Montag, 29. Februar 2016

Lookism

Die aktuelle Ausgabe der JUNGEn FREIHEIT enthält einen lesenswerten Artikel über die Situation an amerikanischen Hochschulen. Da diese in Vielem für europäische und speziell deutsche Unis eine Vorbild-Funktion haben, ist es nicht verkehrt, mit besonderer Aufmerksamkeit die Entwicklung dort zu beobachten. Karlheinz Weissmann beschreibt unter der Überschrift "Die letzten Bastionen schleifen", was uns in Anlehnung an US-Colleges an Denk- und Verhaltensvorschriften erwartet und teilweise schon eingetroffen ist. Mit den Begriffen "Rassismus" und "Sexismus" sind wir inzwischen vertraut. Neu sind  "Abeilism" und "Lookism". "Abeilism" meint "die Unterdrückung der anders Befähigten" (d.h. Behinderter) durch die "vorübergehend Befähigten". Ich las dieses Wort in dem Artikel zum ersten Mal. Bzgl. Behinderter war mir zuletzt während meiner Arbeit für die aaw (alsterdorf assistenz west) aufgefallen, daß von uns Beschäftigten gefordert wurde, nicht mehr von "Behinderten" zu sprechen, sondern das Wörtchen "Behinderte" stets mit dem Wort "Mensch" zu verknüpfen. Soll irgendwie "menschlicher" klingen. *** 
 
"Lookism" bedeutet den "Glauben, daß die äußere Erscheinung einen Anhaltspunkt für den Wert einer Person abgibt". Das sei falsch. Wir sollen annehmen, daß die äußere Erscheinung eines Menschen keine Schlüsse zulasse auf seinen Wert. Diese Forderung widerspricht Wahrnehmungs- und Denkgewohnheiten. Es gibt jedoch Beweis, daß unsere Wahrnehmungsgewohnheiten falsch sind. Der Begriff "Lookism" fiel mir vor einigen Monaten in der Facebook-Gruppe "Kritische Theorie" auf. Dort monierte ein Mitglied "lookism" bzgl. einiger Fotos, auf denen rechte Demonstranten abgebildet waren. Ich fand die Kritik ausgesprochen nett und ungewohnt rücksichtsvoll. Bin aber trotzdem der Meinung, daß das äußere Erscheinungsbild eines Menschen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zuläßt. Streiten kann man sich darüber, was hier mit "Wert" gemeint ist. Es ist offenbar etwas moralisches. 
Diese und andere Neusprech-Formulierungen erinnern mich an frühere Änderungen. Bis in die fünfziger Jahre war der Begriff "Irrenanstalt" normal für psychiatrische Häuser. Später kam das Wörtchen "Landeskrankenhaus" auf. An der Realität änderte sich nichts. Dem Erscheinungsbild einer Anstalt, in der psychisch Kranke und geistig Gestörte untergebracht sind, sollte durch Begriffsänderung eine gewisse Härte genommen werden. 
Ich finde diesen ganzen Bereich: Sprache und Erziehung auf Wörter und Begriffe, um bestimmte politische und moralische Ziele zu erreichen, interessant. Sprache betrifft mein Innerstes.
Es geht um Manipulation. Uns soll vorgeschrieben werden, was und wie wir zu denken und zu sprechen haben. 
Ich möchte mich aber in einer Weise ausdrücken, die ich für richtig halte. 
                                    *RS* 
     

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