Liebe Hamburger
Montags-Demonstrant_innen!
Von
Januar bis April besuchte ich Woche für Woche die Kundgebung am Mönckebergbrunnen.
Ich meldete mich dabei mit zahlreichen Beiträgen am Offenen Mikrofon zu Wort. Meine Themen waren: Ich selber mit meinen
Erfahrungen als 1-Jobber, Arbeitsloser, Geringverdienender, gesell-schaftlicher
Außenseiter; zum anderen die Situation im Stadtteil Wilhelmsburg, der massiv
Gen-trifizierungs-Prozessen unterworfen ist.
Ein
paar mal stellte ich Bücher vor, z.B. „Organisieren
oder organisiert werden“ des mittlerweile verstorbenen Berni Kelb, Untertitel: „Vorschläge
für Genossen links unten“. Ich wies auf das Buch „Die Neue Umverteilung“ von Hans-Ulrich
Wehler hin, der Position bezieht bzgl. der Sozialen Ungleichheit in Deutschland. Uswusw. Nicht genug damit. Regelmäßig, d.h. jede Woche
schrieb ich auf meiner Blogseite über die Montags-Demo, setzte Fotos dazu, auch
einen Film. Reaktionen darauf von eurer Seite: KEINE. *
Ich
bin enttäuscht über diese Kommunikationslosigkeit und Gleichgültigkeit. Ich
habe inzwischen die ganze Situation vor meinem inneren Auge Revue passieren
lassen und reflektiert.
Mich
wundert nicht, daß es euch nicht gelingt, den Kreis der Montags-Demo zu
erweitern. Seit Monaten und Jahren kommen stets die gleichen Leute. Gesellt
sich mal ein neuer dazu, seid ihr kaum in der Lage, einen guten persönlichen
Kontakt herzustellen.
Woche
für Woche „kämpferische“ Berichte über Streiks in Peru, Chile, Brasilien. Wen interessiert das? Klar, eine solidarische
Bewegung bezieht solche Brennpunkte mit ein. Aber Woche für Woche als
Schwerpunkt? Als Höhepunkt der Berichterstattung? Immerhin wurde der Streik bei
Neupack thematisiert. Das reicht aber nicht.
Welchen
Passanten berühren ideologische Phrasen? In den Reihen der Montags-Demo befinden
sich etliche Aktivist_innen, denen man ihre rhetorische Schulung anmerkt. Nie
erlebte ich, daß einer dieser geschulten Redner etwas von sich preisgab, von
sich persönlich zeigte. Dabei wäre genau dies der Ansatz, um ins Gespräch zu
kommen, einen Funken zu schlagen, Begeisterung zu erzeugen.
Nicht
umsonst brachte ich meinen Aufsteller mit der Parole „Jede/r Einzelne zählt“ mit. Damit meinte ich jeden Touristen,
jeden Shopper, jeden Neugierigen, jeden Migranten, jeden Deutschen, jede
Schülerin, jeden Anwohner – mich selber übrigens auch.
Die
Struktur der Montags-Demo ist m.E. so beschaffen, daß Individualisierung des
Protestes, d.h.: Konkretisierung der Kritik an der Repression, der Anonymisierung,
der Ausgrenzung Einzelner scheitern muß. Die Hamburger Montags-Demo erlaubt ein
Stellschild „Jede/r Einzelne zählt“, weil
es demokratisch ist. Mit dem „Einzelnen“ meine ich Menschen mit ihrer
Geschichte, Individualität, Temperament. Die müssten sich untereinander
vernetzen. Nicht austauschbare Nummern.
Toleranz
allein reicht nicht. Ich erlebe diese Art „Toleranz“ als pure Gleichgültigkeit.
Bei
der Hamburger Montags-Demo ist die MLPD überproportional vertreten. Der MLPD
kommt das Verdienst zu, den logistischen Rahmen der Hamburger Montags-Demo zu
bilden, z.B. indem sie Woche für Woche die Mikro-Anlage mitbringt. Einer sagte
mir mal, es gebe hier Streitkultur. Praktisch habe ich
davon nichts gemerkt.
Statt
sich inhaltlich auseinander – und wieder zusammen zu setzen, wurde mir, selbst
als ich moderierte, mehr als einmal das Mikro aus der Hand genommen von einer
Frau, die sich offenbar als Chefin sieht.
Daß
es bei der Hamburger Montags-Demo hierarchische Strukturen gibt, merkt man
anfangs nicht.
Es
wird einem aber spätestens dann klar, wenn man selbstbewusst eigene Ansichten
vertritt.
Nicht
Autorität an sich sehe ich als Problem, sondern daß Autorität und Struktur
hinter einer demokratischen Fassade verschleiert werden.
Die
HH-Montags-Demo ist eine gute Sache. Toll, daß einige Leute so lange
durchhalten, teilweise seit 8 Jahren. Der Kern der Leute ist aber zu
festgefahren und ideologisch verbohrt, um neue Impulse aufzunehmen.
