Als ich 1986 auf die Elb-Insel zog, war mir wichtig,
guten Kontakt zu den Menschen zu pflegen, vor allem in meiner näheren Umgebung.
Also klingelte ich reihum und stellte mich bei den übrigen Bewohnern im Haus
vor. Es war kein großer Aufwand. Inzwischen sind 26 Jahre vergangen. Ich kann
mich nicht erinnern – oder ... ja doch, da war mal ein Pärchen, das wohnte
mir gegenüber im Parterre, das stellte sich auch vor. Es gibt sogar ein zweites
Beispiel, immerhin. In 26 Jahren. * Als ich 1989 das Kunstbüro Wilhelmsburg
gründete, begannen wir 1 Jahr später mit der Herausgabe eines Magazins: „ELB-IBSEL – Zeitschrift für Kunst und
Kultur“. Das Heft war gedacht als Forum für Autoren, Bildende Künstler usw.
In der # 1 stellten wir einige Künstler (Sängerin, Maler, Autoren) in
Kurz-Porträts vor. Wir fanden wichtig,
nicht nur uns selbst zu zeigen, ja sogar in den Mittelpunkt zu stellen.
Genauso wichtig war uns zu schauen, wen es denn sonst noch so gibt und
gab. Geschichtsforschung bzgl. Kunst und Kultur. Die Informationen über Dora Gartmann, Ruth Ostermeyer, Bert Varell,
Willy von Thaden und Heino Zinserling
bekam ich seinerzeit von Hermann Keesenberg, dem Leiter des
Heimatmuseums. Die Info-Reihe in der ELB-INSEL wurde danach nicht fortgesetzt,
mangels weiterer Informationen. Aber immerhin, wir hatten etwas versucht, was m.E. unverzichtbar ist: Auseinandersetzung mit den Menschen und
dem Ort, an dem wir uns befinden. * Nun bin ich seit gut 23 Jahren in diesem
Stadtteil als Künstler aktiv, und nicht nur das: Ich kümmere mich mit dem
Kunstbüro-Verein seit mittlerweile mehr als 2 Jahrzehnten um gewisse Interessen
und Belange auf der Elb-Insel, um die Belange auch anderer Menschen. Mir fällt auf, daß immer mehr neue „Künstler“
und „Kreative“ auf die Insel kommen. Das ist nicht verkehrt, aber mir stößt auf, daß nicht einer von ihnen sich mal die Mühe macht, zu schauen, was es an
gewachsenen Strukturen hier schon gibt. Das ist auffällig anders – wenn ich es mit
meiner – unserer Kunstbüro-Geschichte vergleiche. * Nun könnte man einwenden:
Die IBA. Die IBA hat dafür gesorgt, daß diese „Kreativen“, „Talente“ usw. alle
auf die Insel kommen, mit einem gigantischen medialen Hype lenkte sie die
Aufmerksamkeit auf Wilhelmsburg... Darauf kamen sie dann halt alle. Das ist
zwar wahr, aber enthält nicht die ganze Wahrheit. All die Künstler und
Künstlerinnen, die sich hier jetzt tummeln, wie die Heuschrecken, und sich
einen Dreck um die Gegebenheiten vor Ort kümmern (es sei denn, irgendwo sind
Gelder abzustauben) ... all diese Leute sind keine Kleinkinder, die am
Rockzipfel der IBA hängen und nicht anders können. Sorry der etwas vulgäre
Ausdruck, aber ich meine ihn so: Dreck. Nein, nicht die IBA ist schuld. Sie hat zwar Murks gemacht, gerade
in Punkto Kultur und Kunst. Aber daß die Kreativen, die in ihrem Sog sich hier
nieder- und breit machen und in egomanischer Tour nur die Dinge rechts und
links von ihrer Nasenspitze sehen, das hat nicht
die IBA zu verantworten. * Ich wohne gerne in Wilhelmsburg. Auch heute
noch. Aber manchmal fühle ich mich etwas fremd.
Habe ich – haben WIR mit unserem Verein alles falsch gemacht? Muß ich jetzt weinen und mich blamiert fühlen?
Weil ich offenbar eine Art Idiot bin mit meinem Mitdenken und Engagement? Nichts
gegen Egoismus – mich stört, daß er unter dem Deckmantel der „Soziokultur“ und
des „Seid nett zueinander“ daherkommt. Ich mag diese Verlogenheit nicht. Es herrscht hier zunehmend ein falscher
Friede. Ich traue ihm nicht. Die Wahrheit, die ich erlebe, ist: Es herrscht
totale Konkurrenz, es passieren extreme Verdrängungs-Prozesse. * Und ich denke bisweilen: Mit dem Künstler-Volk, das sich
hier breit macht, möchte ich nichts zu tun haben. Mein Kunstbüro-Verein macht weiter
mit seinen Projekten und Aktivitäten, ich selber mit meinen Sachen auch. Aber
ich bin nicht mehr so offen wie früher. Und allen, die mit dem Gedanken
spielen, sich hier niederzulassen, möchte ich empfehlen: Überlegt es euch noch mal.
Andere Stadtteile sind doch auch spannend und attraktiv. Oder? Wir sind hier
genug Leute. Genug Künstler. Ich war viele Jahre viel zu bescheiden. Offenbar
ein Fehler? Oder kann ich nicht anders? *** Die Tränen trocknen, Till
Eulenspiegel lächelt schon wieder. ***
p.s. Die erwähnte #1 der ZS ELB-INSEL wird demnächst komplett
auf einer neuen Website nachzu-lesen sein, die vom Kunstbüro-Verein erstellt
wird. In ca. 4 Wochen soll die Website ins Internet gestellt werden *R.S.*
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