Samstag, 28. April 2012

1. Mai - Revolution ?

Pünktlich zum 1. Mai finden wir, wie jedes Jahr, entsprechende Aufrufe in den Straßen. REVO-LUTION! Die Plakate haben etwas Farbiges, Buntes, Folkloristisches. Sie regen die Phantasie ungemein an – meine jedenfalls.  + so ergänze ich das Plakat, das ich gestern bei mir „um die Ecke“ fotografierte, um ein Foto der chinesischen „Roten Brigaden“ (von mir leicht verfremdet). + um ein Teil aus meiner Briefmarken-Sammlung: Lenin auf einer sowjetischen Marke von 1987 (Ausschnitt aus einem Block). * Ich bin auch für REVOLUTION. Wenn unsere Revolutionäre da ansetzen, wo das tägliche Elend spürbar ist. Ich rede hier nicht von der materiellen Armut, die sich angeblich bei uns breitmacht, und der Hysterie und dem Geschrei darum.  Ich meine die Verdummung (geistig) und Verblödung (psychisch), die in unserer Gesellschaft voranschreiten. Man begegnet dem psychischen Elend praktisch jeden Tag; auch auf der Straße. In Wilhelms-burg. Dagegen hilft kein Stein, dagegen hilft keine Vermummung, dagegen hilft auch kein dia-lektischer Materialismus. Weder rechte noch linke Ideologie helfen dagegen.  Das einzige, was helfen könnte, wäre, daß wir selber unseren Alltag lebenswerter und erträglicher machen; daß wir selber die Entfremdung, die uns durch das System aufgezwungen ist, aufheben. Dazu müss-ten wir uns aber selbst erkennen UND anfangen, miteinander über die Dinge zu sprechen,  die von Bedeutung sind.  Ich meine damit nicht „die Politik“.  * Selbsterkenntnis: Was für eine schwie-rige Angelegenheit. Es ist allemal leichter, die Fehler nur beim politischen Gegner, das Übel beim ideologischen Feind, das Böse bei der Konkur-renz zu sichten. * Ich bin auch für Revolution. Der Ansatz muß jedoch stimmen.  Straßenkampf und Vermummung vergrößern nur alte  Probleme (die wir längst kennen) + bieten nur einigen Hundertschaften Polizei zwangsweise ungeliebte Überstunden und einigen Journalisten + Bloggern (also auch mir) einen Anreiz, Worthülsen zu Papier zu bringen (bzw. ins Internet zu stellen). Wollen wir das? ***   

Donnerstag, 26. April 2012

Mutig, mutiger, am ...

MB (= Mein Bekannter) ist offenbar vernarrt in mein Schaufenster im Otterhaken. Er lobte mich schon mehrmals für diese, wie er meint, "Showfenster" und das Risiko, das ich eingehe.  Dieses mal brachte er eine Flasche Wein mit.  Ich hatte nur wenig Zeit, aber ich holte einen Korken-zieher und zwei Gläser aus dem Küchenschrank. „Prost!“  - „Nasdrowje“ – „Salute“  - „Wohl bekomm’s!“ – „Chin Chin!“  - so ging es hin und her.  Dabei hatte keiner von uns Geburtstag oder im Lotto gewonnen. „Du weißt, ich feiere selten. Und wenn, dann muß auch ein Grund vorhanden sein.“  - „Ich finde, jeder Tag ist ein Grund zu feiern.“ - ??? – „Ich meine, daß wir noch am Leben sind.“ ??? – „Was ich noch sagen wollte: Das geht ja jetzt richtig ab mit deinem Fenster draußen. Drum herum wird alles vollgesprüht.“ – „Ich find’s nicht unbedingt gut.“ – „Was sagt denn der Hausbesitzer?“ -  „Frag ihn mal! - Am liebsten würde ich, wenn ich das entscheiden könnte,  Holzbretter aufschrauben und darauf plakatieren. Wenn dann jemand Parolen sprüht, ist es nicht so wild. Ich befürchte, daß irgendwann die Mieter die Kosten zu tragen haben, wenn die Wand neu gestrichen wird wegen der Sprayerei. – „Ich kenne niemanden im Stadtteil, der so mutig ist wie Du.“ – „Ach Quatsch“, wiegelte ich ab. „Da gibt’s noch ganz andere Leute“. – „Wenn alle so mutig wären wie Du, dann sähe die Gesellschaft anders aus. Besser.“  Es war mir peinlich, in dieser Weise gelobt zu werden. „Mut kann ein Fehler sein. ZU VIEL MUT. Wenn Du meinst, daß ich der mutigste Mensch bin –„Mut, mutiger – Samson“  (HA HA HA) unterbrach mich MB. – „Also irgendwo siehst du die Sache nicht ganz richtig.“ – „Wieso? Ich kenne dich nicht anders. Immer vorneweg.“ – „Jetzt hör mal gut zu“, sagte ich und schaute auf die Uhr. „Es bleibt immer ein Rest Angst. Immer. ... Und Feigheit ... kann mitunter gut sein.“ – „Feigheit?“ – „Ja, genau.“   *R.S.*     

