Freitag, 25. Dezember 2015

Friedrich Gulda


Dieses Buch von 1971 nahm ich aus einer Bus-Bücherei in Hamburg-Bergedorf mit. ** Friedrich Gulda (1970-2000) ist ein Musik-Dino aus vergangenen Zeiten. Seine Notizen stammen aus den 50-er und 60-er Jahren - er veröffentlichte sie, mit Kommentaren versehen, 1971. Unter "I." (Seite 9) zitiert er seine eigenen Notizen "Unegoistische Handlung: Nicht-Ich-Sein, Außersichsein    1953" und merkt dazu u.a. an: "Ist nicht der gute Musiker Spender von Güte, Mitleid, compassion für seine Zuhörer? Darf er dabei "sich selbst genießen"? Nein. Merk's, Virtuose und Showman: Self-consciousness macht musikunfähig. Musikfähig ist der, der "nicht ich", "im Zustand der Gnade", "inspiriert", "in Zungen redend" ist. "Außersichsein" nennt das die feinfühlige Sprache." --- Ungewöhnliche Bemerkungen! ... das ganze Buch ist voll davon ... Gulda war ein sehr präziser Musik-Handwerker-Komponist wie auch kritischer Beobachter der Gesellschaft. ** Zum Teil hat er -so meine Einschätzung- Tendenzen der 68-er-Bewegung in sein Denken übernommen, zeitweilig jedenfalls. Auf Seite 11 zitiert er seine Notizen aus 1953: "III. Klassik: Darstellung des Seins. Impressioniusmus: Darstellung der Erscheinung. Beide sind Boten der Religion, aber der Impressionismus ist sozusagen "Religion aus zweiter Hand" (d.h. der Zuhörer oder Betrachter kann sie sich "hinzudenken")." und fügt aus (damals) aktueller Sicht hinzu: "Jugendlich hart und vorlaut, im Ausdruck nicht gerade wählerisch; trotzdem bemerkenswert. Vielleicht könnte man milder, aber korrekter sagen: Daß die Impressionisten sich so ausschließlich auf das sinnlich Wahrnehmbare festlegten, ist erstens als Reaktion auf den bräunlich-pseudomystischen Dunst der Hochromantik verständlich, und zweitens war vielleicht gerade dieser "Mut zur Sinnlichkeit" nötig und heilsam ..."  Ob Gulda, lebte er heute noch, zu seiner Invektive gegen die Hochromantik (mit der in Persona m.E. Richard Wagner gemeint war) und Worten wie "bräunlich-pdeudo-mystischen Dunst" stehen würde, weiß ich nicht. Sicher ist: Das Buch ist auch heute noch lesenswert - weil Gulda sich als kompetenter Kenner der Musik-Materie erweist. Er war ein Fachmann, der auch Moral ins Spiel brachte.   
                                                               *RS* 

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