Samstag, 29. Dezember 2012

Matussek: Das katholische Abenteuer


Das 2011 erschienene Buch trägt den Untertitel „Eine Provokation“. Ach, denkich, p r o v o z i e r e n?  SPIEGEL-Matussek will p r o v o z i e r e n?  „Vor Spielbeginn“ ist das Vorwort überschrieben. – „Das Ganze nur ein Spiel?“ ... ich lasse mich tatsächlich provozieren. Ich bin leicht empört, denn ich traue dem SPIEGEL nicht: Dessen Wahrheiten sind auf Quote angelegt, dieser Journalismus ist fixiert auf den Verkaufswert von Nachrichten; so ein Deal ist in meinen Augen leicht minderwertig. * Aber dann beginne ich Sätze anzukreuzen, zu unterstreichen, z.B. S. 10 „Mich haben schon immer Men-schen interessiert, die sich in eine andere Sphäre spannen. Die mit einem Bein in der Luft leben. Die Träumer, Romantiker, Dichter, Lebensdeppen, heiligen Idioten, ungelenken Stümper, Randmenschen, Größenwahnsinnigen, Kleinmütigen, Gottesvergifteten.“ Das klingt interessant, da kann ich was mit anfangen denkich; NICHT gemeint sind jedenfalls die Normalmenschen, also z.B. die, die mir bei meiner Lohnarbeit auf die Nerven gehen ... weil sie abgestumpft sind und NICHTS merken. Was meint Matussek mit „Gottesvergifteten“? – Der nächste Satz, den ich mit Bleistift unterstreiche, steht auf S. 11: „Wir schwimmen in einem Ozean aus Relativierungen...“  Und ein paar Zeilen weiter „Zur Polemik: Es geht nicht ohne“. Ein  Satz nach meinem Geschmack.  Mein Podium = Blogseite ist vergleichsweise winzig, aber fest steht: Polemiker bin auch ich. Ich will mich hineinschreiben in die Herzen oder Hirn-Regionen meiner Leser. Nächster Matussek-Satz: „Das Beten haben wir verlernt, aber nicht das Streiten...“ WAS, denke ich, „wir“? Ist das nicht ein TRICK?: Der Autor bietet sich als Identifikations-Figur an, denn eigentlich ist er doch ALLEIN, oder! Immer noch S. 11: „Unsere Bewusstlosigkeiten und die Zerstreutheiten in den Komfortzonen nehmen zu“ ... Oke ... setze ich meinen inneren Dialog mit dem Autor fort, blättere weiter, kritzle wild herum. Ich bin ein ziemlich mißtrauischer Leser, vor allem wenn ein Autor mir das „wir“ anbietet , d.h. auf Identifikation setzt. * Das erste Kapitel im ersten Abschnitt ist überschrieben „Training mit dem Teufel“ und beinhaltet eine aktuelle Abhandlung der sieben Tod-sünden. Aktuell, aber keineswegs modisch. Ich bin zwar katholisch, aber ein schlechter Kathole bzw. ein Sünder. Matussek ist kein Katechet oder Scholastiker, sondern bezieht sich in seinen Statements zu den Todsünden auf sehr weltliche, hochpolitische, im zumindest weiteren Sinn religiöse Dinge, er polemisiert. Das gefällt mir. Inzwischen kritzle ich die Seiten voll + kreuze Sätze an, die ich zitieren will. * Der Abschnitt S. 43-78 ist mit „Das katholische Abenteuer“ überschrieben. Die einzelnen Kapitel behandeln chronologisch die VITA des Autors, d.h. seine Entwicklung als Katholik. Eine literarische Selbstdarstellung. Es ist tatsächlich eine Entwicklung zu spüren. Ich stecke da, vergleichsweise, voller Ressentiments. Trotz. * „Der Thrill der Wahrheit“ S. 79-87 – jetzt wird’s endgültig wirklich spannend, es geht ans „Eingemachte“, bei MIR jedenfalls bei DEM Thema. * S. 88: „Spielbericht: Ohne Gott läuft garnichts“ ist das Kapitel überschrieben. Haha, behauptet der Autor, denke ich. Der Autor ruft etwas in mir hervor (: bin provoziert). S. 90 finde ich wieder etwas zum Zitieren, Sätze des „Pater Brown“-Erfinders G. Chesterton: „Das mystische Moment ist es, was den Menschen im Laufe ihrer Geschichte die Gesundheit erhalten hat. Solange es das Mysterium gibt, bleiben die Menschen gesund, zerstört man es, liefert man sie dem Verfall aus.“ Ist das wirklich WAHR? Diese Sätze geben mir zu denken. Man braucht RAUM zum Denken ... Ich lese mich tiefer und tiefer in das Taschenbuch hinein, mache Anmerkungen. + sehe NUN, nach der Lektüre des Kapitels „Die Axt Gottes“, den 2000 verstorbenen + höchst provokanten Erzbischof DYBA positiv ... eher positiv als negativ ...  Sogar DEN sehe ich jetzt eher positiv, denn er war ein Vertreter der alten Kirche, die noch strenge Normen vertrat ... Matussek macht Mut, zu unbequemen Meinungen zu stehen, wie Dyba es auch tat.  * Das Buch umfasst gut 360 Seiten + ist die 9,99 € wert, die ich zahlte. Dem Autor gelingt es, mich zeitweise aus meiner Reserve zu locken. Vielleicht ist es gar nicht mal schlecht, ein paar Ressentiments zu bewahren. Und sich gleichzeitig anregen zu lassen ... DENKICH   **RS**

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