Mittwoch, 25. April 2012

Gestern abend im Westend



Ein geschrumpfter Kreis (nur 15 Personen – „nur“) mit lockerem Programm. Wie immer kam vieles anders als geplant. Darijana Hahn und Günter Kutzke lasen Texte. Christine Käfer trug auch Geschriebenes vor -  und präsentierte anschließend ihre Taschen, sehr phantastische Teile: Zum Umhängen, aber auch auf dem Kopf zu tragen. Es passiert also einiges in der Wilhelms-burger Mode-Szene! Helmut spielte wieder Saxophon, molto importante!, ich erzählte vom Klaus Lemke-Abend mit seinem neuen Film „Berlin für Helden“ und „Rocker“ von 1972. Lemke stieß nicht auf ungeteilte Zustimmung. Über Ästhetik läßt sich schwer diskutieren – dieser Blog ist nicht mehr als ein Statement. Auch wenn Lemke für seinen neuen Film vom ZDF Geld bekommt – seine Produktions- und Arbeits-Methoden bleiben ungewöhnlich. Auch mit vergleichsweise geringem Budget läßt sich also Großartiges erreichen. Für die Malerei und das Schreiben gilt das erst recht. Das Kunstbüro Wilhelmsburg verschmäht Geld nicht – wir verbiegen uns jedoch nicht dafür. Im Mittelpunkt steht Anderes.  * Howgh! Dr. Buhmann hat ge-s-p-roken   *     p.s. Das nächste Wort-Kunst-Poetry- event findet am 22.5. (Dienstag) statt. Wie zuletzt im WESTEND, Vogelhüttendeich 17, ab 19 Uhr 30.      *R.S.* 

Dienstag, 24. April 2012

WortKunst-Poetry # 4

Vielleicht kommt dieser Hinweis zu SPÄT - aber womöglich wird doch noch eine Leser/in auf die Veran-staltung aufmerksam: Heute abend steigt im WESTEND, Vogelhüttendeich 17, ab 19 Uhr 30 der 4. WortKunst-Poetry- Abend in diesem Jahr. * Jede/r AutorIn hat die Möglichkeit, bis zu 10 Minuten eigene Texte vorzulesen oder zu performen - wie auch immer (singend, tanzend, mit + ohne Instrumente ...). * Und vorher, ab 18 Uhr, gibt es das monatliche Abendessen des Kunstbüro Wilhelmsburg. * Das WEST-END erreicht ihr mit dem 13-er Bus (Haltestelle Stübenplatz - ist näher als Haltestelle Vogelhüttendeich!). *R.S.*  

Neues Zeitalter - neue Religion?

