Das erste Kapitel Gestundete
Zeit beginnt so: „Unter den Großen
war er der Ungeduldigste. Entweder gelingt etwas sofort, oder es gelingt nie –
das war die Prämisse seiner Arbeit, ausge-wiesen durch kaum glaubliche, nur
Mozart und Schubert vergleichbare Geschwindigkeit und Sicherheit im
Vollbringen. Schon die Einstiege dulden
keinen Aufschub. Als wolle er nicht wahrhaben, daß es noch anderes gibt als
Musik, stürzt er in sie hinein. ... Entweder wirft Schumann sich wie besinnungslos
hinein, oder er ist von vornherein mittendrin, als habe er sich nie woanders
befunden. Manchmal kommt er freilich an traditionellen Formalitäten nicht
vorbei, komponiert indes, wo und wie er nur kann, gegen den Schein des
Üblichen...“ – Der Autor dieser sehr speziellen
Biografie über Robert Schumann (1810-56), Peter
Gülke, schreibt nah an der
Person des Komponisten, immer mit einem Rest Distanz selbstverständlich, aber
ansonsten in kongenialer Nachbarschaft, „hautnah“ sozusagen. Schumanns Werk ist
einer der absoluten Höhepunkte der Deutschen Romantik. Und es wird mehrfach
deutlich: Zuvor war der „Sturm und Drang“
die prägende Epoche; zwar nicht ausdrücklich für die Musik nachgewiesen
–der Begriff ward für literarische Strömungen und Stil gefunden- aber es gab
enge Verwandtschaf-ten und Parallelen zwischen Literatur und Musik. Dies läßt
sich auch am Beispiel Schumanns nachweisen, der sich in vielfacher Hinsicht an Poesie und Literatur orientierte, etwa an Jean Pauls
Romanen, an E.T.A.Hoffmann u.a.. Auch
die Zeit der Empfindsamkeit wirkt
noch in die Romantik, auch wenn letztere mehr Gegen-Aufklärung war, Rückbesinnung auf Gefühl, Phantasie, man
könnte sagen: Irrationales. * Peter Gülke
ist ein Fachmann, der mit seinem Buch Seite um Seite vom Werk Schumanns her, von seinen
Sinfonien, Kammermusik, Liedern usw. argumentiert. Da kann ich als Laie nicht
immer folgen, sehe aber staunend, mit welcher Genauigkeit und Konsequenz der
Schriftsteller werk-orientiert wiedergibt und mit seinen Beschreibungen in
Schriftsprache übersetzt, was –am Beispiel Schumann- der Geist oder das Wesen der
Romantik war. Eine Textprobe (S.138): „So auch im zweiten Themenkomplex, mehr
sequenzierend gedrehtem Singenwollen als Gesang, das kein harmonisches
Fundament findet und, wo es auf Ballungen zuläuft, schnell wieder fortgerissen
wird. Das geschieht dreimal auch in der „Durchführung“, in der die zur
Kantabilität drängende Dynamik zum Ziel gelangt. Die weit auseinander liegenden
Regionen (cis/Cis, Gis, B und F), in denen das geschieht, lassen dieses Mittelstück
mit den hastig absolvierten Extrempositionen wie ein überschnell gedrehtes
Kaleidoskop erscheinen. ...“ * Ich fand das Buch (Paul Zsolnay Verlag) preisgünstig bei 2001. Es ist Lesern zu empfehlen,
die mehr als einen flüchtigen Eindruck suchen. Gülke betreibt Musikwissenschaft der anspruchsvollsten Art. Ein seltenerer Spezialist mit dem Wissen eines Forschers. *R.S.*
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen