Das Cover
und der Titel gefallen mir. „Eine starke
Insel mitten in der Stadt“ ist ein politisches Buch. Die Herausgeber sehen
in Stärke offenbar etwas Positives. Der reich bebilderte Reader
wurde letzten Monat vom Verein Zukunft
Elbinsel herausgegeben. * Das Buch enthält gut 20 Artikel von diversen
AutorInnen mit einer Vielzahl von Themen, die die jüngere Geschichte der
Elb-Insel betreffen. 218 Seiten müssten eigentlich reichen, um alle
wesentlichen gesellschaftlichen Bereiche des Stadtteils immerhin zu streifen.
Weit gefehlt ... Auf S. 162-165 berichtet Melanie
Klein über Aktivitäten der
„engagierten Wilhelmsburger“. Diese Vereinigung sorgte in den letzten
Jahren immer wieder für Furore mit phantastischen und mutigen Aktionen. Sie
protestierte u.a. gegen die Hafenquerspange,
fehlende Lärm-schutzwände, trat als "Grüne Prostituierte" auf, um auf die Anbiederungstaktik grüner
PolitikerInnen hinzuweisen, zeigte katastrophale
Fehleinschätzungen bei der Gentrifi-zierung durch IBA, igs und Hamburger Senat
auf. Um nur einige der Aktionen zu nennen.* Ein weiteres Highlight in dem Band
ist eine von Jörg von Prodzinski gezogene
Bilanz über die massiven Umwälzungen, von der Parkanlagen, Biotope etc. in
Wilhelmsburg betroffen sind. Von P. weiß als Biologe und Ökologe, wovon er
spricht. Schnörkellos, frech, argu-mentierend auf hohem Niveau, aber auch mit
einer Portion Humor (etwa was den mitt-lerweile legendären „Sprung über die Elbe“ betrifft) deckt er auf, was ihn stört. Da
ist einiges. „IBA und igs – Verlust einer
großen Hoffnung. Oder: die Geschichte einer Spaltung“ heißt seine polemische
Attacke. Der Mann bringt es auf den
Punkt. Er schreibt spannend und unterhaltsam. Er weiß, daß er zu einer winzigen
Minderheit auf der Elb-Insel gehört, zu jeden nämlich, die tatsächlich Änderungen wollen und die sich nicht mit schönen Worten
begnügen. * Und sonst? ... Klaus Lübke „kenne“
ich aus diversen Ztg.-Artikeln und schätze den Mann, obwohl er SPD-Mitglied
ist. Er ist, untypisch für diese „Volks-Partei“, unbequem. Ein
Sympathie-Träger. Einer, der gegen den Strich bürstet. ... + sonst? Viel
Lächeln. Viele lächelnde Gesichter. Jasagende Gesichter. Argumente? Es sind
durchaus Leute darunter, die mir sympathisch
sind, Frauen wie Männer. NA UND? Gehe ich zu LIDL oder ALDI, treffe ich auch
immer nette, sympathische Leute. Die ein Lächeln für mich haben. Spätestens an
der Kasse. * Manuel Humburg spricht
vom „Bürger-Engagement als Motor der
Stadtent-wicklung“. Er ist selber Motor, als Mitbegründer des Vereins „Zukunft Elbinsel Wilhelms-burg“. Und als
solcher entscheidet er, welche AutorInnen zu diesem Reader eingeladen und
welche Themen behandelt werden. Das Buch ist förmlich auf den Mann
zugeschnitten. Er weiß sich selber in den Mittelpunkt zu setzen und taktisch clever echte oder
potentielle Unterstützer einzubeziehen. Manuel „Manni“ Humburg ist der Hugo
Chavez der Elb-Insel. Der venezolanische Politiker verkauft den Liter Benzin
für 1 oder 2 Cent an seine Lands-leute. Auf der Elb-Insel gibts keine
Ölvorkommen, aber dafür jeder Menge Zukunft. Sogar kostenlos! Naja, nicht für
alle, einige ziehen weg, weil die Mieten zu hoch werden, aber ansonsten gibt es
