Dienstag, 26. Oktober 2010

Biografien - Helmut Berger


Ich lehnte den Schauspieler früher grundwegs ab und ignorierte ihn, soweit dies möglich war: Als "Narziß", total eingebildet und abgehoben, Jet-Setter, als Darsteller nur anerkannt wegen seiner Schönheit ... Mein borniertes Links-Sein erlaubte mir nicht, über meinen moralin-gesäuerten Schatten zu springen. Heute lese ich das Buch mit Vergnügen und Bewunderung, bereits zum zweiten Mal. Berger geht noch einen Schritt weiter in seiner Selbst-Entblößung als Elfriede Jelinek in "Sturm und Zwang", er zelebriert sich geradezu dabei, ohne Tabus und rücksichtslos mit sich selber ins "Reine" zu kommen. Soweit dies überhaupt möglich ist. Natürlich spielt hier auch Eitelkeit eine Rolle - wie bei jedem Künstler, Schauspieler, Politiker, ev. Pastor, Bischof usw. Berger lebt sich aus, DARUM geht es. Das Buch-Motto "Die große Sehnsucht meines Lebens: ich will geliebt werden" klingt kitschig. Andererseits: Wenn es um Gefühle geht, geraten Äußerungen fast automatisch in die Kitsch-Zone. Ich bin auch deswegen von dem Buch fasziniert, weil ich hier Insider-Infomationen erhalte über eine Welt, die mir völlig verschlossen ist, den Jet-Set. Berger ist bzw. war mit unzähligen Größen der Upper-Class und obersten Schauspiel-Liga intim und befreundet, ob Elizabeth Taylor, Ursula Andress, Bianca Jagger, Rudolf Nurejew ... "Ich", so der Titel der Autobiografie, ist eine tolle Fundgrube für Voyeure und Sensationsgier. Ich werde hier, Seite für Seite, gut angefüttert. Und was sich hat der Typ nicht alles an Drogen und Stimulanzien reingezogen: Hasch, LSD, Ecstasy, Opium, Cocain, hektoliterweise Alkohol ... Obschon der Autor manches Klischee bedient, ragen seine Erinnerungen weit aus den Niederungen der yellow press heraus, durch Exzentrik und Ehrlichkeit - auch wenn man nicht unbedingt jedes Wort auf die Goldwaage legen sollte. Es geht um äußere Schönheit und viel Glitzerkram, viele Seiten um nichts anderes - der Autor (der gemeinsam mit Holde Heuer die Autobiografie verfasste) veranstaltet aber nicht den bekannten "Tanz ums Goldene Kalb". Berger tanzt zwar - aber aus der Reihe. Er weiß, daß am Ende anderes zählt. Liebe. Durch alle Exzesse, Eskapaden, eiserne Disziplin als Schauspieler hindurch zur Empfindung, geliebt zu werden? * Ich sah vor einigen Monaten den Mann im Fernsehen bei Gottschalk. Er schien nicht seinen besten Tag zu haben. * Ullstein-Verlag, isbn 3-548-35970-1 R.S.

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