Montag, 10. September 2012

Sei kein Würstchen!


Fast jeder Büchermacher und Dichter kennt Frustration, Wut und Verzweiflung. Nur wenige nehmen ihr Herz in die Hand und schreiben über ihre Befindlichkeiten. Es gehört mehr als Mut dazu, ein aus Pleiten, Pech und Pannen bestehendes Schriftstellerleben öffentlich zu machen. Ein polemisches Buch wie „Sei kein Würstchen! – Runter vom Autorengrill!“ von Thomas Kohlschmidt schreibt sich nicht von selber. Der Autor, um die 50 Jahre alt, ist über eigene Veröffentlichungen, Mitarbeit in Verlagen und Aktivitäten in der freien Literatur-Szene in vielfältiger Weise mit dem Handwerk des Schriftstellers vertraut. Er kennt sich auch mit Cliquen- und Vettern-Wirtschaft, Neid, Eifersucht, Star-Allüren und anderen von ihm als negativ erlebten Verhaltensweisen von Schriftstellerkollegen aus. *** Endlich mal einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der sich nicht selber zensiert, sondern seinen Emotionen freien Lauf läßt!, dachte ich bei der Lektüre. Der Autor spricht mir an mehreren Stellen seiner aus 19 Kapiteln bestehen-den Suade aus der Seele. „Die deutsche Mentalität ist mehr auf Logik und Disziplin ausgerichtet, als auf ausschweifende Gefühle und Tagträume.“ (S.8) „Sie wünschten sich Klarheit und Ordnung und versuchten das durch eine Überbetonung des Rationalen hinzubekommen. Gefühle, ob nun Aggression ... oder Lust ..., beides ist verpönt.“  Es gibt andere Zusammenschlüsse, etwa die sog. Underground- und die Poetry Slam-Scenes, mit einer bisweilen Überbetonung des Emotionalen. Aber damit wird nicht automatisch alles besser. Kohlschmidt spricht von der „Pestwelle der Poetry-Slams“  und ist total genervt vom Lach-Zwang in der Comedy-Szene. Manche Dinge schätze ich etwas anders ein, ABER: Die Tendenz in dem Buch stimmt. An einer Stelle: Es geht um negative Erfahrungen mit einem deutschen Groß-Verlag, fragte ich mich, weshalb er selbigen nicht beim Namen nennt. Vielleicht –oder sogar: wahrscheinlich- würde ihm das Publikmachen bestimmter Machenschaften und PR-Tricks Ärger einbringen. ABER: Polemik anhand konkreter Beispiele würde ihn noch glaubhafter machen. Andererseits: Jeder Autor wie auch jeder Künstler muß selber entscheiden, wie weit er gehen kann mit Kritik und Invektiven. Denn am Ende, wenn er unter Druck gerät, wird er allein dastehen. *** Kohlschmidt beläßt es nicht bei Kritik und Polemik, sondern arbeitet in den letzten Kapiteln seines Buchs heraus, wie „es“ anders gehen könnte, welche Werte und Vorstellungen ihm wichtig sind. Autoren, zu denen er sich hingezogen fühlt, sind non-kommerziell eingestellt. Sie „schreiben, was ihnen gefällt, -sie sind nirgendwo groß unter Vertrag, -sie organisieren mit viel Mühe Lesungen, bei denen jeder mitmachen darf, ... sie fördern Drama, Prosa und Lyrik gleichermaßen, und erliegen nicht dem Sog der Comedy, -sie helfen anderen Autoren ohne Geld und Gegenleistung, - sie sind offen für Neues“ usw. Der Autor hat also ziemlich genaue Vorstellungen darüber, wie tägliches Arbeiten und Charakter der Leute beschaffen sein sollen, mit denen er sich gern zusammentun würde. Das vorletzte Kapitel heißt „Wieder Erzähler sein“. Kohlschmidt fragt, weshalb Erzählungen zu Papier gebracht werden sollen. In der Tat: LIVE und improvisierend erzählen ist oftmals spannender und lebendiger als Stories, die vom Blatt gelesen werden. Wieviele langweilige Lesungen habe ich früher über mich ergehen lassen ... ***  „Sei kein Würstchen!“ hat 130 Seiten und keine ISBN-Nummer. Es kostete mich schlappe 5 €. Wer das polemische Werk kaufen will, besuche entweder das nächste TEXT-LABOR in Bergedorf, oder schicke dem Autor eine mail: TKohlsch@AOL.com

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