Montag, 19. März 2012

Cicero # 3-2012


Das Cover (A. Merkel-N.Röttgen) finde ich eher mau, aber einige Beiträge des Heftes sind sehr beachtlich: hervorragend recherchiert und in verständliche Prosa gegossen. * Als Hamburger in-teressiert mich der Artikel über die Elb-Philharmonie, ärgere ich mich doch häufig über Paragra-fen-Dickicht und Behörden-Filz, ohne die dieses hunderte Millionen Euro teure Desaster kaum passiert wäre. Emanuel Eckardt beschreibt nicht nur detailliert die Geschichte des Megabauwerks, die 2001 begann und eigentlich im letzten Jahr zur ersten ruhmvollen Station (sprich: Eröffnung) hätte führen sollen. Ich werde als Leser bestens informiert, mit Einzelheiten der „Bau-Groteske“ konfrontiert, die ich bisher nicht kannte. Darüber hinaus gelingt es dem Autor, mich bei Laune zu halten: Ich werde nicht mit der Nase in einen aus kleinem Skandal und großem Betrug gekochten Eintopf gestoßen. Die Lektüre macht aus mir keinen Fan des Bauwerks, aber sie erlaubt mir, einige Dinge und Personalien überhaupt erst zu verstehen. Das hängt nicht nur, so scheint mir, mit der Intelligenz des Herrn Eckardt zusammen, sondern rührt auch von seinem Sinn für Humor. Ohne den wären einige haarsträubende Dinge (etwa daß die Bauplanung u.a. auf einem 2000 Seiten umfassenden Vertrag beruht) kaum wegzustecken. * Herausragend finde ich auch den Bericht „Halb diskret geht nicht“ Ulrich Clewings über den Zürcher Kunsthändler und Verleger Walter Feilchenfeldt. Ich wusste nicht, daß es diesen Mann gibt + bin schwer beeindruckt über eine Arbeit, deren Hauptmotiv offenbar nicht das liebe Geld ist. * Ein Kunstfälscher-Skandal sorgt seit Monaten für Schlagzeilen. Lisa Zeitz erinnert mit dem Artikel „Alte Meister von der Stange“ an Han van Meegeren, daran, der in den 40-er Jahren des vorigen Jahrhunderts Kunstliebhaber und Händler an der Nase herumführte. * „Bullshit-Bingo“ ist eine aus 6 Zeichnungen bestehende Comic-Geschichte mit Sigmar Gabriel in der Hauptrolle. Frech wird der SPD-Vorsitzende (stellvertretend auch für andere Politiker) als Produzent von Sprechblasen entlarvt, als unglaubwürdig vorgeführt. * In „Unsere tägliche Konspiration gib uns heute“ versucht sich Die Welt-Redakteur Matthias Heine am Thema Verschwörungstheoretiker. Der Beitrag überzeugt mich aber trotz einiger gelungener Formulierungen und einer unverkennbaren Eloquenz des Autors nicht. Den norwegischen Psychopathen und Massenmörder Anders Breivik und den Gründer der Wikileaks-Plattform Julian Assange in eine Schublade zu stecken ist zumindest fragwürdig. Das bekannteste neuere Beispiel für Verschwörungstheorien bieten jene Amerikaner, die nach „nine-eleven behaupteten“ –und bis heute dabei bleiben- daß die Angriffe auf die New Yorker Twin-Tower von Regierungskreisen inszeniert worden seien. Heine erwähnt dieses ständig von Presse und TV aufgegriffene Beispiel nicht, sondern versucht aufgrund anderer Beispiele nachzuweisen, daß sowohl bei der politischen Rechten wie auch der Linken Verschwörungs-Theorien kursierten, die im Kern antisemitisch seien. Der Autor kolportiert Gerüchte – seine Thesen wirken gewollt und aufgesetzt. Vollends fragwürdig bzw. pseudo-objektiv wird der Artikel durch die beigefügte Grafik, auf der Fidel Castro, George Bush, Breivik, Stalin, Hitler, Osama bin Laden und ein Kreuzritter als Koordinaten in ein weltweites Verschwörungsnetz eingefügt sind. Castro ein Verschwörungstheoretiker? Bildet sich der Mann (und mit ihm Millionen Kubaner) nur ein, daß sein Land durch ein US-amerikanisches Embargo seit Jahrzehnten nieder gehalten wird? Der Autor macht es sich zu einfach. Heine betreibt Gleichmacherei. Vielleicht gehört er, eine Art Spezialist für Verschwörungs-Theorien, am En-de selber zu dieser Sorte Menschen. * Im Vergleich zu Artikeln des SPIEGEL, den ich viele Jahre regelmäßig las, finde ich die meisten CICERO-Artikel besser recherchiert und solider geschrieben. Vielleicht liegt dies auch daran, daß das Magazin im Unterschied zum SPIEGEL nur einmal im Monat erscheint, also mehr Zeit für die einzelnen Beiträge aufgewandt werden kann. * 8 €, 132 Seiten *

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