Ein Bekannter drückte mir eine Zeitschrift/Buch in die
Hand. „Es könnte dich interessieren. Was
Ähnliches wie früher das Kursbuch“. Halbjahresmagazin, lese ich, POLITIK / THEORIE / ALL-TAG. Das farbige
Cover-Foto zeigt ein junges Paar mit
Golfschläger vor Stadtrand-Kulisse, mit u.a. angemaltem Flachbau
(Kinderladen?). Die Situation ist künstlich, interpretiere ich, das Foto
gestellt: das Gras zu hoch und holprig, um Golf zu spielen. „Unterm Strich“ ist die Abbildung in weiß überdruckt, schräg darunter steht „#Leistung“, ganz unten ein paar
Text-Titel. – Die Arti-kel behandeln Themen, die im Wirtschaftsteil von Tages-
und Wochen-Zeitungen zu finden sind, einige auch im Feuilleton oder der
Beilage. Es geht um „Leistungsbilanzen -
Ein Deutungs-muster verflüchtigt sich – und bleibt umkämpft“ (7-13), „Der Flaschensammler – Porträt eines Urban
Entrepreneurs“ (15-17), „Geschlechterkampf
im Discounter – Was heißt lidlgerechte Leistung?“ (19-21), „Endlos verlängertes Glück – Leistungsverweigerung
in der Popmusik“ (23-26), „Totes Geld
– Zehn Thesen für ein neues Erbrecht“ (29-32)
usw. insgesamt rund 40 Artikel und Rubriken (auf 192 Seiten), von denen ich ein
gutes Dutzend lese. Als Illustrationen (Thema Leistung!) fungieren Fotos von
Ausstellungen, events und 16 Konterfeis des deutschen Fußbal-lers Michael Ballack,
Schwarz-Weiß-Pressefotos, die Olaf
Nicolai sammelte. * Die Lektüre macht wenig Spaß – vielleicht kommt dies
vom General-Thema „Leistung“. Oder gehe ich mit falschen, zu hohen (?)
Erwartungen an die Lektüre? Der Stoff ist trocken, zwar geschmeidig serviert,
berührt mich aber kaum. * Einige der in „Endlos
verlängertes Glück“ beschriebenen Pop-Musi-ken kenne ich, ohne mich als
Fachmann zu bezeichnen, etwa „animal
collective“. Ob bei dieser und ähnlichen Musik-Konzepten tatsächlich Leistungsverweigerung eine
zentrale Rolle spielt, weiß ich nicht. Die Produkte, d.h. CD’s sind m.E.
hochprofessionell. Sie mögen eine leistungs-kritische Klientel bedienen und
von einer ebensolchen Ideologie getragen sein – aber solche Konserven zu
produzieren ist an sich bereits eine ziemliche Leistung. Ich meine, daß diese
Musiken mit Hörgewohnheiten experimentieren, aber es geht am Ende auch um Markt und Konsum. * Am meisten interessiert mich der Bericht über
die Künstlerin Isa Genzken,
über-schrieben „Paraden aus dem
Alltagsschrott der Konsumkultur“. Auf insgesamt 8 Fotos sind mit farbigen
Tüchern, Plastikstoffen und anderem Material und Requisiten versehene
Rollstühle, Krücken, Gehwagen, Sessel dargestellt, die scheinbar x-beliebig auf
Ausstellungsflächen abge-stellt sind. Weshalb die Polar-Autorin Maren
Lübbke-Tidow diese „neueren
Skulpturen von Isa Genzken... einfach unglaublich böse“ findet, ist mir ein
Rätsel. Die Künstlerin zeigt einen Ausschnitt unserer Lebens-Realität, welcher
in dem Bereich „Kunst“ oftmals ausgeblendet ist, und sie tut es mit lebendigen Farben, buntem Material. Ich interpretiere dies als einen
lebensfrohen und phantasievollen Umgang mit den Themen „Alter“ und
„Behinderung“, und weiß nicht, was daran „böse“ sein soll. * Ein Aufsatz (S.89-95) ist
überschrieben „Jenseits von Neid und
Habgier – Wie wir uns überzeugen können, dass wir verdienen, was wir
verdienen.“ Ausgehend vom großen Einkommensunterschied in Deutschland folgt
Autor Walter Pfann-kuche in den Unterkapiteln
„Wer leistet eigentlich was?“, „Der
Trickle-Down-Effekt als Ideologie“ und „Die
Selbstüberschätzung der Glücksritter und Machttaktierer“ Argumentationsschienen,
auf denen er zu einem von Naivität und Moral geprägten Fazit kommt. Ich fühle mich in die 60-er und 70-er Jahre
versetzt. Zitat: „Was jeder verdient, ist
eine Anerken-nung und ein Ausgleich für sein ernsthaftes Bemühen um eine Sache,
die anderen nutzt. Wer meint, dass sein Bemühen und Ernst den anderer
übertrifft, der kann mit gutem Gewissen aufstehen und eine Besser-stellung
verlangen ... Die übrigen, die Glücksritter und Machttaktierer, bleiben besser
still sitzen. Zu lange schon bietet ihr Anblick ein peinliches Bild.“ * www.polar-zeitschrift.de * (Bilder Isa Genzken-Ausstellung aus www.youtube.com/watch?v=1lDyV9ScnOA)
**RS**
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