Mittwoch, 28. November 2012

Nochmal Hadayatullah Hübsch


Hadayatullah starb am 4. Januar 2011. Ich habe noch einige Brief und Texte von ihm, die ich auf diesem Wege veröffentlichen möchte. H. hatte ein geistliches Amt in der Reform-Bewegung  Ahmadiyya Muslim Jamaat inne. Er war ein gläubiger und sehr gebildeter Muslim, der jederzeit zum Dialog mit Andersgläubigen bereit war. Umgekehrt hatte er mit Vorurteilen zu kämpfen. Ende 2009 schickte er mir einen Brief, weil ein Veranstalter in Wilhelmsburg eine Lesung mit ihm absagte. „Lieber Raimund“, schrieb Hadayatullah, „Dein Bekannter von der „stadtmission“, der die Lesung mit mir veranstalten wollte, hat mir vor ein paar Tagen eine email geschickt, in der er die Lesung absagte. Die Begründung habe ich nicht genau verstanden, irgendwie passt irgendwelchen Leuten meine Religion nicht. Dabei ging es bei der Lesung doch um Beat und nicht um Predigten“.  Damals hatte ich für H. eine Lesung im Wilhelmsburger WESTEND vereinbart (das zur Stadtmission gehört). Der damalige Leiter des Westend, A.D., bekam jedoch plötzlich kalte Füße, weil er Ärger mit Moslems befürchtete, die nicht zur Ahmadiyya-Richtung gehörten. Als Ausweichort versuchte ich das Alter-nativ-Cafe „sweet home“  zu gewinnen. Die Inhaberin lehnte jedoch ab, weil der Ahmadiyya-Islam „frauenfeindlich“ sei. So führten wir die Lesung in meiner Werkstatt durch. * Hadayatullah war ein Dichter und Kämpfer, der sich im Alltag für seine Ideen, Ziele und die ihm anvertrauten Menschen einsetzte. Zur Not auch vor Gericht. Er schickte mir die Kopie eines „Versäumnis-Urteils“ des Landgericht Frankfurt. In dem Rechtsstreit der Ahmadiyya Muslim Jamaat und Hadayatullah H. gegen die Verlags-Gruppe B.Z.Ullstein GmbH wurde letzterer untersagt, weiterhin zu behaupten, a) H.H. propagiere die „leichte Züchtigung der Frau“  und b) Ahm.M.J. befürworte die körperliche Züchtigung der Frau“. * Hadayatullah hat die Ablehnung, erst durch eine ev.-christliche Einrichtung, dann durch ein sog. „Alternativ“-Cafe gekränkt. Ich persönlich empfand die Ablehnungen als Ausdruck von Opportunismus und Scheinheiligkeit. Ich meine: So etwas kann heutzutage in diesem Stadtteil jederzeit wieder passieren. Die meisten Leute und staatliche Institutionen sind nicht in der Lage, von außergewöhnlichen Menschen Impulse, Ideen und Ratschläge anzunehmen.  Was nicht mit dem Mainstream kompatibel ist, wird ausgegrenzt. *
Wie verschieden, fast schon gespalten, die zwei Seiten Hadayatullahs waren, kommt m.E. in dem folgenden Gedicht zum Ausdruck, mit dem er weder missionieren noch religiöse Diskurse initiieren möchte.  Es wurde  Für Florian und Bouchra am 20.2.2007 um 18 Uhr 45 geschrieben und heißt

In der Bar
 Die roten Ledersitze schwitzen,
Countdown-Song: „Paß auf, die Welt
Ist hinter dir her“ und schwer
Fallen die Tropfen in die Gläser
Augen toter Junkies zittern in den
Aschenbechern dieser erloschenen
Sonnen das Kopfsteinpflaster draußen
Mürbe getreten von heiligen Barbaren,
Im Schirm das Jaulen einer verzogenen
U-Guitarre, deren Saiten Salzstangen
Gleichen, wir machen die Rechnung
Ohne den Schenken, wir trinken das
Blut, das aus unseren Füllfederhaltern
Gemolken, wie Gäste, in deren Gliedern
Rastlosigkeit tätowiert, bis alle
Herzen einen Knacks haben, oh Funke!
                                         Hadayatullah Hübsch
                                                                                                                That’s BEAT!    *R.S.*    

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