Ich war gewarnt worden: Der Matussek, das is aber
einer, Journalist!, und er war auch schon ganz anders, links und gegen
Kapitalismus. Jetzt feiert er den Erfolg. *
Was andere über Schriftsteller und Bücher sagen, interessiert mich. Oft.
Auch ich finde leicht was zu meckern und zu kritisieren, gerade bei
SPIEGEL-Autoren. War das Nachrichten-Magazin früher nicht viel kritischer? Was mir den
Kauf des MM-Buchs leicht macht, ist erstens
der Preis: 9,95 €. Da kann ich nicht viel falsch machen. Ausleihen ist
problematisch, denn ich kritzle beim Lesen alles voll. Außerdem ist es
spannend, jemandem beim Erfolg haben zuzusehen. Über zu viel Erfolg in Kunst
und Literatur kann ich nicht gerade klagen. Statt mich mit Vorliebe an
ver-kannte Genies, Übergangene und Außenseiter zu halten, wärs doch mal
interessant, die entge-gengesetzte Richtung einzuschlagen. * Los geht’s! Das
erste Kapitel heißt „Wir Deutschen“, die
Kurz-Inhaltsangabe verlautbart „Einführende
Erklä-rungen darüber, warum wir Deutsche prima sind und besonders die Briten
uns gern haben können.“ Ich lese Satz für Satz, der Text ist verständlich
geschrieben, schnell gelange ich in medias
res, zwei Dinge fallen mir auf: Matussek
meint es ernst mit dem, was er schreibt. Und dann ist da noch etwas, eine
leichte Distanz, Humor, und das bei
einem eigentlich schwierigen Thema.
Nationalität ist doch was Todernstes, oder? Der Autor ertappt einige Briten bei
ihrem Dünkel gegenüber Deutschland, aber das ist kein Grund traurig zu sein,
auch nicht wütend. Matussek kontrolliert seine Affekte, mal läßt er hier was
los, dann da, aber er verrennt sich nie – geht spielerisch mit Konflikten um, mit problematischen Situationen. Fördert
Konflikte. Ohne zu vereinfachen. Er kann aus dem Vollen schöpfen, läßt immer
wieder persönliche Erfahrungen einfließen, Auslandsaufenthalte mit Vor-liebe, unter
anderem das macht seine Schreibe lebendig. Ich bin fasziniert. Und wie er dann Heinrich
Heine präsentiert! Er fördert
keine neuen Informationen zutage, bringt mir aber den Mann kompakt, ohne
Schnörkel, in gutem Erzähl-Stil und mit Empathie auf die Finger. Was will ich
mehr? Und überhaupt Empathie. Davon
scheint MM eine Menge zu haben. „Stän-dig
war er unglücklich verliebt,“ schreibt er über HH, „und wenn er es nicht war, versuchte er es zu sein, um Worte und Verse
und Kapital daraus zu schlagen“. Wie praktisch. Wie zielbewusst! Skrupel
kannte der Mann offenbar nicht. „Heine
erfand das moderne Feuilleton. Er mischte alles zusammen, den historischen
Essay, den Boulevardbummel, den Gewissensappell, die Rezension, und vergaß
nicht den Tritt unter die Gürtellinie.“ Den Satz schreibe ich noch mal: „und
vergaß nicht den Tritt unter die Gürtellinie“ (S. 37). ** Die insgesamt
23 Kapitel enthalten kluge, gewitzte, informative Essays bzw. essayartige
Texte, und in einigen von diesen eingebaut sind Inter-views, u.a. mit Harald
Schmidt, Peter Sloterdijk, Heidi Klum. * „Heinrich Heine heißt das Vorbild des Autors, und dass er ihm in
einigen Passagen nahe kommt, gehört zu den Schönheiten des Buchs. Noch schöner
allerdings ist der Hang Matusseks zur polemischen politischen Inkorrekt-heit“. Schreibt
ZEIT-Autor M. Naumann über Matusseks Buch. Dem habe ich nichts
hinzu-zufügen. Doch: Ich bin süchtig nach political
non-correctness. **RS**
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