Sonntag, 8. Dezember 2013

Tennessee Williams : MEMOIREN

Die bekanntesten Theaterstücke des amerikanischen Dramatikers und Schriftstellers (1911-1983) sind  „Endstation Sehnsucht“, „Die Katze auf dem heißen Blechdach“, „Die tätowierte Rose“ und „Die Nacht des Leguan“ – an diese Titel erinnere ich mich. Einige der Stücke wurden auch erfolgreich verfilmt, mit internationalen Stars wie Elisabeth Taylor, Paul Newman, Montgomery Clift, Anna Magnani. Tennessee Williams war so etwas wie ein Inbegriff – jeder "kannte" ihn, seine Stücke ... aber kannte ihn nicht wirklich, da das Bild des Künstlers durch die Medien arg verzerrt oder reduziert wurde. Der Schriftsteller ist aus den Schlagzeilen, ja aus dem Gedächtnis der meisten Zeitgenossen verschwunden – zu Unrecht, finde ich. Die 1972 er-schienenen „Memoiren“ sind rückhaltlos ehrlich –angefangen bei dem Geständnis des Autors, daß er sie „aus finanziellen Gründen“ schrieb. Erst fand ich seine Plauderei ziemlich „ober-flächlich“, was mich in dem Bild bestätigte, das ich von T.W. hatte. Dann war ich lesend zuneh-mend fasziniert.  Es ging mir nicht wie mit vielen Büchern, die mich, selbst wenn ich sie ir-gendwie „großartig“ und „gut geschrieben“ finde, spätestens nach zwei Dritteln zu langweilen beginnen. T.W. beschreibt die Höhen und Tiefen seines Lebens, vor allem letztere, er lebt sie für mich, den Leser. Er will nicht irgendwelchen Bildern entsprechen, die andere von ihm haben, sondern will etwas mit-teilen. Und tut dies auf spannende Weise. S. 8: „Es gelingt mir nie gut, meine Gefühle zu verbergen, und nach einigen Minuten gab ich es endgültig auf, weniger niedergeschlagen zu erscheinen, als ich es war. Ich redete. Ich riß all diese müden abgestandenen Witze, so ähnlich wie Bop Hopeless in einem Gefangenenlager nach einem verlorenen Krieg“. TW läßt immer wieder sehr tief blicken: „Lachen war für mich schon immer ein Ersatz für Klagen, und ich lache so laut, wie ich klagen würde, wenn ich diesen so brauchbaren Ersatz nicht entdeckt hätte“. In diesem Buch wird viel gelacht, aber auch viel tatsächlich geklagt, und ich langweile mich in keiner Phase beim Lesen. Der Autor hat mich gewonnen. Durch seine Glaub-würdigkeit, durch seine Lebendigkeit. Und durch die vielen schwulen und nicht-schwulen Freunde und Bekannten, die er hatte. Die Memoiren sind u.a. ein kleines who i who der amerikanischen Schwulen-Szene.  S.111: „Ich bin nicht wirklich ein Misanthrop oder Sauertopf, sondern eigentlich ein Clown, ein fast zwanghafter Komödiant in meinem Verhalten Menschen gegenüber“. Tiefe gewinnen die Aufzeichnungen u.a. durch die Beschreibung des Verhältnisses, das er zu seiner Mutter und seiner (in einer Irrenanstalt untergebrachten) Schwester Rose hatte. S. 151: „Ich befürchte, daß meine liebe Mutter mir zuzeiten als lebenslange Hysterikerin, die notdürftig die Kontrolle über sich behält, erschienen ist. In ihrer Familie ... hat er höchst beunruhigende Fälle von geistigen und nervösen Zusammen-brüchen gegeben“. TW hat, bei aller ein gestandenen Oberflächlichkeit seines Rollenver-haltens, einen sehr differenzierten Blick auf die Menschen, darunter auch viele Künstler. Manche Sätze streiche ich im Buch an, z.B. S. 160: „Künstler müssen, was ihre schöpferische Arbeit angeht, egozentrisch sein“. – Ziemlich zu Beginn schreibt TW über seine Schüchternheit sein Erröten, das ihn als Heranwachsender jahrelang hemmte. Leider geht er auf dieses Thema später nicht wieder ein. Mich hätte –und sei es nur in ein zwei Sätzen- interessiert, wie er dieses Problem für sich löste – oder verschwand es einfach mit zunehmendem Alter „von selber“? Und noch ein Zitat, S. 184; „’ „Alle große Kunst ist Indiskretion’. Nun, ich kann Ihnen nicht versprechen, daß dieses Buch ‚Kunst’ wird – daß es indiskret ist, läßt sich nicht vermeiden, da es sich mit meinem Leben als Erwachsener beschäftigt“.  ** Fischer Verlag, 328 lesenswerte Seiten; ich fand das Taschenbuchuch im Bücherregal des 12-er Busses in Bergedorf.      *RS*


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