Montag, 10. Juni 2013

Damien Echols: Mein Leben nach der Todeszelle

Das Buch behandelt einen mehr als 18 Jahre währenden Alptraum. Was du dir in bösesten Phantasien nicht auszumalen wagst, wird Realität. Damien Echols wurde mit 18 Jahren wegen eines dreifachen Mordes, den er angeblich mit Freunden beging, zum Tode verurteilt. Lange Haare, schwarze Kleider und mit einer Ausreißerin beim Sex erwischt werden reichten, um so viel Haß und negative Projektionen auf sich zu ziehen, daß eine korrupte und voreingenommene Justiz die Todesstrafe für eine Tat verhängte, mit der der Verurteilte nicht das Geringste zu tun hatte. Echols Verteidigung versagte. "Mein Leben nach der Todeszelle" ist ein ironischer Titel. Das Buch behandelt zunächst die Kindheit und Jugend des Ich-Erzählers, der in ärmlichsten Verhältnissen ("white trash") im US-Bundesstaat Arkansas aufwuchs, und dann, nach der Verhaftung, den harten Kampf ums Überleben im Knast. Wie in Deutschland sich mittlerweile herumgesprochen hat, sind hiesige Gefängnisse im Vergleich mit amerikanischen wie Hotels. In den USA steht Bestrafung, nicht Resozialisierung im Mittelpunkt. ** Echols beginnt intensiv zu meditieren und Tagebuch zu führen. Er hat das Glück, Prominenten-Status zu erlangen. Schauspieler und Musiker wie Johnny Depp, Eddie Vedder, Henry Rollins setzen sich für ihn ein. Über Briefeschreiben lernt der ich-Erzähler seine spätere Frau kennen, die seinen Kampf draußen fortführt. 18 Jahre sind eine Menge. Echols arbeitet hart an sich, um nicht zu zerbrechen. Ihm geht es um mehr als körperliches Überdauern, er will voll und ganz da sein. So lese ich auf Seite 281: "Ich will kein "heiliges" Leben des Gebets und der Betrachtung führen. Ich will ein Leben der Anstrengung und der Freude, der Mühe, des Suchens, des Kampfes und der Ausschwei-fung. Ich will mich nicht mit einer Erfahrung begnügen, wenn es ein ganzes Leben voller Erfahrungen geben kann. Ich bin so begierig nach Wissen, daß ich mehrere Leben gleichzeitig führe, um es zu bekommen. Ich bin Katholik und Buddhist, Sünder und Philosoph, Ehemann und Vater, Native American und Weißer - ich habe keine Lust mehr, in irgendeine dieser Kategorien zu passen. Ich sehe keinen Grund, weshalb ich Pornografie und die Kunst Michelangelos nicht gleichermaßen lieben kann. Ich will das Leben aus jeder Perspektive sehen ..." ** US-Gefängnisse sind extrem repressiv. Willkür, körperliche und psychische Gewalt sind an der Tagesordnung. Der Gefangene Echols wurde von Wärtern zusammengeschlagen, seine Zelle demoliert, Aufzeichnungen verschwanden spurlos. In Filmen (you tube zB) wird der Alltag in amerikanischen Haftanstalten meist so dargestellt, als machten sich die Gefangene gegenseitig das Leben zur Hölle. Das ist nur teilweise richtig. Zumindest in den Ge-
fängnissen, in denen Echolsmehr als 18 Jahre verbringen musste, waren grausame und dumme Wärter sowie eine voreingenommene Justiz die ärgsten Feinde des Häftlings. ** Goldmann-Verlag, 418 Seiten, 19, 99 €     **RS**

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