Dienstag, 5. November 2013

Bemerkungen zu Kai Damkowskis "Angst sucht Hase"


Der Roman erschien bereits 1998. Nachdem ich kürzlich einen Lesungsausschnitt (1996) mit dem Autor veröffentlichte, besorgte ich mir nun das Buch „Angst sucht Hase“.   *  Das Debüt des 1970 Geborenen ist sehr kraftvoll und voller Spannung-en. In immer wieder neuen Anläufen dreht sich Ich-Erzähler Klausner  (Anm.: Kai D. gab ein gleichnamiges Fanzine heraus) um die eigene Achse, um dem Leser seine Befindlichkeiten, physische wie psychische Zustände mitzuteilen. Es hat etwas von der Qualität von Sekundenfilmen, künstlerisch gestaltet und auf Breitwandformat gebracht. Das ist ziemlich schnörkellos geschrieben. Hart, rücksichtslos –auch gegen sich selber- und heftig. Klausner lebt –wie sich das für einen ambitionierten Literaten gehört- ziemlich isoliert. „Ziemlich“ bedeutet: Ohne feste Freundin, aber doch bisweilen schwerst verliebt, mit eher losen Kontakten zu diversen ehemaligen Schulkameraden und Kumpels. Echte Freunde scheinen sie nicht zu sein – oder doch? Der Autor läßt jedenfalls mehr als einmal Szenen einfließen, in denen er sich als Loser darstellt, als einen, der wenn es darauf ankommt, allein dasteht. Selbstmitleid erlaubt sich der Held jedoch nicht, zumindest dauerhaft läßt er Schwächezustände nicht zu. Von seiner Haltung her, denke ich beim Lesen, ist der Autor hochromantisch; auch das Etikett „Sturm und Drang“ passt wie angegossen. Eigentümlich für den „Sturm und Drang“, zu dessen Vertretern u.a. der frühe Goethe gehörte, war, neben der Heftigkeit und Radikalität,  mit der Themen behandelt wurden, ein Genie-Kult. Allerdings lebt der Ich-Erzähler Klausner nicht in vergangenen Zeiten, sondern durch und durch im Hier & Jetzt. In Hamburg. Die Radikalität und Rücksichtslosigkeit des Erzählers Klausner machen ihn mir äußerst sympathisch. Ein Held in einer Zeit, die literarisch eher von dem ausgeleierten Topos des Anti-Helden zehrt. Ich lese und lese, aber mit zunehmender Dauer melden sich Zweifel. Radikale Subjektivität, Härte, existentielle Zustände: JA ... Aber mir fällt auf, daß der Erzähler immer wieder von der „Ich“-Position zum „wir“ und zu „man“ wechselt. Das ist erstaunlich, wo er doch ursprünglich, so schien mir, auf unver-wechselbare Persönlichkeit, Authentizität, Einmaligkeit setzte. Wurde ihm „die Luft da oben“ (so ganz allein!) zu dünn, kam er deshalb auf die fatale Idee, zunehmend anekdotenhaft zu werden und Identifikationsmuster anzubieten? Was interessiert mich, was „man“ denkt? Das finde ich im SPIEGEL oder in der BILD-Zeitung. Gegen Ende der Aufzeichnungen wird der „Lindenstraße“-TV-Serie und dem Kult darum eine mehrseitige Passage gewidmet, da wird’s total kitschig und unglaubwürdig – gemessen an der Radikalität und der Punk-Haltung, die Klausner für sich beansprucht. Der ur-sprüngliche Impuls, mit dem Klausner sich schreibend bewegt, ist total richtig, nämlich: Allem, vor allem sich selber, auf den Grund zu gehen. Aber der Autor hats m.E. nicht durchgehalten. Über literarische Vorlieben, Lieblings-Autoren etc. läßt Damkowski fast nichts in seinen Roman einfließen, aber auf Seite 272 kommt er plötzlich mit Celan. S. 272: „... c’est la vie, aber jetzt seid ihr ja doch noch angekommen. C’est la was? Celan, Paul: Die Todesfuge. Das erinnert mich an meine Arbeit im Bücherversand damals, wirklich schlecht bezahlt, ich habe im Lager gearbeite, wobei man da nicht zu sehr an Celan denken sollte, es war ein Bücherlage und ich habe mir ohnehin eher Celine gegriffen.“ Wie Damkowski hier, quasi nebenbei, Celan und Celine in sein Werk einbaut, ist mir zu lässig. Ich bin enttäuscht. * Vielleicht hätte das Buch früher enden sollen, statt 275 Seiten nur 200. Als „Fragment“ wäre es immer noch ein sehr starkes Debüt gewesen.  * Verlag Jens Neumann, 291 Seiten, isbn 3-930559-43-9 
RS                            Lesungsmitschnitt auf You Tube:  
http://www.youtube.com/watch?v=UV8s0ikojzU&feature=c4-overview&list=UUS2IKJSjevCTcThKs0eSHsg  


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