Sonntag, 25. Dezember 2016

George "Beau" Brummell

2014 erschien ein Büchlein des französischen Schriftstellers Michel  Onfray mit dem Titel "LEBEN UND TOD eines Dandys". Teil 1 (Seite 11-47) ist eine gnadenlose Aburteilung jenes Mannes, der wie kein anderer der Inbegriff eines Mode-Menschen wurde. Onfrau schreibt: "GEORGE BRYAN BRUMMELL sei der König der Dandys gewesen, heißt es. Doch er war auch und vor allem egoistisch, aggressiv, ironisch, zynisch, unhöflich, verlogen, betrügerisch, beleidigend, arrogant, süffisant, angeberisch und - natürlich - selbstgefällig, nur auf der Welt, um anderen schlechten Geschmack, fehlende Eleganz, Blasiertheit und mangelnde Bildung vorzuwerfen". Hier zieht ein Mann systematisch wie ein Schachspieler und furios wie ein Moralprediger gegen einen anderen zu Felde, der zwar längst tot ist (G.B.B. lebte von 1780 bis 1842), aber doch immer noch Wirkung hat - in den Augen Onfrays offenbar zu positives Ansehen genießt. "Wie konnte ein derart verabscheu-ungswürdiger Mensch zum Inbegriff des Dandysmus werden, einer Ethik der Eleganz, des Adels, des guten Geschmacks und der Individualität?" fragt Onfray. Die Frage ist rhetorisch zu verstehen - der französische Schriftsteller, von dem ich vor Jahren etliche spannend geschriebene Bücher las, alle zu philosophischen Themen, weiß die Antwort und teilt sie mir, dem Leser, in seiner furiosen, bisweilen brillanten General-Kritik mit. Ein Erzähler als Oberlehrer. Der Ton und die Einseitigkeit des Anklägers erstaunen mich - seine Bücher zu philosophischen Themen waren zwar auch kritisch und redeten "Klartext", hatten aber eine eher inspirierende Wirkung auf mich. ** Zum Glück hat das  Büchlein noch einen zweiten Teil, in dem der Autor den, den er zuvor erbarmungslos in die Pfanne
 
haute,  vom Herd nimmt bzw. das Feuer ausmacht, um scheinbar auf die Ebene eines "Sachbuchs" zu wechseln, Überschrift: "KONSTRUKTION eines Mythos". Mitverantwortlich für die heute herausragende Stellung Beau Brummels macht Onfray einen französischen Schrifsteller des 19. Jahrhunderts. Ich zitiere aus S. 51: "BRUMMELS HEILIGSPRECHUNG erfolgte durch einen römisch-katholischen, apostolischen, royalistischen und legitimistischen Normannen namens Jules Barbey d'Aurevilly. In Vom Dandytum und von G. Brummell behauptet er, seinen Protagonisten als alten Mann in Caen getroffen zu haben". Onfray bezweifelt, daß d'Aurevilly Brummell tatsächlich traf - und wenn, dann ohne mit ihm ins Gespräch gekommen zu sein oder ihn gar näher kennen gelernt zu haben. Aber: Er wandelte sich selber zum Dandy und orientierte sich dabei, so Onfray, mehr und mehr an Brummell, identifizierte sich teilweise mit der Kunstfigur. So ähnlich mag es gewesen sein... -  aber als Zeitgenosse (1808-1889) war d'Aurevilly natürlich "näher dran" als Onfray, (* 1959) der 119 Jahre nach dem Tod Brimmells geboren wurde. Hier läßt sich allerdings ein Argument einbringen, das schwer zu widerlegen ist, nämlich: Daß gerade zeitliche Distanz erlaubt, Phänomene und auch Menschen etwas klarer, d.h. mit einem gewissen Hauch an "Objektivität", also ohne auf eigene Projektionen hereinzufallen, zu sehen. ** Auch wenn ich M.O. nicht ganz folgen mag: Das Thema DANDYTUM lohnt eine nähere Beschäftigung. Die meisten von uns kennen den wohl populärsten lebenden Dandy aus Modeschauen, TV und unzähligen Magazinen. Er steuerte zu dem Büchlein die Zeichnung auf dem Cover bei (entstanden nach einem zeitgenössischen Porträt). ** Meine erste "Begegnung" mit dem Dandy liegt mehr als 50 Jahre zurück. Damals feierte die englische Beat-Band The Kinks Charts-Erfolge mit dem von Lead-Sänger Ray Davies komponierten u. getexteten Song "Dandy". Der Song wurde übrigens erfolgreich gecovert u.a. von "Herman's Hermits" und, vielleicht noch interessanter für Leser meines Blogs, von den Rockiung Vickers, der ersten Band von Lemmy Kilmister, dem später weltberühmten Frontmann von Motörhead. I like the KINKS. Und Beau Brummell sehe ich AUCH unter dem Begriff des Lebenskünstlers. Jaja, ich weiß, B.B. starb völlig verarmt und geistesgestört in Frankreich. Aber: Auf seine Art war er ein Lebenskünstler.  Wohl hat Onfray auch in gewisser Weise recht mit seinem Buch. Auch wenn er nicht meine Sympathien genießt. ...        
                                                                                                     *RS*
      

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