. Wer meint, dass sein Bemühen und Ernst den anderer übertrifft, der kann mit gutem Gewissen aufstehen und eine Besser-stellung verlangen ... Die übrigen, die Glücksritter und Machttaktierer, bleiben besser still sitzen. Zu lange schon bietet ihr Anblick ein peinliches Bild.“  * www.polar-zeitschrift.de * (Bilder Isa Genzken-Ausstellung aus www.youtube.com/watch?v=1lDyV9ScnOA) **RS** 

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