Samstag, 16. April 2016

Ernesto Cardenal - Unser Land

Das Buch, das 1980 im Peter Hammer Verlag erschien trägt den vollständigen Titel "Unser Land mit den Menschen die wir lieben". Ich mag an diesem Buch vor allem die Bilder - die naive Bildsprache. Hier mischt sich sozialistische Utopie mit christlich-religiöser Verehrung, Inbrunst. Oder sollte ich sagen: Schwärmerei? 


 
Auch diesen erzählerischen Text von Errnesto Cardenal mag ich - er passt so garnicht in die heutige Zeit. In meinem Land werden nicht Freiheitskämpfer verehrt und gepriesen, sondern Sportler: Fußballer und Rennfahrer. Je höher die Gage, desto inbrünstiger die Verehrung.
Als das Buch "Unser Land" (gemeint ist Nicaragua) 1980 erschien, war Diktator Somoza gerade 3 Jahre vertrieben, und im Jahr zuvor hatten die sandinistischen Guerillas nach einem Bürgerkrieg die Macht in dem mittelamerikanischen Land erobert. Sozialismus war damals angesagt, auch in Europa, auch in Deutschland.
Cardenal (* 1925) ist für mich einer der letzten Romantiker der Revolution, katholisch, Antistalinist, Sozialist, Dichter. Zur Revolution in Mittelamerika gehörten auch Träume, NAIVITÄT, viel Empathie, wie dieses Buch beweist. Große Teile der Jugend und der Arbeiterklasse wollten Revolution, Umsturz - notfalls mit Gewalt. Dafür opferte man-Frau sich noitfalls. In Mittel- und Südamerika.

Die heutige "moderne Jugend" in Deutschland ist poppig, Antiheld, konsum-orientiert, scheinbar besonders "aufgeklärt" - auch in intellektuellen Dingen war die damalige Jugend in Deutschland anders. Es gab noch nicht die political correctness. Zwar spalteten sich die "Progressiven" sektenmäßig in K-Gruppen (KBW, KB, KPD-ML u.a.) und "Undogmatische" (BI's gegen Atomkraftwerke, Schwarze Hilfen, Rote Hilfen etc), aber es gab noch mehr Zusammenhalt als heute, wie mir scheint. Eine Sprachpolizei, wie sie heute in der Form von "Antifa" diktatorisch auftritt als rabiate Form der Aufklärung, war seinerzeit nur in der RAF und Bewegung 2. Juni angelegt. 
Als besonders gegensätzlich erscheint mir die 70-er und 80-er Jahre NAIVITÄT, die auch etwas Liebenswertes und Glaubwürdiges hatte, im Unterschied zum heutigen ab- und aufgeklärten Polit-Professionalismus, zu dem mittlerweile jeder Ex-Gymnasiast in kürzester Zeit findet. 


Auch damals, im Gefolge der 68-er Aufbruchszeit, gab es Kritik am Christentum. Aber: Es wurde in diesen Breiten noch argumentiert. Heute ist die christliche Religion, jedenfalls in Mitteleuropa, generell der Lächerlichkeit preisgegeben. Spott und Häme dominieren die sozialen Medien. NICHT kritisiert oder gar lächerlich gemacht werden darf der Islam. Wer sich über ihn lustig macht, wird wie ein Staatsverbrecher behandelt -- was auf zahlreichen Facebook-Seiten Trotz-Reaktionen hervorruft - verständlich. 
Es wäre einmal interessant, ausführlicher als ich es an dieser Stelle tun kann, den Geist und Funda-mentalopposition der 70-er und 80-er Jahre mit der Stimmung von heute zu vergleichen. Wobei mir besonders auffällig erscheint, daß jede Art von Naivität und Träumerei heute eher verdächtig und als "dumm" erscheint. Vielleicht sind die Menschen heute insgesamt cleverer?

   Aber auch kälter, desillusionierter?!!
Man hört nur sehr wenig heute von Ernesto Cardenal. 
Die Revolution von 1979 wurde vielfach korrumpiert, vor Allem durch den Eingriff der Amerikaner, die mit allen Mitteln, auch militärischen, das Land destabilisierten.
"Unser Land" gibt es heute nicht mehr - man es jedenfalls nicht mehr so formulieren. "Unser Land" - die europäischen jedenfalls - soll ALLEN gehören. Wer anders denkt und meint, wird iedeologisch gebrandmarkt und totgeschwiegen. 
Ich - "wir" - "unser" ???
Cardenal wurde am 20. Januar 91 Jahre alt. 
Ich wünsche ihm gute Gesundheit und weiterhin Inspiration und Gelingen.
                                                                                                                          *RS*

   Im Folgenden Ausschnitte aus einer Lesung Cardenals in den 90-er Jahren in Hamburg --- 

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