Mensch, hat der Mann ein Durchhalte-Vermögen! Er schickte mir bereits die Folgen 6 und 7 seiner Text-Hefte „Magie des Neuen Zeitalters“.  * Das Vorwort von # 6 beginnt so: „Die Zeitenwende ist eine Grenzüberschreitung! Unsere Tägliche „Normalität“ und KonVention müssen in diesem Sinne in Frage Gestellt werden. / Punkt aus. // Wie schwierig ist Aber dies, wenn man SeLbst Glaubt, nicht zu Den „Losern“ (Luusern) der Bestehenden Ordnung zu Gehören? // Im Vorliegenden Buch wollen wir die allTägliche Gewohnte – und gemeinsame Wirtschaft in eiNer weise in Frage stellen, dass die Leser den Gang der SEHR dringenden wirtSchaftlichen und somit gesellSchaftlichen Erneuerung begreifen und ANschLießend diesen UnterStützen können.“  Ich lese das so: Zunächst konstatiert der Autor eine Banalität; aus der weder Herz- noch Hirn erschreckenden Feststellung, daß die Zeitenwende eine Grenzüber-schreitung sei, fordert J.T., daß unsere tägliche „Normalität“ und Konvention in Frage gestellt werden müssen. Der Autor macht sich nicht die Mühe, zu erklären, welche Zeitenwende er meint, sondern ergießt sich dann –mehr oder weniger spontan- mit seinen Gedanken aufs Papier. Zum x-ten Male konstatiere ich für mich: Hier schreibt ein Autor auf höchstem abstrakten Niveau von sich selber – suggeriert aber beim Leser durch die WIR-Form, daß er, der Autor, im Namen einer nicht definierten Gemeinschaft schreibe. ... Und das über 87 Seiten! Kein Zweifel, keine Unsicher-heit, keine Skrupel, keine Bescheidenheit, keine Vorsicht scheinen den Mann von seinem Vorhaben abhalten zu können, der Welt die 20. oder 30. Ausgabe (es gibt noch andere Serien als „Magie des neuen Zeitalters“  von Jannes Kazzomi Tashiro) seiner Visionen und Rettungs-Ideen zu bescheren – in der Manier eines Religions-Stifters. Vielleicht glaubt Jannes selber daran – ich nicht. Ich langweile mich allmählich, weil der Autor –mit leicht geänderten Formu-lierungen; ach ja, neuerdings wird die korrekte deutsche Schreibweise variiert- seit Jahren den gleichen Duktus kultiviert und offenbar unbeirrbar an seine thesenartigen Erzählungen glaubt. Wie schrieb er  mir, der schon einige kritische Rezensionen  verfasste: „Von mir aus schreibst du wieder einen Total-Verriß. Hauptsache Reklame!“ *  Ist dies ein Verriß? Klar ist: Worüber Tashiro hunderte, ja tausende Seiten füllt, darüber haben schon hunderte, ja tausende andere AutorInnen geschrie-ben. Es gibt ganze Bücherregale, ja Bibliotheken zu den Themen, die dieser Autor anreißt. Wer seinen schlichten Lösungs-Vorschlägen glaubt., wird selig. Vielleicht braucht man/Frau dazu ein mehr kindliches Gemüt als ich. * Wer mehr lesen will von Jannes Tashiro, besuche den in Japan geborenen und seit Jahrzehnten in Kiel lebenden Autor auf seinen Websites: www.wege-zum-urvertrauen.de und www.visionisten.info    *R.S.* 

Staats-Schutz

Bye bye, alter Ausweis - der neue kommt in 3 Wochen. * Die Fähigkeit zur Kontrolle und Überwachung durch den Staat wird weiter perfektioniert. Aber noch wird nicht ALLES in das Perso-Dokument einge-schweißt, ein-programmiert. * Ich war nicht einverstanden, daß mein Fingerabdruck auf den neuen Perso kommt. Das musste ich unterschreiben. Auch das (insg. 5 Unterschriften). * Die Fotos werden (längst) nach europaweit festgelegter Norm gemacht. Ich hatte eines dabei, das für meinen Führerschein in einer sprechenden Automaten-Box entstanden war. Alles klar? * Sicherheit über alles. Der sichere Mensch. Der sichere Behörden-Apparat. Der sichere Staat. Der sichere Fahrplan. Der sichere Stadtteil (funktioniert noch nicht). * Natürlich bleibt immer ein Rest Unsicherheit. Bei JEDEM Menschen. Immer. Auch wenn mir die Pistole oder eine bürokratische Tatze auf die Brust gesetzt wird. Ich singe trotzdem nicht: JA, ich glaube an den Staat und seine heilige bürokratische Sprache. NEIN, sage ich. ich tue nur so. Als glaubte ich daran. Ich rede mit. Das erspart Ärger. Und Ärger bedeutet Energie-Verlust. * Brav stieg ich am 13-er vorne ein + zeugte meinen Fahrschein. Nur eine fehlte mir: EIn Fließband, das mich vom Wilhelmsbur-ger Ortsamt zur Bushaltestelle befördert.   *R.S.*  (Chamäleon aus alter Zeit)

