Freitag, 11. November 2011

Zomia: Pro + Contra

Pro: Wir haben Einzel- und Mehrfamilienhäuser, Platten- und Altbauten, Hotels und Jugend-herbergen. Weshalb sollten Menschen nicht dauerhaft in Wohnwagen leben? Die Zomia-Behausungen wirken auf mich "malerisch", "bunt", "kreativ", naturnah. Ich besuchte mehrmals die Wagensiedlung am Honartsdeicher Weg (Ernst August Kanal). Einmal kam ich mit einer Frau ins Gespräch, die im UKE arbeitet. Beim zweiten Mal unterhielt ich mich mit mehreren Bewohnern, u.a. mit "Simon", der offenbar eine Art Sprecher-Rolle innehat. Sie suchten Orte, um Bilder (Fotos) auszustellen. Ich empfahl HoFa, Bürgerhaus, Freizeithaus Kirchdorf-Süd, Westend. An diesem Offenen Besuchstag gab es selbstgebackenen Kuchen, Tee, Kaffee. Ich hatte als Geschenk einen von meinem Verein herausgegebenen Jahreskalender mitgebracht: "Pimp your Rollstuhl" (zum Thema Behinderung). Mir waren die Zomia-Leute, mit denen ich ins Gespräch kam, sympathisch. Und so lud ich sie ein, demnächst an unserem Abendessen teilzunehmen. Ich war davon überzeugt, daß von diesen Menschen und ihrer Entscheidung für eine andere Wohn-Form anregende, positive Impulse ausgingen, die auch das Leben im Stadtteil entsprechend beeinflussen würden.
Contra: Vor einem Jahr, kurz nach der Okkupation des Geländes, wurde Zomia in der Presse mit den Worten zitiert "Wir kommen in friedlicher Absicht". Wie passt diese Aussage zu dem Hinweis auf "Schill-Wähler" und "rechte Tendenzen" in Wi.burg in einem Schaukasten bei ihrem Wagen-Platz? In den 90-er Jahren bekam R. Schill mehr als 30 % Wählerstimmen. Weshalb wies Zomia darauf hin? Mir scheint: Weil sie polarisieren, die Elb-Insel in gute und böse Menschen spalten wollen. Nach ihrem Welt- und Menschenbild teilt sich die Gesellschaft in gute=Linke und böse=Rechte. Irgendeine Analyse oder Hinterfragung der Wahl-Ergebnisse und der Situation, die diese erzeugte, findet nicht statt. Zomia kam nicht in friedlicher Absicht, sondern mit dem erklärten Ziel, in besserwisserischer Manier einem Stadtteil die eigene Ideologie und Wahrnehmungsweise aufzuzwingen. Jeder Mensch hat seine Geschichte - auch die Zomia-Leute, auch jeder Schill-Wähler. Zomia verschwendet keinen Gedanken darauf. Hier wird nicht reflektiert. Das Weltbild von Zomia baut auf Feindbildern auf. So etwas ist legitim - aber: Es zeugt nicht von friedlicher Absicht, sondern von Arroganz, mit leeren Händen in einen Stadtteil einzufallen, eine Fläche zu okkupieren und dann loszustänkern. * Wir brauchen in Wilhelmsburg Leute, die nicht nur die Hand aufhalten und profitieren wollen, sondern die um-gekehrt auch etwas zu bieten haben. ::: Auf meine Einladung, an einem Kunstbüro-Essen teilzunehmen, kam eine Zusage ... aber dann warteten wir einen ganzen Abend vergebens auf einen Zomia-Vertreter. Niemand kam, niemand sagte ab. Dabei hatten wir sogar extra vege-tarisch gekocht. Hier zeigten sich die WagenbewohnerInnen von einer Seite, die so gar nicht zu dem "netten" und "alternativen" Image passt, das sie so gern verbreiten. Auch die Verlaut-barungen auf ihrer Homepage, als Antworten auf Kritik, die sie von Insulanern erfahren, zeugen ganz und garnicht von "friedlicher Absicht". Im Gegenteil. Diese Menschen wollen Stunk, sie wollen Ärger, sie wollen Konfrontation; sie schüren bewusst und gezielt Konflikte. Den Grund können wir erahnen. Aufgrund ihrer gigantischen Medien-Präsenz haben sie offenbar den Kontakt zur Realität teilweise verloren. Sie versuchen, die Medien wie auch die Menschen vor Ort zu instrumentalisieren, sprich: vor ihren Karren zu spannen - und es gelingt ihnen auch bisweilen. Zomia, so scheint mir, fährt narzistisch auf sich selber ab - verliebt in die eigene Besonderheit, verliebt in die revolutionäre Vorreiter-Rolle, die sie für sich bean-spruchen. Andersdenkende und Gegner werden dämonisiert.
Mein Fazit: Mit Andersdenkenden, auch Gegnern kann ich mich auseinandersetzen und kontrovers diskutieren. Die Voraussetzung dafür ist jedoch Glaubwürdigkeit. Die Zomia-Okkupanten besitzen diese Eigenschaft für mich nicht mehr. Aufgrund ihrer taktischen Spielchen und notorischer Besserwisserei (siehe ihre Website-Statements ...) haben sie nicht nur meine anfänglichen Sympathien verloren. Ich traue diesen Leuten nicht mehr. Sie sind wie viele Politiker, die nicht sagen, was sie denken, sondern ihre Aussagen stets taktischen Zwecken unterordnen. Ich bin froh, wenn Zomia endlich von der Elb-Insel verschwindet. Wir haben schon genug Probleme. Wir brauchen in Wilhelmsburg keine Menschen, die die Stimmung noch zusätzlich anheizen, um ihr eigenes Süppchen zu kochen. *R.S.*

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