Fast jeder Büchermacher und Dichter kennt
Frustration, Wut und Verzweiflung. Nur wenige nehmen ihr Herz in die Hand und
schreiben über ihre Befindlichkeiten. Es gehört mehr als Mut dazu, ein aus
Pleiten, Pech und Pannen bestehendes Schriftstellerleben öffentlich zu machen.
Ein polemisches Buch wie „Sei kein Würstchen! – Runter vom
Autorengrill!“ von Thomas
Kohlschmidt schreibt sich nicht von selber. Der Autor, um die 50 Jahre alt,
ist über eigene Veröffentlichungen, Mitarbeit in Verlagen und Aktivitäten in
der freien Literatur-Szene in vielfältiger Weise mit dem Handwerk des
Schriftstellers vertraut. Er kennt sich auch mit Cliquen- und
Vettern-Wirtschaft, Neid, Eifersucht, Star-Allüren und anderen von ihm als
negativ erlebten Verhaltensweisen von Schriftstellerkollegen aus. *** Endlich
mal einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der sich nicht selber zensiert,
sondern seinen Emotionen freien Lauf läßt!, dachte ich bei der Lektüre. Der
Autor spricht mir an mehreren Stellen seiner aus 19 Kapiteln bestehen-den Suade
aus der Seele. „Die deutsche Mentalität
ist mehr auf Logik und Disziplin ausgerichtet, als auf ausschweifende Gefühle
und Tagträume.“ (S.8) „Sie wünschten
sich Klarheit und Ordnung und versuchten das durch eine Überbetonung des
Rationalen hinzubekommen. Gefühle, ob nun Aggression ... oder Lust ..., beides
ist verpönt.“ Es gibt andere
Zusammenschlüsse, etwa die sog. Underground-
und die Poetry Slam-Scenes, mit
einer bisweilen Überbetonung des Emotionalen. Aber damit wird nicht automatisch
alles besser. Kohlschmidt spricht von der „Pestwelle
der Poetry-Slams“ und ist total
genervt vom Lach-Zwang in der
Comedy-Szene. Manche Dinge schätze ich etwas anders ein, ABER: Die Tendenz in
dem Buch stimmt. An einer Stelle: Es geht um negative Erfahrungen mit einem
deutschen Groß-Verlag, fragte ich mich, weshalb er selbigen nicht beim Namen
nennt. Vielleicht –oder sogar: wahrscheinlich- würde ihm das Publikmachen bestimmter
Machenschaften und PR-Tricks Ärger einbringen. ABER: Polemik anhand konkreter Beispiele würde ihn noch
glaubhafter machen. Andererseits: Jeder Autor wie auch jeder Künstler muß
selber entscheiden, wie weit er gehen kann mit Kritik und Invektiven. Denn am
Ende, wenn er unter Druck gerät, wird er allein dastehen. *** Kohlschmidt
beläßt es nicht bei Kritik und Polemik, sondern arbeitet in den letzten
Kapiteln seines Buchs heraus, wie „es“ anders gehen könnte, welche Werte und
Vorstellungen ihm wichtig sind. Autoren, zu denen er sich hingezogen fühlt,
sind non-kommerziell eingestellt. Sie „schreiben,
was ihnen gefällt, -sie sind nirgendwo groß unter Vertrag, -sie organisieren
mit viel Mühe Lesungen, bei denen jeder mitmachen darf, ... sie fördern Drama,
Prosa und Lyrik gleichermaßen, und erliegen nicht dem Sog der Comedy, -sie
helfen anderen Autoren ohne Geld und Gegenleistung, - sie sind offen für Neues“
usw. Der Autor hat also ziemlich genaue
Vorstellungen darüber, wie tägliches Arbeiten und Charakter der Leute
beschaffen sein sollen, mit denen er sich gern zusammentun würde. Das vorletzte
Kapitel heißt „Wieder Erzähler sein“. Kohlschmidt
fragt, weshalb Erzählungen zu Papier gebracht werden sollen. In der Tat: LIVE und improvisierend erzählen ist oftmals spannender und lebendiger als
Stories, die vom Blatt gelesen werden. Wieviele langweilige Lesungen habe ich
früher über mich ergehen lassen ... *** „Sei
kein Würstchen!“ hat 130 Seiten und keine
ISBN-Nummer. Es kostete mich schlappe 5 €. Wer das polemische Werk kaufen
will, besuche entweder das nächste TEXT-LABOR in Bergedorf, oder schicke dem Autor
eine mail: TKohlsch@AOL.com
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