Mittwoch, 1. Juli 2015

Armin Fuhrer über Ernst Thälmann (Olzog Verlag)

Der deutsche Kommunistenführer Ernst Thälmann (1886-1944) ist so etwas wie eine Legende der deutschen Arbeiterbewegung. Vor allem in der DDR wurde er nach seinem Tod -ermordet von den Nazis nach mehr als elf Jahren Haft- systematisch zum Helden und zur Galionsfigur des Kommunismus aufgebaut. Er war in den Anfangsjahren des deutschen Staatssozialismus eine überragende Leitfigur. Von daher war ich gespannt, wie der Autor Armin Fuhrer in dem Buch "Ernst Thälmann Soldat des Proletariats" (2011) das Leben dieser ehemaligen Leitfigur beschreibt. Mich interessieren auch der Charakter und die Persönlichkeit des Mannes, seine Lebensumstände. ** Die Beschreibung und Analyse, die Fuhrer bietet, ist extrem einseitig und tendenziös. Sie stellt einen Versuch dar, den toten Mann nicht nur politisch endgültig (NOCH endgültiger, falls das geht) zu erledigen, sondern auch als Menschen zu relativieren und unter Generalverdacht zu stellen. Sowohl die Eigenaussagen Thälmanns über seinen Werdegang als Proletarier als auch die offizielle Geschichtsschreibung der DDR werden aufgrund "ihres manipulativen Grundtenors" (S. 11) in Frage gestellt. Angeblich entstammte der Mann, dessen spätere Laufbahn ihn über SPD, USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands), RFB (Rotfrontkämpferbund) zum KPD-Vorsitzenden beförderte, nicht aus dem Proletariat, sondern aus kleinbürgerlichen Kreisen, wie der Autor betont. "Ich habe bewußt schon als Kind eigene Anstrengungen gemacht, um meine Selbsterziehung und Fortbildung in die Hand zu nehmen" (S. 21) wird der spätere Kommunistenführer zitiert. Fuhrer stellt dahin, ob die Behauptung "wahr oder unwahr sei". Noch deutlicher wird der Autor, wenn er behauptet (S. 23) "Der kleine Ernst will die krassen sozialen Unterschiede zwischen der Arbeiterschaft und den ökonomisch und politisch herrschenden Schichten des Bürgertums und des Adels schon zu dieser Zeit tief empfunden haben. Wenn es so gewesen ist, muss Ernst mindestens ein frühreifer Bursche gewesen sein". Fuhrer geht, wie die weiteren Ausführungen zeigen, systematisch vor, um Thälmann unglaubwürdig zu machen, das Bild der Leitfigur zu zerstören. Sein Umgang mit Frauen sei keineswegs vorbildlich, Thälmann sei kein guter Ehemann gewesen, suggerieren die Ausführungen, und dann erst der Soldat im Ersten Weltkrieg, der eigentlich nicht dienen wollte, dann aber doch eingezogen und mehrfach verwundet wurde. In eigenen Aufzeichnungen erwähnt Thälmann "Trinkgelage", Skatabende" und "Fußballspiel" an der Front. "Über Monate hat er ein bequemes Leben" behauptet Fuhrer (S. 46). In seinem späteren Lebenslauf weist E.T. darauf hin, daß "ihm das Eiserne Kreuz" und weitere Auszeichnungen verliehen wurden. "Gleichwohl will er sich dem Kadavergehorsam an der Front widersetzt haben" polemisiert Fuhrer. Mir fällt die Systematik auf, mit der der Autor den Kommunistenführer vom ersten Kapitel, ja vom Klappentext an, desavouiert. Auch wenn zahlreiche Quellen zitiert und ein ausführliches Personenregister beigefügt ist - auf mich wirkt das Buch nicht wissenschaftlich. Als ob hier einer, dem von Thälmann Böses widerfuhr, eine Privatfehde ausficht. Der Autor geriert sich als notorischer Besserwisser, der zweifelhafte Aussagen und Selbststilisierungen Thälmanns grundsätzlich zu dessen Ungunsten auslegt. Armin Fuhrer wurde jedoch 1963 geboren, da war Thälmann bereits 19 Jahre tot. Woher kommt der minutiöse Haß auf einen Mann, dessen Bedeutung in der Öffentlichkeit längst verschwindend gering ist und auch bei den Linken praktisch keine Rolle mehr spielt? Wir wissen es nicht. Als ob einer auf der Grabstätte des Kommunistenführers herumtrampelt, um zu verhindern, daß dort noch Gräser sprießen. Es gibt in diesem Land, verständlicherweise, starke antikommunistische Ressentiments. Diese Vorbehalte werden mit dem Buch bedient. Ich bin und war übrigens selber nie Kommunist. Trotzdem empfinde ich die Art und Weise, einen Mann vorzuführen, der 11 Jahre von den Nazis eingesperrt und anschließend hingerichtet wurde, als ekelhaft. Aus diesem Grund habe ich mit der Lektüre auf Seite 118 aufgehört. Die  "SCHLUSS"-Bemerkungen (S. 331) überflog ich noch, in der Fuhrer Thälmann u.a. "eine Mitschuld an der Machtergreifung" Hitlers zuschanzt, ihn als "schuldbeladenen Wegbereiter Hitlers" bezeichnet. Nach der teilweisen Lektüre dieses Buches hoffe ich, daß ein an den KPD-Führer erinnerndes "monumentales, wenn auch von Hässlichkeit strotzendes Denkmal im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg" NICHT abgerissen wird. 
                                                                                                                             *RS*

     
          

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