Dienstag, 3. Oktober 2017

Ringelnatz-Biografie von Alexander Kluy


Als ich die Biografie zu lesen begann, fand ich die Beschreibung zu komplex und ausführlich. Mit fortschreitender Lektüre gefiel mir das Buch jedoch immer besser. Am Ende hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn die 460 Seiten umfassende Lebensbeschreibung noch 50 Seiten länger gewesen wäre. Der Mann, den wir heute als "Joachim Ringelnatz" kennen und dessen Alterego Kuddel Daddeldu auch bestens bekannt ist, wurde 1883 in Wurzen (bei Leipzig) geboren und wuchs unter seinem bürgerlichen Namen Hans Bötticher auf. Er fing schon als Kind an zu dichten und zu zeichnen, war ein schlechter bis mäßiger Schüler - heute würde man ihm wohl das Etikett ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom anhängen) - und dabei sehr eigenwillig. Sein Vater war Tapetenzeichner, der sich mit seiner Firma selbständig machte. Später, als Georg Bötticher erblindete, widmete er sich seiner Poesieleidenschaft und verfasste humorige Texte. Erst 1919, also mit 36 Jahren und nach etlichen Publikationen, nahm Sohn Hans das Pseudodym Joachim Ringelnatz an und wurde schließlich überaus berühmt und die Dichterfigur Kuddeldaddeldu ein Inbegriff des Poetischen, Sprunghaften, Lebendigen. °° Kluy nimmt in die Lebensgeschichte ausführliche Beschreibungen der künstlerischen und politischen Zeitumstände mit auf. Wir erleben den sehr fleißigen, impulsiven Ringelnatz bei seinen Lesungen in Clubs, Kabaretts in ganz Deutschland. Er hatte etliche Freunde, schloß sehr schnell Bekanntschaften und managte meistens sich selber - später tat dies auch seine Frau Leonharda Pieper, genannt "Muschelkalk". °° Der Dichter betätigte sich auch als Maler, hatte diverse Ausstellungen, verkaufte Bilder.  Auch für den mittlerweile bekannten, ja berühmten Künstler war die Sicherung des Lebensunterhaltes keine Selbstverständlichkeit - er musste praktisch bis zuletzt, solange seine schwere TBC-Erkrankung es noch zuließ (er starb am 17.11.1934), hart arbeiten, um mit seiner Frau knapp von Buch-Tantiemen und Auftritts-Gagen den Lebensunterhalt bestreiten zu können. 1933 erteilten ihm die Nazis Auftrittsverbote. Am Ende unterstützten ihn Freunde und Gönner, damit er seine Sanatoriums-Aufenthalte bezahlen konnte.  °°
"Joachim Ringelnatz DIE BIOGRAFIE" von Alexander Kluy ist das Buch eines überaus kompetenten Literaturkenners und Ringelnatz-Liebhabers - für ein literatur-wissenschaftlich interessiertes Publikum und für Liebhaber des Dichters und Künstlers. Kluy ist eine spannende, die Persönlichkeit und Zeitumstände des Dichters komplex auslotende Biografie-Erzählung gelungen. Sehr empfehlenswert ...    2015, Osburg-Verlag
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