Samstag, 21. April 2012

w.i.r. april/mai 2012

Gregor Waschkowski ist Wanderruderwart im Wilhelmsburger Ruder Club von 1895 e.V.  Er beschreibt detailliert und belegt anhand konkreter Zahlen, was für ein Irrsinn bzw. Schildbürger-streich die 26 Mill. € teure neue Schleuse für einige Wilhelmsburger und Besucher bedeutet. Die bisherige Dauer des Schleusengangs vervielfacht sich. Ein Beispiel: Je nach Wasserstand (Tide) dauerte ein Schleusengang bisher 5-15 Minuten. Bei der neuen Schleuse soll der Vorgang 15-30 Minuten dauern.  Bei einer Tour muß eine Barkasse zweimal durch die Schleuse, wird also mindestens 30 Minuten aufgehalten. Waschkowski rechnet vor: Eine Barkasse zu mieten kostet 300 € pro Stunde. Allein die halbe Stunde Wartezeit würden also 150 € kosten. Wer würde das noch bezahlen? * Der Wahnsinn geht weiter bzw.  das kalkulierte Ausnutzen der durch Gentrifizierung und Bau-Boom geprägten Situation in Wilhelmsburg: Nun soll ein mehr als 100 Jahre altes Gebäude an der Ecke Vogelhüttendeich-Rubbertstraße abgerissen werden. Einige Wilhelmsburger engagieren sich für den Erhalt nicht nur dieses Gebäudes. (Engagierte-Wilhelmsburger@live.de) * Das Thema Seilbahn über die Elbe ist noch nicht vom Tisch, im Gegenteil. Am 25.4. laden die potentiellen Bauherren ins Bürgerhaus ein (Beginn: 18 Uhr 30).  – Wir erleben die ins Gigantische gestiegenen Kosten der Elb-Philharmonie, wir müssen feststellen, daß beim Bau der neuen Schleu-se schwere Fehler gemacht wurden. Hamburg aber hat noch längst nicht die Schnauze voll von Mega-Projekten. Als ob Wilhelmsburg nicht auch ohne so einen Sch...  ein lebenswerter Ort sei. * „Kunst, Kultur & Kohle. Eine Broschüre setzt sich kritisch mit der IBA-Kulturpolitik und den beteiligten KünstlerInnen auseinander.“  Hier findet ein w.i.r.-Redakteur leicht kritische Anmer-kungen zum Wilhelmsburger „Kulturstammtisch“. – Meine Meinung zur Broschüre: 1. Die Anony-misierung der Text-Beiträge wirkt wie Nebel in einer Situation, bei der Kritik angebracht ist, aber auch die Kritiker erkennbar sein müssen. 2. Beim Künstlerstammtisch sind Leute federführend, die von Kunst keine Ahnung haben UND auch erst garnicht auf die Idee kommen, sich mit der  Wilhelmsburger Kunst-Szene ernsthaft zu befassen. Ausgerechnet JvP, der mir wörtlich sagte „Ich hab gar keine Kultur“ (er schien stolz darauf zu sein) schwingt sich zum Chef-Ideologen auf. Seine Sichtweise auf Kunst und Kultur: Rein funktional. Das Verhältnis der Künstler zur IBA als Para-meter für seine (rein ideologischen) Werturteile. Gleichzeitig wird so getan, als werteten die Autoren der Broschüre nicht. Ich finde das verlogen. Naja, beim letzten Mal waren nur 5 oder 6 Leute da, wie mir eine Besucherin erzählte. 3. Das Haupt-Problem für KünstlerInnen ist nicht fehlendes Geld. Geld schafft nicht gute Kunst. Das weiß jeder halbwegs intelligente Mensch.  Künstler brauchen Möglichkeiten, ihrer Arbeiten (Bilder, Texte, Musik, Skulpturen, Theater-Stücke usw.) zu zeigen. Welche Initiativen gehen diesbezüglich vom „Kulturstammtisch“ aus? Keine. Nichts. *** usw usw    www.inselrundblick.de     *R.S.* 

