Freitag, 10. Dezember 2010

Emotionale Intelligenz (1)


Der amerikanische Psychologe Daniel Goleman publizierte 1995 das Buch "Emotionale Intelligenz", das auch in Deutschland zum Bestseller avancierte (18. Auflage 2005, dtv). Der Autor weist u.a. auf einen medizinischen Befund hin. Im Kleinhirn jedes Menschen befindet sich, umgeben vom Neokortex, ein winziges Organ, der "Mandelkern", der wie ein hochsensibles Organ für emotionale Erinnerung fungiert. Das "posttraumatische Symtom", einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden in Folge des Irak-Krieges (zahllose u.a. von psychischen Problemen geplagte GI's), hängt mit diesem "Mandelkern" zusammen, der, einmal in Erregung versetzt, ein eigenes Gedächtnis entwickelt und in bestimmten Situationen -noch viele Jahre nach dem auslösenden Ereignis- Ängste freisetzt und Fluchtreaktionen auslöst. * Mich interessiert an der emotionalen Intelligenz, daß sie nicht ein unveränderliches Natur-Phänomen darstellt, sondern durch verschiedene Faktoren geprägt wird; zum einen körperlich: Physiognomie, Hormone, Kreislauf usw.; zum anderen sozial: Erziehung, gesellschaftliche Einflüsse. Ein Trauma, eine schwere psychische Erschütterung, kann Depressionen und andere lähmende Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Es kann aber auch zur Folge haben, daß sich beim Betroffenen eine besondere Sensibilität ausprägt - als Folge des emotionalen Gedächtnisses, das wie ein unsichtbarer Wächter in jedem wirkt. Hinzu kommt: Der Mensch ist, wie es so schön heißt, ein "soziales Wesen". Dies bedeutet, daß er von anderen Menschen abhängig ist und mit seinen emotionalen Zuständen auf seine Umgebung einwirkt. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Wichtig scheint mir: Emotionale Intelligenz, d.h. die Fähigkeit, Gefühle zu erkennen und zu gestalten, ist lernbar. Leidensdruck kann ein wichtiges Motiv sein, um Emotionen zu erforschen und den Ursachen von Schlaflosigkeit, Depressionen usw. auf die Spur zu kommen. Dies gilt selbstverständlich auch für positive Gefühle. Der "Mandelkern" wird auch erschüttert durch intensive angenehme, als Glücksgefühle erinnerte Zustände. Eine Voraussetzung, um Emotionen auf die Spur zu kommen, besteht allerdings darin, daß das Problem als solches erkannt wird und ein sozialer Rahmen da ist oder geschaffen wird, in dem Ängste, Phobien usw. an- und ausgesprochen und ausgelebt werden können. Es gibt einen unüberschaubaren Markt von diversen Therapie-Angeboten, die auf diesen Bereich folussiert sind. * Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema: Als Betroffener, als Künstler, aber auch als Freund und Ansprechpartner von Menschen, die unter traumatischen Erlebnissen leiden. Meist kann ich mir bestimmte Erzählungen nur anhören - und bin selbst damit bisweilen überfordert, etwa wenn Klagen zum Selbstzweck und gebetsmühlenartig wiederholt werden. * Golemans Buch enthält viele Anregungen, nützliche Gedanken, und berichtet umfangreich von sozial-therapeutischen Ansätzen in den USA, vor allem mit Jugendlichen. Es bietet somit Orientierungshilfen - wobei die Einschränkung zu machen ist, daß die amerikanische Gesell-schaft in mancher Hinsicht anders strukturiert ist als die deutsche. * 432 S., isbn 3-446-18526-7 9 € * R.S. *

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