Hadayatullah
starb am 4. Januar 2011. Ich habe noch einige Brief und Texte von ihm, die ich
auf diesem Wege veröffentlichen möchte. H. hatte ein geistliches Amt in der
Reform-Bewegung Ahmadiyya Muslim Jamaat
inne. Er war ein gläubiger und sehr gebildeter Muslim, der jederzeit zum Dialog
mit Andersgläubigen bereit war. Umgekehrt hatte er mit Vorurteilen zu kämpfen.
Ende 2009 schickte er mir einen Brief, weil ein Veranstalter in Wilhelmsburg
eine Lesung mit ihm absagte. „Lieber
Raimund“, schrieb Hadayatullah, „Dein
Bekannter von der „stadtmission“, der die Lesung mit mir veranstalten wollte, hat mir vor ein paar Tagen eine email
geschickt, in der er die Lesung absagte. Die Begründung habe ich nicht genau
verstanden, irgendwie passt irgendwelchen Leuten meine Religion nicht. Dabei
ging es bei der Lesung doch um Beat und nicht um Predigten“. Damals hatte ich für H. eine Lesung im
Wilhelmsburger WESTEND vereinbart (das zur Stadtmission gehört). Der damalige
Leiter des Westend, A.D., bekam jedoch plötzlich kalte Füße, weil er Ärger mit
Moslems befürchtete, die nicht zur Ahmadiyya-Richtung gehörten. Als Ausweichort
versuchte ich das Alter-nativ-Cafe „sweet
home“ zu gewinnen. Die Inhaberin
lehnte jedoch ab, weil der Ahmadiyya-Islam „frauenfeindlich“ sei. So führten
wir die Lesung in meiner Werkstatt durch. * Hadayatullah war ein Dichter und
Kämpfer, der sich im Alltag für seine Ideen, Ziele und die ihm anvertrauten
Menschen einsetzte. Zur Not auch vor Gericht. Er schickte mir die Kopie eines „Versäumnis-Urteils“ des Landgericht
Frankfurt. In dem Rechtsstreit der Ahmadiyya Muslim Jamaat und Hadayatullah H.
gegen die Verlags-Gruppe B.Z.Ullstein GmbH wurde letzterer untersagt, weiterhin
zu behaupten, a) H.H. propagiere die „leichte Züchtigung der Frau“ und b) Ahm.M.J. befürworte die körperliche
Züchtigung der Frau“. * Hadayatullah hat die Ablehnung, erst durch eine
ev.-christliche Einrichtung, dann durch ein sog. „Alternativ“-Cafe gekränkt.
Ich persönlich empfand die Ablehnungen als Ausdruck von Opportunismus und
Scheinheiligkeit. Ich meine: So etwas kann heutzutage in diesem Stadtteil jederzeit wieder passieren. Die meisten Leute und staatliche Institutionen sind nicht in
der Lage, von außergewöhnlichen Menschen Impulse, Ideen und Ratschläge
anzunehmen. Was nicht mit dem Mainstream kompatibel ist, wird ausgegrenzt. *
Wie
verschieden, fast schon gespalten, die zwei Seiten Hadayatullahs waren, kommt
m.E. in dem folgenden Gedicht zum Ausdruck, mit dem er weder missionieren noch
religiöse Diskurse initiieren möchte. Es
wurde Für Florian und Bouchra am 20.2.2007 um 18 Uhr 45 geschrieben und
heißt
In der Bar
Die
roten Ledersitze schwitzen,
Countdown-Song:
„Paß auf, die Welt
Ist
hinter dir her“ und schwer
Fallen
die Tropfen in die Gläser
Augen
toter Junkies zittern in den
Aschenbechern
dieser erloschenen
Sonnen
das Kopfsteinpflaster draußen
Mürbe
getreten von heiligen Barbaren,
Im
Schirm das Jaulen einer verzogenen
U-Guitarre,
deren Saiten Salzstangen
Gleichen,
wir machen die Rechnung
Ohne
den Schenken, wir trinken das
Blut,
das aus unseren Füllfederhaltern
Gemolken,
wie Gäste, in deren Gliedern
Rastlosigkeit
tätowiert, bis alle
Herzen
einen Knacks haben, oh Funke!
Hadayatullah Hübsch
That’s BEAT! *R.S.*
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen