Mittwoch, 17. November 2010

Bücher - Impossible dream: The Walker Brothers


Beim Lesen von "The impossible dream - The Story of Scott Walker and the Walker Brothers" dachte ich anfangs Naja, da wärmt einer eine 60-er Jahre-Legende auf. Das gut 350 Seiten umfassende Werk mit ausführlichem Anhang enthält nur wenig Bild-Material. Ich war enttäuscht. Bei fortschreitender Lektüre bekam ich jedoch nach und nach die Informationen, auf die es mir ankommt: Persönlichkeit und Charakter der Musiker, ihr Zusammenhang-Zusammenhalt. * Anthony Reynolds bespricht alle LP's (7), Singles (14) und EP's (2) der Band sowie sämtliche Solo-Veröffentlichungen (Scott Engels: 13 LP's, 26 Singles/EP's; John Maus 4 LP's, 19 Singles/EP's; Gary Leeds 5 Singles - 1 LP und 5 Singles/EP's mit der Band "Rain"). Der Autor schreibt über jeden einzelnen Song (!) - da kommt eine Menge Stoff zusammen. Zeitweise ist es ermüdend, zudem noch jede Menge Details über die Studio-Aufnahmen zu lesen. Aber: Dies ist der beste Weg, den Musikern gerecht zuwerden - Reynolds ist kein yellow-press-Autor. Die Auftritte der Walker Brothers Mitte der 60-er Jahre waren Spektakel mit hunderten, ja tausenden hysterisch kreischenden weiblichen Fans, die den Musikern teilweise die Kleider vom Leib rissen. Die Songs gingen völlig unter. Für Scott, den herausragenden, supersensiblen Musiker mit seiner phantastischen Stimme, war es eine Erleichterung, als die erste Phase der Gruppen-Auftritte 1967 zu Ende ging. Für ihn war die Musik das Entscheidende, und nicht der Hype, der darum veranstaltet wurde. Witzig: Gary konnte nicht wirklich Schlagzeug spielen. Bei sämtlichen Plattenaufnahmen der W.B. wurde er durch Studio-Musiker ersetzt; bei Live-Auftritten benutzte er kaum hörbare Papp-Stöcke, während im Hintergrund ein professioneller Drummer wirbelte. Dem Zusammenhalt tat dies keinen Abbruch. Immerhin war Gary derjenige gewesen, der 1965 John und Scott überredete, vom sonnigen Süd-Kalifornien nach England zu ziehen. "The sun ain't gonna shine anymore" war der Mega-Hit, der wochenlang die Charts in England, ja weltweit anführte. Scott ging dieses Lied so auf die Nerven, daß er es später nie wieder sang. * Mick Jagger, Platzhirsch in der Londoner Musik-Szene, schnippte bei einem Disco-Besuch etliche Zigaretten-Kippen auf Scott Walker. Er konnte ihn nicht leiden - die beiden waren extrem unterschiedliche Typen. Mick extrovertiert, Rebell, Weiberheld, musikalisch R&B-orientiert; Scott Engel eher scheu, legte großen Wert auf Privatsphäre, mehr Einzelgänger als Gruppen-Mensch, musikalisch an europäischer Klassik und Balladen orientiert, verehrte Jacques Brel, von dem er einige Lieder sang ("Jacky" wurde ein kleiner Solo-Hit). Als er die Möglichkeit hatte, Brel zu treffen, war er jedoch zu schüchtern. - Reynolds Buch ist, durch seine enge Anlehnung an das musikalische Output, wahrscheinlich die ultimative Biografie der Walker Brothers. engl. Import, 15 € 16; isbn 978-1-906002-25-1; Jawbone-book -- Raimund Samson

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