Der SPIEGEL führte in Brasilien ein Gespräch mit dem
73-jährigen Befreiungstheologen Leo-nardo
Boff. Der Mann verstand sich bis in die 80-er Jahre gut mit Josef
Ratzinger, bis er mit seinen ketzerischen Thesen zunehmend in Ungnade fiel,
immer mehr unter Druck gesetzt wurde. 1992 trat er aus dem Franziskaner-Orden
aus und legte sein Priesteramt nieder. Boff
wird Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XIII vor, primär damit
beschäftigt zu sein, den Machtapparat des Vatikan zu stärken, statt für
Aufbruchstimmung zu sorgen. „Die Kirche
von heute hat den Menschen in ihrem Alltagsleben nichts mehr zu sagen.“ Dieser Vorwurf ist nicht neu. Seit den
60-er/70-er Jahren hat die Kirche in Deutschland stets an Zulauf und
Mitgliedern verloren. Die Frage ist m.E., inwieweit die katholische Kirche ihre
zweifellos immer noch sehr große Macht auflockern und für tiefgreifende
Reformen öffnen kann, ohne daß es am Ende dieses Prozesses der ganze Apparat
zerfällt. * Ich möchte Boff in sehr
vielem zustimmen, ganz zu schweigen davon, daß er ein ehrenwerter und höchst
respektabler Mensch ist, der sein ganzes Leben christlichen Ideen gewidmet hat.
Es gibt aber große Unterschiede etwa zwischen Lateinamerika, wo oftmals noch
feudale Strukturen herrschen mit bitterer Armut und Massenelend, während in
Europa und speziell in Deutschland ganz andere Lebensbedin-gungen
herrschen. Kann die katholische Kirche
de-zentralisiert werden? * Das SPIEGEL-Interview ist interessant, weil Leonardo Boff ein Kenner der Kirche und
genauer Beobachter ist. Er vergleicht den jetzigen Papst mit seinem Vorgänger:
Papst Johannes Paul II. „war anders als
Ratzinger ein Charismatiker, allerdings ein schwacher Theologe. Er konnte auf
Menschen zugehen und sich ihrer Probleme annehmen. Er hatte eben nur diese
Marxismus-Phobie, die er mit sich herumschleppte. Aber spätestens nach dem Fall
der Berliner Mauer spielte nicht einmal für die radi-kalsten der
Befreiungstheologen der real existierende Sozialismus eine Rolle mehr. ... Bei
einem Besuch brasilianischer Bischöfe in Rom sagte er dann wenige Jahre vor
seinem Tod, er verstehe uns endlich. Und er bestätigte das gegenüber dem
Kardinal Evaristo Arns: „Unter den Umständen von Un-terdrückung kann die
Befreiungstheologie nicht nur nützlich, sondern sogar notwendig sein“. * Es
gibt eine ganze Reihe von Büchern des Befreiungs-Theologen, z.B. „Kirche: Charisma und Macht: 25 Jahre
Befreiungstheologie“, „Die Erde ist uns anvertraut: Eine ökologi-sche
Spiritualität“, „Leonardo Boff und die protestantische Theologie“, „Die Kirche
neu erfinden“ ua Auf You Tube gibt’s eine Menge Film-Material
mit Vorträgen und Interviews mit Professor Boff. **RS**
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