Der SPIEGEL bringt
in dieser Woche 4einhalb Seiten über Jonathan
Meese. Die Zeitschrift führte in Kassel (Documenta) ein öffentliches Gespräch mit dem
Künstler, Thema: „Größen-wahn in der
Kunstwelt“. Wer kritische Äußerungen über Megalomanie erwartet, wird
ent-täuscht. Schließlich ist Kunst eine gute, wenn nicht die Region, um seinen Größenwahn zu leben. Meese macht das sehr
unterhaltsam. Ich war beim Gespräch nicht dabei, erlebte den heute 42-jährigen aber
2006 in den Deichtorhallen anläßlich einer Ausstellung. Schon damals war er
sehr poppig, lustig, provokativ. Schien keine Lust auf ernsthaften
intellektuellen Diskurs zu haben. Ich sehe in Meese einen großen, tollen
Zeichner; sehr inspiriert, phantastisch, quer, dissoziativ, leben-dig.
Superfleißig. Der Mann hat ein riesiges Output – und wird so immer besser. Meese
ist ein dolles Beispiel für einen Künstler, der sich stetig weiter entwickelt. Als
Performer fand ich ihn eher schwach, 2006. Er machte auf unernst und Entertainer.
Die Show mit seiner Mutter fand ich aufgesetzt.
Aber dann wieder die Ausstellung mit dem Riesen-Bühnenbild, seine
Collagen, Assemblagen, Skulpturen. Das hatte was, sehr stark. Vor allem: Der
Mann ist stilistisch nicht festgelegt, setzt sich intensiv mit anderer Kunst
auseinander, reflektiert, nimmt Impulse auf, gibt Impulse weiter. Ein
impulsiver Mensch mit auch philoso-phischen Bezügen (u.a. Nietz-sche). * Das
Spiegel-Interview ist Show, Spaß, aber dann ist doch auch ernsthafte Kritik
einge-baut, etwa an Beuys („ichversaut zum
Schluss bis zum Gehtnichtmehr, der hat die Grüne Partei gegründet, das ist ja
ganz grauenhaft. Da hat er versucht, die Kunst der Realpolitik unterzujubeln.“ Und
das ist Beuys, meine ich, auch gelungen. Der „erweiterte Kunstbegriff“ ist
heute Standard in der Politik + in der gesamten Kultur-Szene eh selbstverständlich.
Die meisten Politiker haben von Kunst keine Ahnung, aber den erweiterten Kunstbegriff haben sie im
Programm. Der ersetzt dann das genau Hinkucken.
* Meese propagiert die Diktatur der Kunst. Find ich frech. Ich bin da
vergleichsweise soft, versuche noch zu erklären, vermitteln. Natürlich ist
Meese kein Nazi oder Nazi-Sympathisant, auch wenn er den rechten Arm zum
Hitler-Gruß erhebt. Immerhin schafft er aber
so, ohne inhaltliche Übereinstimmung, eine Brücke zu „den Rechten“, den
Neonazis zu bauen, denen in diesem Land seit etlichen Jahren die Sündenbock-Rolle zugewiesen
wird. Dabei wird bisweilen vergessen, daß es sich immer noch um Menschen handelt. Meese nutzt den Freiraum, den er sich kreativ erarbeitet hat, konsequent.
* Am Ende des öffentlichen Gesprächs wischt ein Störer mit den Worten „Das Spiel ist aus!“ Gläser
vom Tisch. Meese bezeichnet das als „Realitätsfanatismus“. Interessantes Wörtchen. Aber vielleicht wurde der junge Mann vom SPIEGEL
genau für diese Aktion bezahlt. Um noch zusätzliche Brisanz in das Gespräch zu
binden. * Fazit: Es wird, was Kunst betrifft, heute viel Mittelmaß,
Kommerz-Scheiße und Langeweile gepusht. Da ist es erfrischend, Schnappschüsse
von Meese zu sehen. *R.S.*
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