Freitag, 20. April 2012

Gott spielen

„Mutti! Muuutttiii!“ – „Was ist denn, mein Junge?“ – „Ich hab heute im Bus den Mann mit der Schie-bermütze gesehn!“  - „Welchen Mann meinst Du, Kevin?“ -  „Den von unserm Kurs. An der Schule. Der Mann ist aber nicht gekommen!“ - ??? – „Der Kurs sollte im Februar anfangen. Mit Holz arbeiten, sägen, basteln. Ich war doch angemeldet Aber der Mann kam nicht. Zweimal hintereinander nicht.“ -  „Ah, jetzt erinnere ich mich.“ – „Ich hab den im Bus gesehn.“ – „Bist du sicher?“ -  „Klaro. Der wohnt auch in Wilhelmsburg.“ – „Woher weißt du das?“ .„Von Jens. Der wohnt in der Fährstraße“. – „Also daß der einfach nicht gekommen ist, finde ich nicht gut. Hätte ja wenigstens absagen können.“  *** Ich male mir ein Szenario aus, das so ähnlich stattfinden könnte.  Der Ort, wo der Kurs stattfinden sollte, ist die „Schule an der Burgweide“ in Kirchdorf. Der Kurs-Leiter, der nicht erschien, bin ich.  Weitere Beteiligte: Die stellv. Schul-Leiterin Frau Wedding-Morgen und die Rektorin Frau Landfrau.  * Im Herbst letzten Jahres bewarb ich mich für eine Honorar-Tätigkeit an dieser Schule. Es kam zu einem Gespräch mit Frau Wedding-M., die mich später bat, ihr noch ein Foto sowie einen Kurz-Text zuzusenden. Dann hörte und sah ich monatelang nichts mehr.  Bis ich eines Tages eine mail bekam, weshalb ich den Kurs schon zweimal habe ausfallen lassen. Ich fiel aus allen Wolken. Ich hatte weder eine mündliche noch schriftliche Zusage bekommen. In der mail der stellv. Schul-Leiterin wurde ich aufgefordert, mich bei Frau Landfrau, der Schulleiterin, zu melden. Ich rief an, aber Frau L. war nicht zu sprechen.  Am selben Tag traf eine weitere mail von Frau W-M. ein, mit dem Tenor: Sie hoffe, es werde diesmal klappen. Am Mittwoch solle der Kurs stattfinden.  * Am Montag rief ich in der Schule an, um ein paar Einzelheiten zu erfahren: Wieviele Schüler nehmen teil, um wieviel uhr sollte ich da sein usw. Ich erreichte auch tatsächlich die stell. Leiterin – die mir nach wenigen Worten jedoch mitteilte, daß sie jemand anderen für mich gefunden hätten. Erneut fiel ich aus allen Wolken.  Die gleiche Frau, die kurz zuvor noch ihre Hoffnung ausgedrückt hatte,  daß der Kurs nun mit mir als Leiter losgehen werde, ließ mich nun wie einen Deppen abblitzen?  ***  Ich beschwerte mich bei der Schulbehörde. Und telefonierte mit einer sehr freundlichen und kooperativen der Dienstaufsicht. Nein, normal sei solch ein Verhalten im Hamburger Schulbetrieb nicht, sagte sie mir. Später bekam ich noch einen Brief , in dem die gute Frau ihr Bedauern auch schriftlich ausdrückte.  *** Natürlich frage ich mich, wieso Frau W-M mich zu einem Bewerbungs-Gespräch einlud – um mich dann in dieser Weise vorzuführen und abblitzen zu lassen. Fehler passieren, Frau W-M könnte im Streß gewesen sein und daher vergessen haben, mich zu informieren. So etwas kann vorkom-men. Unangenehm, aber verzeihlich. Aber wenn sie nur vergaß, die Information weiterzugeben und dann per mail bekräftigt, daß der Kurs mit mir stattfinden soll: Wieso teilt sie mir dann 2 Tage später etwas ganz Anderes mit? *** Ich frage mich, was wohl die Kinder denken, die sich auf mich gefreut hatten. Meinem Ruf wird diese Sache zumindest nicht gut getan haben.  *** Ich habe eine Erklärung für das unverständliche und, vorsichtig ausgedrückt, grob unhöfliche Verhalten:: Die st.v. Schul-Leiterin ist Beamtin.  Menschen im Beamten-Status können in Deutschland bekanntermaßen tun und lassen, was sie wollen. So dämlich, daß sie ihren Beamten-Status verlieren, können sie garnicht sein. Aus irgend einer Laune heraus ließ mich Frau Wedding-Morgen antanzen – und aus einer anderen Laune heraus wieder abblitzen. Daß von ihr keine Entschuldigung kam, bestärkt mich in meiner Annahme. Beamte befinden sich oftmals in einer  Macht-Position. Da ist die Verfüh-rung, Gott zu spielen, groß.  *** „Lernen ist Zukunft“ lautet das Motto der Schule an der Burg-weide. Ich würde mir wünschen, daß nicht nur die Kinder zum Lernen angeleitet werden, sondern daß auch die Lehrer noch etwas lernen. In diesem Fall: Sich für einen Fehler zu entschuldigen.   

