Donnerstag, 21. Dezember 2017

Jürgen Henne gestorben


Jürgen, mein ältester "Kontakt"-ehemaliger Genosse (Hamburger Anarcho-Szene 1974)- zeitweise Freund - ist tot. Er wurde 64 Jahre alt.
Ich wollte ihn, nach längerer Zeit mal wieder, in "seinem" Haus 9  der Forensik (Psychiatrie) in Ochsenzoll besuchen. Ein Schließer teilte mir mit, daß er bereits seit ca. einem halben Jahr tot sei, "friedlich eingeschlafen". Weitere Informationen könne er aus Datenschutz-Gründen nicht preis-geben. 


Im Spätsommer hatte ich ihm geschrieben - der Brief kam zurück. Hätte ich gleich nachschauen sollen? Bis vor 3 Jahren besuchte ich Jürgen alle 1-2 Monate, und ließ ihm auch andere Lebens-zeichen zukommen.
Jürgen war ein psychisch kranker Gewalttäter. 1988 war er verurteilt worden, weil er zwei ältere Damen, die er für "Nazi"-Frauen hielt, mit einer abgebrochenen Bierflasche bzw. einem Hammer schwer verletzte. Er wurde wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit (Diagnose "Schizophrenie") in die geschlossene Psychiatrie verbracht. 
Manchmal brachte ich Mal-Utensilien mit,  um ihn und andere Eingesperrte zu porträtieren und die meist eintönigen Gespräche etwas aufzulockern; etwas SPASS (trotz Allem!) in den Maßregelvollzug zu bringen ... 


Jürgen hatte um sich einen dicken, kaum durchdringbaren ideologischen Panzer aufgebaut, gespeist aus linksradikaler bzw. anarcho-kommunistischer Theorie und Parolen. Einer Bekannten gelang es einmal, ausnahmsweise, ihn etwas aufzuweichen, so daß eine Ahnung des persönlichen Elends und der Verzweiflung spürbar wurde, die ihn zu seinen Attacken trieben. Ansonsten war es meist un-möglich, über politische "antifaschistische" Phrasen hinaus ihm persönliche Statements oder so etwas wie authentische Emotionen zu entlocken. 
Jürgen stand jahrzehntelang unter dem Einfluß starker Psychopharmaka und anderer Tabletten, die ihn körperlich und mental zu einem Wrack machten. Obschon ideologisch radikal GEGEN "das System" (Kapitalismus, Psychiatrie, Polizei--) eingestellt, verhinderte er selber, entlassen zu werden. 
Psychotherapie lehnte er ab, da sie nur ein "Teil des Systems" sei.
Jürgen hinterlässt eine Freundin in Peru, zu der er nur noch sporadisch Kontakt hatte, sowie eine gemeinsame Tochter, die, wie er mir erzählte, in einer peruanischen psychiatrischen Einrichtung lebt. 
                                                                                 
                                                                   R.I.P.                             
                                                                                                    °° RS °°                                                                                                

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