Zukunft satt! Humburgs und die Seiten
anderer Autoren sind überschrie-ben „Aus
der Geschichte lernen“. Schön gesagt – vor allem wenn man selber festlegt, wessen
Geschichte und welche Zeitabschnitte gemeint sind. Auf mehreren Seiten (55-57)
seines Artikels „Zur Entmythologisierung
von Weissbuch und Zukunftskonferenz Wil-helmsburg“ geht er auf die Wahlerfolge
„rechter“ Parteien auf der Elb-Insel ein. Ja, was für ein schlimmer
Schandfleck! Daß viele es wagten, „rechts“ zu wählen. „Entmythologisierung“
klingt schwer intellektuell, fast
wissenschaftlich. Humburg „entmythologisiert“, wie er behauptet. Und strickt gleichzeitig
am eigenen Mythos, der Schelm. Vergeblich suche ich in seinem, aber auch den
anderen Artikeln nach Hinweisen auf die ca. 600 durch igs- und IBA-Maßnahmen
vertriebenen Kleingärtner. Bei so viel bedrucktem Papier hätte man/Frau auch
diesen Menschen ein wenig Aufmerksamkeit schenken können. Mein Verdacht: Unter
den Schrebergärtnern waren etliche Schill-Wähler. Und solche Menschen haben keine Zukunft verdient – oder weshalb
werden sie hier einfach ausgeklammert? Und ich habe noch einen Verdacht, was die großen Wahlerfolge von DVU, Reps und
Schill auf der Elb-Insel betrifft: Gerade auch deshalb wurde Wilhelmsburg von maßgeblichen SPD-, CDU- und
Grünen-Politikern als Experimentierfläche für Gentrifizierungsmaßnahmen ausgewählt.
Als Strafe sozusagen. Neben dem
ökonomischen Kalkül: Wi.burg als Erweiterungsfläche für Hafen etc. - Zurück zu
den Texten: Ich suche (außer in den anfangs erwähnten) nach zündenden Ideen,
Geistesblitzen, richtig schlechten oder
richtig guten=brillanten Artikeln –
und finde nichts. Mittelmaß über
Mittelmaß. Gefälligkeit reiht sich an Gefälligkeit. Wenns irgendwie kritisch wird, wird’s zugleich
staubtrocken und langweilig. Nach dem Motto „Bloß nicht emotionalisieren!“ Der von mir erwähnte Prodzinski ist
fast die einzige Ausnahme. Er schreibt emotional
UND hat auch von der Sache her etwas zu sagen. Michael Rotschuh macht sich gleich auf 15 (fünfzehn!) Seiten breit
über die Hafenspange. Sich selbst beschreibt er als
„Alt-und-bald-Achtundsechziger“. Ist das witzig??? Der W.I.R. (Wil-helmsburger
Insel-Rundblick) wird mit 18 (achtzehn!) Seiten gepusht – und wozu? Seite um
Seite werden in chronologischer Reihenfolge Artikel aus den Jahren 2002 bis
2012 aufgelistet – ohne Abbildung. Die Auflistung zeigt, welche
Autoren und Themen für wichtig gehalten werden, und welche keine weitere
Erwähnung wert sind. Die Mischung aus Selbstbeweihräucherung und redaktioneller
Vetternwirtschaft, die sich wie ein roter Faden durch mindestens zwei Drittel
des Readers zieht, verdirbt mir ein wenig den Spaß an der Lektüre. Andererseits
gibt es einiges zu lachen, auch wenn es unfreiwillig komisch wirkt. Zum
Beispiel die seitenlangen Ergebenheits- und Gruß-Adressen zum Zehnjährigen des „Zukunft
Elbinsel“-Vereins. Es ist wie Fähnchen-Schwenken beim Kongreß der Volkskammer
der DDR. Dort war nur ausnahmsweise das Volk vertreten. Die sog. Volksvertreter
vertraten vor allem sich selber und ihre eigene Karriere. So ähnlich auch in
diesem Buch. *Dr. Buhmann*
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen