Donnerstag, 4. September 2014

Schriftsteller auf der Kanzel

"Wir Künstler", behauptet Lars Brandt, 63-jähriger Sohn unseres ehem. Bundeskanzlers Willy in einem der letzten SPIEGEL "sind zu müde für echte Debatten, für Neugier auf das, was außerhalb des Hauptstroms der vorfabrizierten Gedanken liegt." "Wir Künstler ..." - sagte lange niemand mehr. Beuys ist mittlerweile out - bzw. zur Galionsfigur unserer Kultur-Beamten geworden. "Wir Künstler" umfasst ein Spektrum zwischen Aborigines und Gruppe Zebra, zwischen 3- und 100-jährigen, schwarz und weiß und rot und gelb. Zwischen linksradikal und rechts-orientiert, zwischen bürgerlich und "Underground". Künstler sind die, die eigene Welten generieren. Malend, singend, schreibend, spielend, tanzend, bildhauernd usw. Jeder ist "es", d.h. Künstler. Zwischen profit-orientiert und experimentell und autistisch. Künstler - sind bekannt für Egomanie und chamäleonhafte Anpas-sungsfähigkeit: Dafür, daß sie genau das machen wollen, was sie für richtig halten. Künstler sind die, die sich vehement dagegen sperren, vor einen Karren gespannt zu werden. Es sei denn, der Karren findet viel mediale Aufmerksamkeit. Es sei denn, sie werden bezahlt dafür, daß sie an dem Ding ziehen, der im Dreck steckt. ** Brandt möchte gegen Faschismus und Abstumpfung mobilisieren. Der SPIEGEL gewährt ihm die Prediger-Kanzel. Seine Worte sind sehr durchdacht, intelligent, sensibel. Und skrupulös. Aber auch kämpferisch. Kein Vereinfacher schwingt hier das Wort. Ich kniee aber nicht in dieser Kirche, sondern stehe nahe beim Ausgang. Damit ich schnell verschwinden kann. Der Prediger machte mich neugierig. Ich hörte in meinem Leben schon viele Moralpredigten. Lars Brandt sieht Europa vom Faschismus bedroht. Diesen "oberflächlich weichgespülten Faschismus" gelte es zu bekämpfen. "Demokratisch gewählte Rechtsextremisten greifen das liberale Menschenbild Europas an. Künstler sollten es nun verteidigen", meint der Autor. Einige Argumente kommen mir, auch wenn der Mann es sich nicht einfach macht, heruntergeleiert vor. "Antijüdischer Hass regt sich immer unverblümter". Brandt übertreibt. "Immer unverblümter"? Antisemitismus ist nicht neu, es gab ihn deutlich erkennbar auch in den 70-er Jahren. Wie auch die Panikmache vor der NPD und anderen rechtsradikalen bzw. faschistischen Parteien. Lars Brandt ist alt genug, um die damaligen Tendenzen z.B. in Deutschland, Italien und Spanien erlebt zu haben. "Irgendwie kalter Kaffee", denke ich, und schiele zur Ausgangstür der Kirche. Damals ging ich häufig zu Demos. - Was brachte mir das Mitmarschieren? Verhinderte ich eine Diktatur? Der Prediger will mich bei meiner Sensibilität packen. Angeblich sind "wir" abgestumpft. Angeblich hab ich mich an den schleichenden Faschismus in Europa gewöhnt. Ich gehe jetzt. Ja! Niemand beachtet mich - oder? Ein Schritt und ich bin draußen. Ich hab andere Sorgen ... Bin wieder "arbeitslos". Morgen muß ich zum Arbeitsamt. Meine Miete wurde um 50 € erhöht. Außerdem bekam ich gerade die Nebenkostenabrechnung für 2013 zugeschickt: 312 € soll ich nachzahlen. Wie gut, daß heute nicht Markttag ist. Da stehn nämlich die Leute von der CDU und SPD usw. neben der Kirche und wollen mir ihre Infos unterjubeln. Ich ertrage deren Sprüche und Zettel nicht. + 12 Meter weiter stehen die von den Linken, Grünen und Bürger-Initiativen.
Ich stehe für WBI (Wutbürger-Initiative).  





                                                              

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