Ich lese Bücher, weil ich
Identifizierungs-Möglichkeiten suche. Ich suche mich mit Anderen zu iden-tifizieren. Offenbar fehlt mir so, wie ich bin,
etwas. Natürlich haben weder Limonow noch
andere Dichter an mich gedacht, als
sie ihre Romane, Erzählungen, Gedichte zu Papier brachten. Sie kennen mich gar
nicht und werden mich kaum jemals kennen lernen. Aber ich lese diese Dichter
und Schrift-steller, weil ich auf der Suche danach bin, wie ich selbst anders werden könnte. Ist das verrückt?
: Über Lektüren ein Anderer werden zu
wollen als der, der man gerade ist? * Ich streiche Sätze in Büchern an. Gute Dichter
und Schriftsteller sind solche, in deren Büchern ich Sätze finde und manchmal
abschreibe, um ihre Wirkung auf mich zusätzlich zum Lesen noch zu verstärken.
Als ob ich Pillen einnehme, geistige Nah-rung. Entweder bestätigen die Sätze mich – oder sie weisen mir eine Richtung zu
denken, aber auch zu empfinden, auf die ich nicht gekommen wäre oder die ich mich
nicht getraut hätte. * Eduard Limonows „Fuck Off, Amerika“ enthält einige
Sätze, die mich bestätigen oder mich auf Tendenzen bzw. Richtungen verweisen,
die für mich wenn nicht gut, so doch immerhin verlockend sind. Beispiele: S.109/110: „Carol fragte mich, ob
ich nicht Lust hätte, in ihre Partei einzutreten. Nein, ich hatte keine Lust.
Intellektuellenclubs stoßen mich ab. Ich halte nichts von diesen Versammlungen,
die man sitzend absolviert, um sich anschließend zu trennen und am nächsten
Morgen wieder zur Ar-beit zu gehen …“
S.112: „Ich werde magisch von allem angezogen, was aus der Rolle
fällt.“ S. 115: „Ich verletze die
Leute gern in ihrem Nationalgefühl“, erklärte ich ihr. S. 129: „Dieses
provinzielle Verlangen, alle anderen zu übertreffen, die beste zu sein … Ich
bin übrigens genauso.“ S. 155: „Denn
viele Frauen, die sich emanzipiert nennen, …sind Monster an Gleichgültigkeit geworden.
… Ich hasse die Zivilisation, die sich mit der mörderischsten Redewendung seit
Anbeginn der Menschheit iden-tifiziert: „Das ist dein Problem“. In diesem kurzen Satz … liegt Rücksichtslosigkeit
und Sadismus.“ S. 157: „Den Beruf
wechseln, okay, aber kann man auch die Seele wechseln?“ S. 158: „Wir
dachten, die Sowjetunion sei das Paradies der Mittelmäßigen, doch in Amerika
wisse man Begabung zu schätzen. Welch ein Irrtum! Dort herrscht das
ideologische Kalkül, hier das kommerzielle.“ usw. Es gibt noch eine ganze Menge anderer
Sätze, die ich hier zitieren könnte. Nicht nur diese, sondern auch die meisten
übrigen Sätze, die die Zusammenhänge mit dem Rest herstellen, lohnen sich.
Limonow kann erzählen, spannend und provokativ (etwas in mir hervorrufend). Und
er hat eine message, eine Botschaft.
Nur das Kapitel „Wiedersehen mit Helena“ (S.
229-260), in dem er sich noch einmal ausgiebig einem seiner Haupt-Themen:
„Meine große Liebe und ich“ widmet, ist mir auf die Nerven gegangen. Obwohl er
auch hier zeigt, daß er schreiben kann. * KiWi, 280 Seiten, 8 € 90
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