Montag, 15. April 2013

AKU : Unternehmen Wilhelmsburg

Das dunkelblaue Buch im Format einer umfangreicheren Broschüre ist schlicht gestaltet: Eine Zeichnung auf dem Front-Cover, auf der Rückseite drei Fotos. Auf den ersten Blick wirkt die Publi-kation unscheinbar, wer jedoch zu lesen beginnt, spürt bald: Inhaltlich handelt es sich um ein Schwergewicht. Rechtzeitig zur Eröffnung von IBA und igs meldet sich die kritische Radikal-Opposition Wilhelmsburgs zu Wort. AKU heißt „Arbeitskreis Umstrukturierung“. Die lose Gruppe gibt es schon etliche Jahre. Ihre Statements und Artikel publizierten sie in Broschüren („Alles alles verkehrt u.a.“), auf der eigenen Website und diversen Internet-Foren. Erfreulicherweise finden sich unter den Artikeln zum Thema „Unternehmen Wilhelmsburg“ auch die Namen der Verfasser. Wer sich sorgt, daß sich hierdurch die Autor_innen dem Verfas-sungsschutz ausliefern, der bekanntermaßen einen kritischen Blick für alles Kritische hat, dem sei ins Poesie-Album geschrieben: Alle legalen Mittel des Protestes und der Kritik sind auszuschöpfen. Eine Bewegung schwächt sich selber und isoliert sich zudem von der Bevölkerung, wenn unnötig Geheimniskrämerei oder Illegalisierung betrieben wird. In dem 112 S. starken Buch artikulieren sich Menschen, die unterschiedlich lang auf der Elb-Insel leben, einen geschärften Blick für die Gentrifizierungs-Vorgänge haben und in konkreten Projekten mitwirken, bei denen Deutsche wie Migrant_innen beteiligt sind. „Unternehmen Wil-helmsburg“  bietet eine Menge Hintergrund-Informationen.  Hier wurde sehr gut recherchiert, was die diversen Beweggründe und Motive von Politik und Wirtschaft betrifft, die zu dem führten, was heute über uns hinweg geht. Ein komplexes Verständnis für die Vorgänge zu haben, scheint mir unverzichtbar, wenn man nachhaltig kritisieren und so etwas wie eine andere Perspektive oder alternative Sicht entwickeln will. Mit ihren umfangreichen Untersuchungen und Beschreibungen bietet „Unternehmen Wilhelmsburg“ eine Basis, auf der aufgebaut werden kann. Dabei erheben die Verfasser keinen Anspruch auf Vollständig- oder Endgültigkeit. Ihre Ausführungen sind sachlich, präzise und in gut lesbare Sprache gegossen. Kapitelüberschriften wie Hochglanz und Schimmel, Untertitel „Mit der Buslinie 13 durch eine Hamburger Klassengesellschaft“ , „Inseln, die aus dem Meere auftauchen“, „Parallelgesellschaften“, „Eine unsichtbare Brücke“, „Wo wohl doch keine Katzen gekocht werden“ uswusw  deuten an, was ich als Leser erfreut zur Kenntnis nehme: Ein schwieriger und –auch theoretisch- anspruchsvoller Themen
bereich wird auf lebendige, fast vergnügliche Weise dargestellt. Das macht m.E. die Qualität der Artikel dieses Buches aus. Es ist radikal von der Tendenz her, ja extrem – aber kommt ganz ohne Kriegsge-heul, präpotentes Gehabe und Dämonisierung der Gegner aus. Mit anderen Worten: Die Leser finden Seite um Seite Argumente. Kritik, Vernunft und ein Hauch von Humor reichen sich die Hand. Und machen sowohl IBA-Befürwortern wie -Gegnern als auch dem Verfassungsschutz klar: Hier wird mit sehr viel Kompetenz, Ernsthaftigkeit und gut verständlich Kritik geübt. Somit sehe ich einige Chancen, daß das Buch dauerhaft und fruchtbar wirken kann.  Mein Respekt!   **RS**

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