Das
Periodikum „DIE INSEL – Zeitschrift des
Vereins Museum Elbinsel Wilhelmsburg“ erscheint einmal im Jahr. Seit Kurzem
ist die Ausgabe 12 im Handel.
Herausgeber ist der Museums-Verein, bei dem zahlreiche Ehrenamtliche mitwirken.
Auf einer Seite werden u.a. die 14 (!) Mitglieder des Vorstandes des „Museum
Elbinsel Wilhelmsburg e.V.“ aufgelistet. Erstaunlicherweise gibt es auch noch
einen „Förderverein Museum Elbinsel Wilhelmsburg e.V.“, von dessen 3 erwähnten Vorständlern
zwei auch im Vorstand des zuvor erwähnten Vereins sind. Transparenz ist gut –
aber weshalb gleich 2 Vereine? *** Zu den einzelnen Texten: Edda Teneyken, festangestellte
Redakteurin des Wochenblatts „Der Neue
Ruf“, berichtet über die Geschichte des Ortsteils Neuhofs. Karl Klee, 1973 geborener
Diplom-Sportwissenschaftlicher, porträtiert auf 14 Seiten (incl. einiger Fotos)
den im Bahnhofsviertel aufgewachsenen HSV-Spieler Ernst Seikowski (1917-1986).
Der Artikel (bereits Teil 2) ist m.E. gut recherchiert und lesbar. Er dürfte, auch aufgrund des
Themas, etliche Leserinnen finden, zu Recht - gerade die Geschichte einzelner Menschen darf im Mittelpunkt stehen. Auch der nächste Artikel (S. 37-44) von Astrid Christen: „Dicht am Wasser gebaut“, dürfte
auf Interesse stoßen. Es geht um „den
Abschied von der Stackmeisterei an der Bunthäuser Spitze in Moorwerder und ihre
Bedeutung für Hamburgs Entwicklung“. Für Binnenbewohner: Eine
Stackmeisterei ist zuständig für „Wasserbau“,
sprich die Befestigung, Reparatur
etc. von Uferbefestigungen. Auch dieser Artikel scheint mir gut durchdacht und
pointiert illustriert durch etliche Fotos. * Der Bericht „Polnisch sprechende Migranten und die katholische Kirchen-gemeinde St.
Bonifatius – Ein historisches Beispiel zum Thema „Integration von Aus-ländern“ von
Ulrich Krieter umfasst gar 16 Seiten –davon allein 3 Seiten Fußnoten. Wieder
ein sehr genauer, umfangreich recherchierter Artikel. Ein wichtiges Stück der
Geschichte der Elb-Insel wird hier dargestellt. Klaus Meise schreibt über einen schweren „Giftgas-Unfall am 20. Mai 1928“ (10 Tote, zahlreiche Verletzte).
Damals gab es eine Phosgen-Explosion bei der Chemischen Fabrik Stoltzenberg. Meise beschreibt die Geschichte bis
1979, als die Fabrik endlich aufgelöst und das Gelände entseucht wurde. Die
Angelegenheit war ein politischer Skandal, bei dem „acht beteiligten Beamten, die die behördlichen Auflagen ungenügend
überwacht hatten,“…ein Disziplinarverfahren erspart“ blieb. (S. 65).Zwei
weitere kurze Artikel sind Kindheitserinnerungen zweier Wilhelmsburger-innen
gewidmet. ** Zum Inhalt des Heftes gehören Fotos der auf 2 Seiten
ausgebreiteten Schenkungen, mit denen der Fundus des Museums erweitert wurde. *** Die Insel enthält auch den 2-seitigen Artikel „Die „Welt der Religionen“ auf der Gartenschau“ der evangelischen
Pastorin Corinna Peters-Leimbach. Dieser
Bericht ist von der Tendenz her einseitig und beschönigend; eine heile Welt
wird ausgebreitet. Verschwiegen wird, daß dieses angeblich hehren, wenn nicht
heiligen Zwecken dienende Gartenschau-Gelände den Wilhelmsburgern, die dort jahrzehntelang
täglich freien Zugang hatten, seit mehr als anderthalb Jahren verschlossen ist.
