Wer
heute Briefmarken sammelt, gilt als verschroben, seltsam. Die Preise sind arg
in den Keller gegangen. Da muß einer schon ein echter Spinner sein, wenn er so einem Hobby frönt. Für einen Sammler von Zigarren-Bauchbinden gelten
Negativ-Attribute bzw. Vorurteile erst recht. Wie kommt ein Mensch auf die
Idee, Rauchwaren-Derivate und Etiketten aufzubewahren? Und sogar in Alben einzusortieren
oder in Sammel-Mappen zu kleben? Ist das nicht skurril? Hat der Mann einen
Spleen?
Bei
mir begann die Sache Anfang der 60-er Jahre. Ich war ungefähr zehn, genau weiß
ich es nicht mehr, jedenfalls: Mein Vater, passionierter Zigarren-Raucher,
zeigte mir ein paar der bunten Papierstreifen, die um die bauchigen braunen Stengel
gebunden sind Und er zeigte mir mehr, immer mehr Zigarren-Bauchbinden. Er begann die Dinger zu sammeln – für mich. Ich war fasziniert. Woher bekam mein Erzeuger die kleinen,
kostbar aussehenden Banderolen? Wenn ich mit dem Finger über die Oberfläche
glitt, spürte ich winzige Erhebungen. Die Banderolen waren im Prägedruck hergestellt, mit viel Goldfarbe.
Ich staunte. So viele winzige Details!... Mein Vater spielte Skat und
Doppelkopp, er pflegte die Geselligkeit, auch im Kreis von Handwerker-Kollegen
und Bienen-Freunden. Er war begeisterter Imker, der auch diesbezüglich viele
Kontakte hatte. Seine Bekannten und Kollegen sammelten für ihn – denn geraucht
haben kann er die Zigarren nicht allein. Sowohl von der Menge als auch den
unterschiedlichen Sorten her. * Wir
lebten am Niederrhein, in der Nähe zu Holland, und so brachte mein Vater immer
wieder auch Banderolen von holländischen Marken mit: hofnar, willem II, karel I, Senator hießen diese Firmen. So wurde
die Angelegenheit noch bunter, als
sie eh schon war. Es waren immer einzelne Bauch-Binden, keine Serien. Es gab
sie zwar damals schon, wie ich heute weiß, aber mein Vater lehnte ab, für solch
ein Hobby Geld auszugeben. Die Serien waren nicht teuer, aber ein kleines
bißchen kosteten sie doch.
Mein
Dad gab mit 80 das Rauchen auf. Und
siehe da: Er lebte noch weitere 21 Jahre. 2008 starb er mit 101 Jahren.
Ich
hatte die Zigarren-Bänder-Sammlung mehr als 40 Jahre lang nicht angerührt. Eine Mappe kam sogar weg, bei einem Umzug. Aber vor ein paar Jahren besann ich mich. Zwei
große Zigarrenkisten, randvoll mit den Bändern, standen in einem Schrank. Ich
habe von meinem Vater die Freude an kleinen Dingen, die Begeisterung für
Unscheinbares geerbt. Und eine gehörige Portion Humor.
So
bin ich selber angefangen, aktiv zu sammeln.
Und
ich gebe auch Geld dafür aus. Mit Vergnügen. Bei e-bay kann man preisgünstig
ersteigern, und auf der website „de sigarenbandenkoning.nl“ gibt es jede Menge zu
kaufen.
Mich regt dieses Hobby auch künstlerisch an. Und ich träume. Ich
stelle Collagen her, entwerfe selber Bauchbinden, lasse mich stilistisch beeinflussen usw. Der kleine Raimund ist groß geworden, aber im Herzen derselbe geblieben. Vor allem: Das Hobby freut
und beruhigt mich. Mein Alltag ist nicht gerade arm an Aufregung, Kontroversen
und Konflikten. Bei meiner Sammler-Tätigkeit pflege ich alte Tugenden. Nennt mich „spinnert“, „spießig“ oder „verschro-ben“.
Egal! Mir macht es Spaß. Das ist die Hauptsache. Und ich entwickle mich sogar
dabei... *R.S.*
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