In Kassel fand am Samstag die 11. Bundesdelegiertenkonferenz der Montagsdemos statt. Tagungsort war das Philipp-Scheidemann-Haus
(Uni-Nähe). Stimmberechtigt waren 49 Dele-gierte von insgesamt 29 Montagsdemos.
Insgesamt soll es rund 100 Mo-Demos in Deutschland geben, also war knapp ein
Drittel vertreten. Überraschend für mich:
Das Fehlen von mehr als zwei Dritteln der existierenden Mo-Demos wurde
nicht thematisiert. Zu bereden gab es auch so jede Menge – die Tagung dauerte
gerade mal von 11 bis 16 Uhr 30. Da ich zum ersten mal dabei war –von der
HH-Montags-Demo an dritter Stelle gewählt, ein Mann fiel aus – war ich entsprechend
neugierig. * Wie schon am Mönckebergbrunnen war auch in Kassel für mich das
Erfreulichste das Offene Mikrofon. Es wurde ausgiebig genutzt von den
TeilnehmerInnen. Auf der rechten wie linken Seite des Saals bildeten sich
jeweils Warteschlangen... Es wurde strikt auf die Einhaltung der Redezeit (3
min) geachtet. Da meine Delegierten-Funktion nicht mit einem Mandat zu
konkreten Fragen verknüpft war, hatte ich den Kopf frei, um mich per Open Mike in die Diskussion
einzumischen. * Die deutschlandweite zentrale
Montags-Demo wird voraussichtlich am 19. Oktober in Berlin stattfinden.
Die Mehrheit der Delegierten war dafür; es gab auch nennenswerte Stimmen für
eine zentrale Demo VOR den Bundestagswahlen.
In den nächsten Tagen wird nach Recherchen des Koordinierungs-Ausschusses der Montags-Demo-Termin endgültig
bekannt gegeben. * Ein Delegierter
brachte ein Konzept-Papier ein für die Gründung einer Umwelt-Gewerkschaft. Ich
plädierte dagegen mit folgenden
Argumenten: Erstens hätten wir schon Greenpeace,
Robin Wood, Nabu, BUND u.a. Organisationen, die sich nachhaltig für
Umweltschutz einsetzten. Zweitens würde die Gründung einer neuen Gewerk-schaft
nur zu einer weiteren Zersplitterung der politischen Landschaft führen und
Kräfte binden, die anderswo gebraucht würden. Die Delegierten-Konferenz
verabschiedete keine Stellungnahme zu diesem Thema, sondern vertagte es. * Ausführlich
diskutiert wurde ein zentrales „grundsätzliches“ Papier für alle Montagsdemonstrationen,
das aus 9 Punkten be-steht. Ich hatte Bedenken beim Pt. 4: „Die Montagsdemonstrationsbewegung ist
auf antifa-schistischer Grundlage weltanschaulich offen. Wir grenzen uns
entschieden von Faschisten ab. Sie haben auf der Montagsdemo nichts zu
suchen.“ Ich habe Probleme mit dem
Begriff „Faschi-sten“. Wilhelmsburg ist ein Stadtteil, in dem seinerzeit Ronald
Schill 39 % der Stimmen bekam. Auch damals war von „Faschismus“ die Rede. Ich halte Schill-Wähler nicht für Nazis oder
Faschisten (nur ausnahmsweise), sondern für Protestwähler. Unter diesen Leuten
gibt es viele Arbeitslose und Geringverdienende. Politisch sind diese Leute
–von denen ich einige kenne- größtenteils uninteressiert bzw.: Sie lehnen die
Politik generell ab, egal ob rechts oder links. Meine Frage bzw. Bedenken
wurden von anderen Delegierten nicht geteilt. Die Formulierung wurde nicht geändert.
* In einem anderen Rede-Beitrag versuchte ich zum Ausdruck zu bringen, daß die
Bedeutung des Offenen Mikros auch darin liege, daß wir –jede/r von uns-
seine-ihre eigene Sprache entwickle. Die Sprache wird uns von den
Herrschenden, vom herrschenden System genommen
– manipuliert – vorgeschrieben –
aufoktroyiert – zurechtge-bogen oder wie immer man das beschreiben mag.
Sprache ist aber ein dynamisches
äußerst komplexes System, das es zu gestalten
gilt. Vielleicht klingt es etwas pathetisch, aber ich meine: Unsere eigene, unverwechselbare Sprache müssen
wir uns „erobern“. Dieser mein Redebei-trag ging, so schien mir, komplett unter. Offenbar waren meine Hörerinnen
überfordert. * So fuhr ich denn, um etliche Eindrücke und Gedanken reicher,
zurück nach Hamburg. **RS**
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