Ich
wies mehrfach darauf hin, daß das Offene Mikro ein klasse Ansatz ist, um sich
in Rhetorik und eigener Sprache zu üben. Wer hat schon eine eigene Sprache? Tag
für Tag werden wir manipuliert, überall, von Politikern, Massen-Medien,
Fernsehen usw. Da könnte so ein Offenes Mikro wie eine Befreiung für den
Einzelnen sein. Oder wie Oase in der Wüste sein. Ist es aber nicht, wenn das
Offene Mikro nur benützt wird, um die immer gleichen Phrasen unters Volk zu
bringen.
Da
nützt es auch nichts, Formulare auszudrucken, auf denen jeder Interessent Name,
Adresse, Tel.Nr. usw. angibt und ankreuzt, welche Aufgabe er / sie bei der
Montags-Demo übernehmen möchte. So etwas ist lächerlich, wenn die gleiche
Person einem ein Formular in die Hand drückt, um anschließend das Mikro aus der
anderen Hand zu reißen. *
Mir
ist aufgefallen, daß wichtige Dinge nicht angesprochen werden. Zum Beispiel die
Rolle von Delegierten.
Ich
nahm Anfang März in Kassel als Vertreter der HH-Montags-Demo an der
bundesweiten Dele-gierten-Konferenz teil. Eigentlich ist so etwas eine Ehre. Wenn
mich jemand wählt, um für ein bestimmtes Anliegen oder andere Menschen
einzustehen, fühle ich mich geehrt. Prinzipiell. Nicht so in diesem Fall. Die
Kommunikation mit dem anderen Delegierten war gleich Null. Bei meiner Rückkehr
hatte ich nicht das Gefühl, daß mein Bericht überhaupt jemanden interessierte.
Seltsam
fand ich später auch, wie mit Geld umgegangen wird.
Als
Delegierter war ich einen ganzen Tag unterwegs. Und es war teilweise auch
Arbeit, an der Konferenz teilzunehmen, Standpunkte zu vertreten und die
Diskussion lebendig zu halten.
Daß
diese Arbeit nicht bezahlt wurde, war
klar. Aber daß ich auf 40 € Fahrkosten sitzen bleiben würde, ist bemerkenswert.
Als Aktivist einer Montags-Demo, die gut 1500 € in der Kasse hat.
Bei
den wöchentlichen Events am Mönckebergbrunnen geht regelmäßig eine Sammelbüchse
rum. Ich kann mich nicht erinnern, daß
Passant etwas spenden. Nein, wir selber, auch ich, ließen es in der Büchse
klimpern.
Wofür
eigentlich? Weil Sparen Spaß macht? *
Ich
habe sehr viel gemacht im Rahmen der Montags-Demos, nicht nur für mich, sondern
selbst-verständlich auch für Andere. Toleranz ist mir zu wenig. Die Toleranz,
die ich hier erfahre, ist nichts anderes als Gleichgültigkeit. Davon erlebe ich
anderswo schon genug.
Dafür
brauche ich nicht Woche für Woche zum Mönckebergbrunnen zu fahren.
Der
Kampf für ein besseres Leben, für sinnvolle Perspektiven geht weiter.
Ich
danke für die Aufmerksamkeit. *RS*
3 Kommentare:
Die MLPD ist laut ihrem selbst verteilten "Verkaufsprospekt" eine sage und schreibe leninistisch-stalinistisch-maoistische Partei, und demnach steht sie für den total despotischen Kommunismus. Insofern wundert mich nicht, was bei der Hamburger Montagsdemo beobachtet wurde: Gleichgültigkeit. Es geht nicht wirklich darum, dem berechtigten Protest gegen Hartz4 eine Stimme zu verleihen am offenen Mikrofon, soondern um das Gegenteil, den Protest zu unterdrückem!
Die MLPD ist deshalb landauf landab mit der ORganisation der Montagsdemos betraut, um die Montagsbewegung als absolut linkextremistisches NO-GO zu desavouieren!
Wenn das nicht vom Verfassungsschutz und seiner V-Leute-Organisation so ausbaldowert wurde, wär mir das ein absolutes Rätsel, warum so eine absolut demokratiefeindliche Partei, deren Verbot verdächtigerweise niemand erwägt, den Montagsprotest so unter ihre Fittiche genommen hat.
Vorsichtshalber hat man jetzt auch rechtsradikale Montagsdemos inszeniert, z.B. in Mannheim und Ludwigshafen. Die Botschaft der Herrschenden, die diesen perfiden Verfassungsschutz organisieren ist klar: Geht nicht zu den Hartz4-Protesten, denn der kommt nur von den Schmuddelparteien :-(
Es ist so wie es ist,die Montags-
Demo hat vergessen,wo für sie eigendlich da sind !! Ich habe Raimund gewarnt,aber jeder soll seine eigene Erfahrung mit denen machen !! Die sind es nicht wert, sich da ein zu bringen !! Sie haben sich irgend wie verlaufen, und das schon ziemlich lange !! Um noch etwas zu sagen: "Seit wann schhmeißt man hier mit Abkürzungen rum ??" Wie so schreibt man das nicht aus, was aus zu schreiben ist ?? Hier ist von MLPD die Rede, und wer weiß da draußen, was diese Abkürzung bedeutet ?? Wenn ihr es nicht macht,dann mach ich es !! Hier die Auflösung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Marxistisch-Leninistische_Partei_Deutschlands
Mit freundlichem Gruß, Erich
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