Mut zur Lücke


Mein Bekannter klingelte Sturm. „Na, was gibt’s?“ - „Dein Schaufenster. Ich find das unheimlich mutig.“ - „Na ja. Ich hab ein paar Kleinigkeiten geändert. Aber ansonsten ...“ – „Vor allem das mit der IBA. Daß Du deine Kritik öffentlich machst. Und nicht mit anonymen Kritzeleien.“ – „Du kennst mich doch. Wer was zu meckern hat, soll dazu stehn. Ich hab für Meckerer ein Ohr. Aber nur, wenn sie auch anderswo Rückgrat zeigen.“ Mein Bekannter schenkte sich einen Becher Tee ein. - „Ich meine: Öffentlich Rückgrat zeigen. Man ist schließlich keine Mülltonne“ fügte ich hinzu. „Auch wenn manche einen dafür halten“. – „Wenn ich mein Fenster im Parterre hätte“, setzte mein Bekannter an, „würde ich auch so was Kritisches da reinstellen. Aber ich würde das anders machen. Ästhetisch anders.“ – Ich verzog den Mund, um Müdigkeit und Gähnen anzudeuten. – „Das sieht ja aus wie Dschungel. DSCHUNGEL-CAMP. Hahaha. Der Gartenzwerg, und die ganzen Köpfe, diese Papp-Köpfe, das Bild mit dem Schutzengel. Aber dann sieht man im Hintergrund ja auch die Aktenordner“. - Das muß so sein. - „Aber was ist denn das Thema?“ Es gibt nicht DAS Thema, sondern MEHRERE Themen.– „Ach so.“„Ich muß auch nicht immer alles erklären. Verstehst Du? Mut zur Lücke. Das, was nicht sofort verständlich ist, macht die Sache erst richtig interessant.“ „Meinstu?“ .... *R.S.*

Mittwoch, 18. April 2012

Honigfabrik Ateliers


Ich hatte mich bei der HoFa um einen Atelier-Platz beworben. Heute kam die Absage. * Natürlich bin ich etwas enttäuscht. Die Möglichkeit, in einem 50 qm großen Raum zu arbeiten, hätte bessere Arbeitsbedingungen bedeutet. Meine Werkstatt, die ich sonst benutze, ist nicht mal halb so groß und mit vielen Dingen vollgestellt. Außerdem hätte eine Zusage auch Anerkennung bedeutet. * Andererseits bin ich auch erleichtert über die Absage. Ich hätte mir den 50 qm-Raum mit zwei Künstlern-innen teilen müssen. Keine Ahnung, ob das gut gegangen wäre. Außerdem - was vielleicht noch entscheidender ist - sieht die HoFa vor, daß die Nutzer 1 Drittel der Zeit für Kurse verwenden, 1 Drittel für Außendarstellung, und 1 Drittel für sich selber (keine wörtliche Wiedergabe). UND dann hätte die Nutzung pro Monat auch noch 65-85 € gekostet. *** Ich glaube, es handelt sich um eine politische Entscheidung. Ich liege nicht ganz auf Linie (gegen IBA, kritisch gegenüber den ganzen Veränderungen, die von OBEN auf Wilhelmsburg hernieder kommen, widerborstig auch gegen die Polit-Szene ...); ich bin NICHT poklitical correct. Ich BIN unbequem + würde es auch als Atelier-Benutzer sein. *R.S.*

Klaus Lemke Premiere Abaton




Für mich war’s die erste Film-Premiere. 17.4., 20 Uhr. Der große Saal sehr voll. