Titel-Story:
Der Wochenmarkt auf dem Stübenplatz,
seit Jahrzehnten einer der lebendigsten Orte der Elb-Insel. Zu beobachten ist
eine allmähliche Verdrängung der Obst- und Gemüse- durch Kleider-, Schuh- und
ähnliche Verkaufsstände. Nicht erwähnt wird, daß alteingesessenen deutschen
Obst- und Gemüsebauern die Kundschaft schrumpft, während die großenteils von
Türken, Nordafrikanern und Osteuropäern betriebenen Kleider- und Stofftische
großen Zulauf haben. Es ist politisch nicht korrekt, diesen Umstand aufzuzeigen.
Wie der Redakteur, der seit ca. 3 Jahren auf der Elb-Insel lebt, zu der
Einschätzung gelangt „In den letzten 30
Jahren hat sich die Einwohnerschaft massiv verändert, und nicht alle heutigen
Bewohner haben genug Geld, um auf dem Markt einzukaufen“ weiß nur er selber. Ich wohne seit 27 Jahren
zwei Minuten Fußweg vom Stübenplatz entfernt. Die Einwohnerschaft hat sich in
den letzten 3-6 Jahren massiv verändert. Und woher DAS rührt, weiß jeder. Auch
die wir-Redaktion. Dieser die realen Verhältnisse beschnitten wiedergebende Artikel
läuft nicht unter der Rubrik „Meinung“, sondern unter „Titel“ (-Story), ist also
kompatibel bzw. identisch mit der wir-Redaktion. Jörg Ehrnsberger beklagte schon mehrfach, daß er als quasi
„Neu-Wilhelmsburger“ von einigen Insulanern noch nicht voll akzeptiert werde.
Ich finde Jörg super-sympathisch, meine aber, daß, wer hier jahrzehntelang lebt, oft tatsächlich mehr als neu Dazugezogene weiß. * S.6 Manuel Humburg,
bedeutsamer Populist der Insel, macht sich mal wieder Gedanken, die weder
innovativ noch originell sind. Die IBA ist offiziell beendet, aber die so
entstehende Baulücke muß, wenn es nach M.H. geht, unbedingt gefüllt werden. „Und warum eigentlich kein Wohnungsbau am
Veringkanal?“ fragt der Mann. Gegenfrage: Wieso nach 6 Jahren nervigsten
Wohnungsbaus nicht endlich mal eine Pause damit? S. 17 „Das
waren die Ateliertage 2013!“ Die Organisatorin behauptet: „Alle KünstlerInnen waren sehr zufrieden“. Ich halte es für taktisch sehr
clever, so zu schreiben. Der ganze Artikel ist alles- und nichts sagend.
Die Organisatorin macht Reklame für sich selber, gipfelnd in:„-eine gute Nachricht: Nächstes Jahr werde ich wieder Ateliertage organisieren,
und neue KünstlerInnen können sich schon jetzt bei mir melden...“ Was sie, außer Eigenlob, in zwei Spalten von
sich gibt, ist inhaltlich „Friede, Freude, Eierkuchen“. Bloß nicht kritisch sein, bloß
nicht irgendwelche Unsicherheiten oder Zweifel zeigen. Auch dieser Artikel
wendet sich nicht unter der Rubrik „Meinung“ an die Leser, sondern vermittelt
als Bestandteil des „Kultur“-Teils den Eindruck, daß (s.o.) die Redaktionsmeinung
widergegeben wird. Was in dem Artikel
simplifizierend zum Ausdruck kommt, ist, pragmatisch auf den Punkt gebracht,
SPD-Kulturpolitik. „Seid nett zueinander“. Von der Sache her inkompetent, von
der Tendenz konsensfähig, vom Gehalt her totale Nivellierung: Gleichmacherei. tschuldigung: Die Grünen betreiben die gleiche Kultur-Politik, nur mit
anderem Etikett. ** Die igs-Berichterstattung erhitzt auch nach Schließung der
Pforten die Gemüter. Herr Rejmanowski, eifriger Leserbrief-Schreiber, läßt
mal wieder seine Wut ab über allzu kritisch denkende Menschen. Und er zeigt
nicht nur Wut, sondern auch Mut. Nur: Gegen das „schlecht geredet
werden“ des Stadtteils anzustänkern macht wenig Sinn, wenn Mißstände allzu offensichtlich sind. „Das grenzt an
Nestbeschmutzung“ meint Herr R. Er verwendet hier einen äußerst reaktionären, nahezu faschistischer Begriff, mit dem
Andersdenkende diffamiert und mundtot gemacht werden sollen. Ich finde solche Haltung dumm. „Nestbeschmutzung“ ist
nicht schlecht oder übel, sondern notwendig. Netzbeschmutzer zu sein
ist eine Kunst. Es gehören dazu allerdings Eigenschaften, über die nur eine
Minderheit von Menschen verfügt. Wenn ich Wilhelmsburg als „kulturelles
Provinzkaff“ bezeichne, ist dies in gewisser Weise „Nestbeschmutzung“. Schließlich
lebe ich in dem Stadtteil seit 27 Jahren. Da könnte man beinahe von Nest reden. Aber aufgrund der Jahre weiß ich auch, wovon
ich rede. Allerdings verdanke ich meine kreativen Fähigkeiten nicht der Elb-Insel. * Ich bin davon
überzeugt, daß Nestbeschmutzung nicht nur etwas Lästiges ist, das man/Frau
empört zurückweisen oder augenzwinkernd „tolerieren“ kann. Die Alternative wäre der totale Kompromiß: Sich
gegenseitig vollzulügen, zu beschönigen, zurechtzubiegen, glatt zu bügeln, zu
beschneiden, retouchieren, totzuschweigen. Damit wäre ich wieder bei der SPD.
Danke, Herr Reijmaniwski, für Ihren Leserbrief. Ich bin nicht Ihrer Meinung,
ganz und garnicht, aber Sie haben mir den Anstoß zu diesen Zeilen geliefert.
***
Vor einigen Wochen gab es einen bösen „Zwischenfall“ im Zusammenhang mit dem
w.i.r. Das RIALTO-Kino lud einen Mann aus, der für den W.I.R. eine Lesung mit
Rocko Schamoni besuchen und darüber schreiben sollte. Mit keinem
Wort wird dieser Vorfall im
W.I.R. erwähnt. Das ist ein Skandal. Nicht die Ausladung – bitte sehr, darüber
kann man/Frau unterschiedlicher Meinung sein. Aber daß diese Sache komplett totgeschwiegen
wird, zeigt, welcher „Geist“ in der W.I.R.-Redaktion offenbar herrscht. Die für
die Ausgrenzung zuständige RIALTO-Mitarbeiterin schickte an die
W.I.R.-Redaktion eine mail, in der sie die genaueren Umstände, Gründe für den
Ausschluß detailliert beschrieb. Diese mail wurde von der W.I.R.-Redaktion nicht –was eigentlich eine
Selbst-verständlichkeit gewesen wäre- an den betroffenen Mann weitergeleitet. Selbiger bekam
die mail in ihrem Wortlaut von anderer Stelle.
**Raimund Samson,
Nestbeschmutzer**
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