Vor mir liegen 2 Ausgabe der A5-formatigen ZEITSCHRIFT
bzw.: des FANZINE „Die Wanze“. Der Name ist doppelsinnig zu verstehen, zum
Einen jenes Insekt meinend, das sich ungezügelt vermehrt und in Küchen und Speisekammern anzutreffen ist, wo es jedoch eher im Verbor-genen lebt.. Wanzen gelten als
intelligent und anpassungsfähig.. Die andere Bedeutung von Wanze
ist Abhörgerät. „Die Wanze“, Untertitel
„Newsletter der Social-Beat-Bewegung“, war,
mit ironischem Understatement, eine Art Zentral-Organ. Die wechselnden Herausgeber gewährten sich gegenseitig Spielraum in diesem Dichter- und Literaten-Magazin, mißtrauten sich
aber auch gleichzeitig. Nach dem Leninschen Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Offenheit ist erwünscht – aber bilde dir nicht
ein, daß du mir ein X für ein U vormachen kannst. * Als ich zur social beat-BEWEGUNG stieß, im Sommer
1995, hatte der SB schon einige Jahre im UNDERGROUND
agitiert, gelebt, sich geräuspert, Filialen in Deutschland gebildet,
Festivals organisiert und gegen die „offizielle“ Literatur-Szene von Unten gestänkert. Soweit die Kraft dazu
und ein echter Glaube an das Andere vorhanden
war. * Die Wanze # 11, das
Cover-Blatt auf grünem, die übrigen 60 Seiten auf beigem, rotem, hell-grünem usw.
Papier gedruckt, erschien ca. im Herbst 1996/97. Ich hatte es geschafft, nach
einem Jahr, in einen erlesenen Kreis aufgenommen zu werden. Die Auflistung von
SB-Aktivi-täten umfasst insgesamt 68 Orte, bis auf wenige schweizer, öster-reichische
und eine portugie-sische alle in Deutschland. Genannt werden Personen,
Zeitschriften, Verlage, Gruppen. Unter „Hamburg“ werden Christian Buhl und die von ihm edierte ZS HUNDSPOST aufgelistet, außer-dem meine ZS herzGalopp sowie mein Name, außerdem Yves dos Santos und seine Edition rausch!TAPES. Für C.Buhl organisierte ich eine Lesung in der Buchhandlung
Lüdemann in Wi-burg. Der Kontakt hielt nicht lange – die ZS wurde bald
eingestellt. CB konzentrierte sich auf sein Studium und später auf seinen
Rechtsanwalt-Beruf. Y.d.Santos traf ich ein paar mal, bevor er nach Portugal
emigrierte. Er stellte ein paar interessante Collagen her, seine
Geräusch-Kassetten überzeugten mich nicht. Er sah in mir eine Art Beat-Spießer.
Die Wanze # 11 enthält etliche Ztg.-Artikel, essayartige Berichte, Rezensionen,
Leserbriefe, Texte und Grafiken bunt gemischt. Von mir selber ist ein knapp
anderthalb Seiten langer „Rückblick auf das Social Beat & Act-Festival Münster 1-4-11-1996“ abgedruckt. Ich staune über mich selber, wie
klar ich mich ausdrückte, und dabei die Komplexität des Ganzen im Auge hatte. Eigen-Zitat S. 19: „Ich bin viele Jahre nicht mehr in Polit-Gruppen gewesen und habe
bewußt Distanz zu ihnen gehalten. Nicht, weil ich mich als unpolitisch
begreife, sondern weil ich die Auseinandersetzung damals, das ganze Mit- und
vor allem Gegen-einander in diesen Gruppierungen, als (für mich) LETZTLICH
UNFRUCHTBAR, UNBEFRIEDIGEND, IRGENDWIE STERIL EMPFUNDEN UND ERLEBT HABE: Es
fehlte das ganz Persönliche, Herzliche, Gefühlsmäßige. Rationalität ist
mitunter sehr wichtig, aber ich habe nicht nur einen Kopf, sondern auch Bauch
und unterleib, die ich aber in meine Polit-Arbeit in den 70-er Jahren nie habe
integrieren können (FAST nie). Ich denke, social act + beat ist ein Feld, um
politisch zu sein UND zugleich auch privatere, intimere Dinge darzustellen und
einzubeziehen (was wohl nur gelingen kann, wenn es so etwas wie einen
Schutzrahmen gibt).“ ::: Die hier von mir vor 16 Jahren vertretene Position
und die aufgeführten „Inhalte“ decken sich größtenteils mit dem, was ich heute
in Wilhelmsburg an der Polit-Szene vermisse und erlebe. – Der gesamte
Leserbrief (1996) von mir kann (demnächst!) nachgelesen werden auf der Web-site „Wilhelmsburger Kunstbüro & Freunde“ http://kunstbuero-wilhelmsburg.com/.
Herausgeber der WANZE # 11 war der LICHTERLOH-Verlag in Leipzig. *** Vielleicht
ist diese Zeit zum Jahres-Ende eine gute Gelegenheit, nicht nur 2012 Revue
passieren zu lassen, sondern auch andere Dinge-Ereignisse-Bewegungen in
Erinnerung zu rufen. Einige Projekte sind, gemessen an den Zielen und hohen
Erwartungen, gescheitert. Waren aber nicht sinnlos. Bei mir
zumindest trugen sie zur Bewußtseins-Bildung bei. Ich blieb auf der
Loser-Seite, machte aber Erfahrungen und bekam Anregungen, die mich lebendig
hielten. **RS**
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