Freitag, 2. Oktober 2015

Kikeriki - Rückblick auf eine Kommune

Eine alte Freundin schenkte mir einen Packen vergilbender Zeitungen. KIKERIKI heißt das Blatt. Es  war 1983 eine Art Zentral-Organ einer Kommune-Organisation, die in den 70-er Jahren unter dem Namen AAO (AktionsAnalytische Organisation) von sich reden machte. Am Friedrichshof, im österreichischen Burgenland in der Nähe des Neusiedler Sees, war das Zentrum. In seinen besten Zeiten lebten an die 1000 Frauen und Männer in einer der Kommune-Dependancen in Wien, Friedrichshof, Zürich, Berlin, Düsseldorf, München, Nürnberg, Hamburg, Paris, Toulouse etcetc. Leiter war der skandalumwitterte Aktionskünstler Otto Mühl. Die Kommune rief - und alle, fast alle kamen. Ob Udo Lindenberg, Josef Beuys, Dieter Rot, Nam June Paik - viele weltbekannte Show-Stars und Kreative reisten zum Friedrichshof, um 1 bisserl "alternative" Kommuneluft zu schnuppern. Etliche Filme wurden gedreht. In der Kommune lebten äußerst clevere  Menschen, die zur Not auch den einen oder anderen Trick anwandten, um in den Besitz von Kunst-Originalwerken zu gelangen. So erzählte mir Dieter Rot 1988, daß er am Friedrichshof bei einem Film mitspielte, in dem er u.a. malte. Er nannte sich in dem Streifen Kiesellack und signierte auch mit dem Namen. Als er bei seiner Abreise das Bild mitnehmen wollte, machte ihm der Kommunarde Theo Altenberg, für Künstler-Kontakte zuständig, klar, daß sein Bild jetzt Film-Requisite sei - und der Film gehöre dem Friedrichshof. Und damit auch die Requisite. Alles klar!! Was mag das Bild heute wert sein? 10.000 €uro? Ein Dieter Rot-Werk, das mit "Kisellack" signiert ist, ist schon etwas Besonderes. ** Vielleicht fragen Sie sich, liebe Leser, wie ich dazu komme, diesen nicht aktuellen Beitrag zu posten. Der Grund ist: Ich machte auch mal bei dieser Kommune mit. Insgesamt anderthalb Jahre. Zog allerdings im Frühjahr 1982 wieder aus. ** Manchmal forsche ich im Internet, um herauszufinden, was aus den alten Führungs-Kadern der Kommune geworden ist. Otto Mühl starb, schwer parkinson-krank, 2013. ** Von Herbert Stumpfl  fand ich im Internet ein Interview, das allerdings schon wieder etliche Jahre zurückliegt. Es ist ein Gespräch, das Stumpfl reichlich Gelegenheit gibt, sich in "positivem" Licht zu präsentieren. Stumpfl gehörte zu jenen Hierarchie-Oberen, deren Überlegenheit sich nur in Lichtjahren ausdrücken läßt. Wir redeten nicht viel miteinander, vorsichtig ausgedrückt, vielleicht 3 oder 4 Sätze in anderthalb Jahren. "Bist eh a Homosexueller" meinte er mal cool und wie beiläufig zu mir. Den Satz hab ich mir gemerkt. Vor allem die Coolness. "Eh". Weißtebescheid, wa. Herbert Stumpfl gehört zu jener Sorte Menschenkenner, die eine Person nur eine Sekunde sehen müssen, um sie bis in den letzten Winkel ihrer Seele zu durchschauen. Von dieser Sorte Menschenkenner gab es etliche im Kommune-Imperium. Und obwohl ich dort auch gute Erfahrungen machte, war ich froh, Anfang Mai 1982 meine Restsachen zusammen zu packen. Ich machte mich auf die Suche nach Menschen, Freunden, die nicht alles sofort immer besser wissen. Herbert Stumpfl betont in besagtem Interview, daß er von der "Kritischen Theorie" her komme. Der Witz ist gut. Herbert Stumpfl hat Humor. Das hätte ich fast vergessen. ***  KIKERIKI ... auch wenn das Kommune-Projekt Anfang der 90-er Jahre auseinanderbrach, nachdem Otto Mühl zu 6 oder 7 Jahren Gefängnis verurteilt wurde wegen Unzucht mit Minderjährigen u.ä. --- die AAO war einer der größten, am breitesten angelegten Versuche in Mitteleuropa, die bürgerliche Gesellschaft mit ihren Werten und Normen aus den Angeln zu heben. * Danke Ulla, für die Hefte.
                                                                                                                                  *RS*
 

Keine Kommentare: