Dienstag, 4. August 2015

Bullshit in Hochglanz

Im neuen SPIEGEL ist ein Gespräch abgedruckt, das Timo Feldhaus mit der kanadischen Wissen-schaftlerin und Autorin Sarah Thornton über ihr Buch "33 Künstler in 3 Akten" führte. Frau Thornton interviewte zuvor eine größere Anzahl offenbar weltberühmter Künstler - darunter auch einige Frauen. Die Kanadierin betont, selber keine Künstlerin zu sein. Das sei ihr gleich zu Beginn ihres Kunst-Studiums aufgegangen. Sarah Thornton entzaubert Künstler, Männer wie Frauen. Dies scheint das zentrale Anliegen der Untersuchungen zu sein. Der SPIEGEL-Redakteur ist offenbar dem Gespräch nicht gewachsen. Schon in den Vorbemerkungen geht er in die Knie: "Also: Was ist, im Jahr 2015, eigentlich ein Künstler? Eine Frage, die man am besten Sarah Thornton stellt, einer Soziologin, die mit Stars der internationalen Kunstszene gesprochen und ein Buch darüber geschrieben ..." Wie nennt man so einen Kotau: Dumm? Oder schleimig? Oder beides?? 
Frau Thorntons Darlegungen enthalten viele Wahrheiten - diese ließen sich relativieren. Aber dazu bedürfte es eines Gesprächspartners, der über mehr Format und Wissen verfügt, auch philosophischer Art, als Herr Feldhaus. Am Ende geht der Spiegel-Redakteur, brav wie er ist, vor den Entlarvungen und -hüllungen der Wissenschaftlerin erneut in die Knie: "Ich muss ehrlich sagen: Am Ende lässt mich dieses Gespräch traurig zurück. Die Kunst ist ruiniert. Sie hat all ihren Zauber verloren."
Timo Feldhaus ist offenbar nicht in der Lage, die betont empirisch und wissenschaftlich daher-kommenden Darlegungen und Behauptungen von Sarah Thornton als das zu erkennen, was sie sind: Elitäre und rein positivistische Beschreibungen.
Die Interpretationen und Behauptungen von Frau Th. sind kein Grund traurig zu sein.
Kunst - wie auch Positivismus - beruhen u.a. auf Suggestionskraft.
Wer war zuerst da? Kunst oder Wissenschaft?
Klar ist: Frau Thornton tritt relativ spät in Erscheinung. Die Kunst und Künstler sind längst da,
ebenso die Wissenschaften.
Frau Th. ist clever und raffiniert,
und ich möchte ihr attestieren: Sie spannt sowohl Kunst wie auch Wissenschaft vor ihren Karren. UND verdient damit Geld. Eine Menge Geld.
Frau Thornton ist sehr modern.
Und der SPIEGEL? Hinkt, wie so oft, Vielem hinterher. Manchmal ist das bedauerlich. In diesem Fall peinlich. 
Jaja: Der SPIEGEL entlarvte vor ein paar Jahren den Josef Beuys. 
Hauptsache, die QUOTE stimmt.
Die letzten Worte über Kunst sind nicht gesprochen. Auch wenn Frau Th. dieser irrigen Ansicht ist, und mit ihr SPIEGEL-Redakteur Feldhaus. 
                                                                                                                                    *RS*

1 Kommentar:

Erich Heeder hat gesagt…

Dieses Thema wurde von raimund auf gegriffen, denn ich habe es ihm zukommen lassen.
Ich finde es sehr gut, wie Raimund da mit selbst als Künstler umgeht !! Da zu einen Auszug aus dem Interview:

SPIEGEL ONLINE: Joseph Beuys hatte die Idee, dass jeder Mensch ein Künstler ist. Hat er sich getäuscht?

Thornton: Ja. Und ich bin überzeugt, dass er das auch selbst nicht glaubte. Wieso musste er sonst all die Mythen über sich selbst und seine Arbeit entwickeln? Das begann bereits mit der Erzählung seines Flugzeugabsturzes im Zweiten Weltkrieg, woraufhin ihn Tataren fanden, mit Fett einrieben und in Filz einpackten. Er überlebte - und diese Stoffe wurden später zum Ausgangspunkt seines künstlerischen Schaffens. Heute kann sich jeder Künstler nennen. Aber sind deine Eltern wirklich überzeugt, dass du einer bist? Es geht letztendlich darum, von einem sozialen Milieu als Künstler anerkannt zu werden. Und das ist gar nicht so einfach.

SPIEGEL ONLINE: Sie meinen, man muss nur lange genug erzählen, dass man ein Künstler ist?

Thornton: Vor allem muss man es selbst glauben.

SPIEGEL ONLINE: Aber besteht nicht die Definition des Künstlers gerade darin, an sich, der Welt und seiner Rolle zu zweifeln?

Thornton: Die Mehrheit der Kunststudenten lernt heute, dass sie keine Künstler sind. Sie machen zwar einen Abschluss, aber es sind einfach zu viele für den Kunstmarkt. Es kommt auf das künstlerische Erweckungserlebnis an, wenn man beginnt, seine Rolle zu akzeptieren und sich selbst als Künstler zu definieren. Das muss nicht notwendigerweise im Studium stattfinden: Etwa, wenn man zum ersten Mal etwas verkauft oder in einer Galerie ausgestellt wird. Künstler zu sein, ist nicht einfach ein Job, sondern eine Identität.

SPIEGEL ONLINE: Aber heute muss doch jeder ein Künstler sein. Nicht nur im Kreativbereich, auch in Start-ups beruht das Einstellungskriterium darauf, offen, freigeistig, flexibel und eine superindividuelle Persönlichkeit zu sein, die regelmäßig unerwartete Dinge tut. Wie ist der Künstler zum Idealbild unserer Zeit geworden?

Thornton: Das, was Sie beschreiben, heißt aber noch lange nicht, dass nun alle Künstler sind. Das Feld der Kunst ist ein System, das nach eigenen Regeln an dafür vorgesehenen Orten stattfindet. Die Metaphern der Kunst werden adaptiert von anderen Welten, weil sie interessant und aufregend sind.

Da zu kann ich nur folgendes schreiben: "Die gebrüder Grimm haben sich auch nie als Künstler oder Autoren verstanden, sie haben das gemacht, was sonst keiner macht !!
Sie haben ihre Geschichten mit Bilder gestärkt, so das man sie nicht nur lesen, sondern auch noch sehen konnte. Muß zwar nicht sein, weil es aber einen in die geschichte hinein zieht !! So ähnlich ist es mit jemandem, der Bilder malt, der zieht einen in etwas hinein, wo man noch gar nicht war. Jedes Bild hat seine Geschichte, bloß sie kann nicht jeder lesen !! Das ist aber das gute daran,denn so wird die Phantasie des einzelnen angeregt !! Max und Moritz hätte auch ohne Bilder aus kommen können, aber so hätte man sie nie kennen gelernt !! Ich bin der Meinung, alle die kreativ sind, erzählen ihre Geschichten, aber nicht alle können sie lesen !!

Kunst ist der innere Ausdruck seines seins,man muß es nur umsetzen.

Erich Heeder - Stadtteilkünstler

WEB-Seite: http://erichheeder.beepworld.de/index.htm?nocache=1436545995