Dienstag, 5. April 2011

Kulturpolitik in Wilhelmsburg


Vor zwei Wochen tönte eine Schlagzeile im Wilhelmsburger Wochenblatt: "Elbinsel ist Hochburg der Kultur". Die Autorin, Frau Pittelkow, begründet ihre These damit, daß die Kulturbe-hörde 2011 insgesamt 172.500 € in "interkulturelle und integrative Kulturarbeit" stecke. Eine Woche später wurde ein Leserbrief einer Bürgerhaus-Mitarbeiterin abgedruckt. Überschrift: "Noch keine Kulturhochburg". J.E. betont, daß ihre Einrichtung "weniger als 10.000 €" bekomme. Das Bürgerhaus sei "immer noch auf weitere Unterstützer angewiesen" und listet dann gleich vier Sponsoren auf: "Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung", "Alfred Töpfer Stiftung", "Do-Stiftung" und "Beirat für Stadtentwicklung Wilhelmsburg", OHNE die Geldsummen zu nennen. Das Kürzel "z.B." in diesem Zusam-menhang deutet darauf hin, daß es noch weitere Geldgeber gibt, ich vermute: (u.a.) die IBA. Fragwürdig wird das Statement durch den kecken Spruch: Wir "arbeiten ... daran, eine Hochburg der Kultur zu werden, sind es aber lange noch nicht, da uns die finanziellen Mittel fehlen." Hier wird ein Pferd von hinten aufgezäumt. Es wiehert wie ein Amtsschimmel. Sehr laut und mit Kalkül - und irgendwie FALSCH. Die Zeilen suggerieren, Kultur sei in erster Linie von Geldern abhängig. Der Eindruck trügt. Jeder Mensch mit einem Funken gesellschaft-lichem und historischem Bewußtsein weiß: Es gab und gibt Hoch-Kulturen, die ohne staatliche Förderung existieren. Abgesehen von seltenem Mäzenatentum, bei dem Liebhaber von Kunst und Kultur und Wissenschaft Gelder investieren, dient staatliche Kulturförderung zuvörderst dem Ziel, die eigene Macht zu erhalten und zu erweitern. Dies geschieht -die Elb-Insel bietet ein hervorragendes Beispiel- oftmals willkürlich, blind und über die Köpfe und Interessen von Kunst- und Kulturschaffenden hinweg, denen Sponsoring gut tun könnte. Das Bürgerhaus W.burg hat bestimmte Aufgaben, für die die Mitarbeiter bezahlt und Projekte bezuschusst werden. Vor einigen Monaten veröffentlichte das Wochenblatt einen Artikel von Bettina Kiehn, der Bürgerhaus-Leiterin, in dem sie den Eindruck erweckt, als stünde die Einrichtung kurz vor der Schließung. da die Finanzen gekürzt werden. Das ist, höflich ausgedrückt, starker Toback. Ich schrieb Frau K. einen Brief, in dem ich darauf hinwies, daß es auf der Elb-Insel Initiativen gibt, die froh wären, wenn sie die Probleme des Bürgerhauses hätten. Es gibt Vereine, die keinen Cent von der Kulturbehörde bekommen - und TROTZDEM weitermachen. Als Anerken-nung gibts nicht mal ein "danke schön". Auf mein Schreiben bekam ich keine Antwort. Hier zeigt sich bestbekannter Egoismus, gepaart mit Ignoranz. Es wäre falsch, alle Bürgerhaus-Aktiven über einen Kamm zu scheren. Aber eines zeigt sich wieder einmal deutlich: Hamburger Kulturpolitik allgemein und speziell auf der Elb-Insel dient vor allem den Zentren und Initiativen, die eh schon reichlich mit Geldern ausgestattet sind. Und dazu zählt nach wie vor das Bürgerhaus. Die anderen dürfen froh sein, wenn sie -bestenfalls- irgendwelche Almosen bekommen. Wenn sie nicht irgendwann auch darauf verzichten. *R.S.*

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