Ab Ende April zahlen wir –bei lächerlichen 3 Tagen freien Eintritts- 17 bis 21
€ Eintritt. Der Pastorin Corinna
Peters-Leimbach ist diese Tatsache sicher bekannt, genauso wie der Umstand,
daß den erwarteten 100.000 Besuchern des ev. Kirchentages Anfang Mai einen Tag freier
Eintritt gewährt wird. Sie erwähnt dies mit keinem Wort. Hier werden clever
Macht-Interessen der ev. Kirche mit denen der igs, sprich: dem Hamburger Senat
und den herrschenden Parteien, verknüpft. Dem Kirchentag werden quasi 2 Mill. €
geschenkt – auf der anderen Seite sind Politik und Behörden extrem geizig und
streng, wenn es um die Bedürfnisse der einfachen Bevölkerung geht. Wo steht die
ev. Kirche?, frage ich mich. Der Artikel wirkt auf mich wie Selbstbeweihräucherung.
*** Im Rückblick auf das Jahr 2012
beschreibt Claus-Peter Rathjen, der
für Kulturprogramm und Pressearbeit zuständig ist, ausführlich einige
Veranstaltungen, besondere Besuche und das Engagement ausgewählter Personen.
Er vergisst nicht, dem „Elbe Wochenblatt“, dem „Neuen Ruf“, dem „Wilhelmsburger
Insel-Rundblick“, „Hamburger Abendblatt“ und diversen TV-Anstalten für ihre
Unterstützung (Berichte etc.) zu danken. Bei diesen unterstützenden Medien
handelt es sich, bis auf den Wilhelmsburger Insel-Rundblick, um Medien mit
bezahlten Mitarbeiterinnen. Ich meine, auch die Künstler, die für kleine Gage
im Museum auftraten, haben Dank verdient. Zumindest einen kenne ich, der für
wenig Geld las – und nicht nur für sich selber, sondern auch für das Museum und seine Besucher. ***
Fazit: Ein insgesamt lesenswertes, interessantes Heft. Die inhaltliche
Ausrichtung ist durchaus konservativ. Vielleicht ist dies
bei einem musealen Zwecken dienenden Periodikum naheliegend. Wir dürfen
gespannt sein, wie die Ausgabe für 2013 aussehen wird. Wenn auch in der
nächsten Ausgabe die teilweise katastrophalen Folgen der igs, IBA und
Gentrifizierung im Allgemeinen mit keinem Wort (!) erwähnt werden, werden sich
die Verantwortlichen dem Vorwurf der Einseitigkeit oder Beschönigung stellen
müssen. – Wie wäre es mit einem Artikel über die Wilhelsmburger
Schrebergarten-Kultur, inclusive der Vertreibung von mehreren hundert
Parzelleninhabern durch IBA und igs? Wie wäre es mit einem Bericht über
Wilhelmsburger Künstler-Innen, inclusive massivster Einflussnahmen durch die
IBA auf die hiesige Kreativ-Szene? *** Ich möchte nicht nur guten Kuchen essen
im Cafe Eleonore (ich bloggte schon darüber), sondern Menschen treffen, die für
ihren Stadtteil aktiv sind und dabei massive Eingriffe von Außen nicht
einfach geflissentlich ausblenden. Die Zeitung „Der Neue Ruf“ betreibt kaum etwas anderes als Hofberichterstattung
für die Gentrifizierung. Auch das Wochenblatt
steht diesbezüglich kaum nach. Es gibt in Wilhelmsburg noch andere, kritische
Berichterstattung. Allein dadruch, daß sie nicht staatlich und nicht
kommerziell ist, wird sie nicht schlechter oder inkompetent. meint **RS**
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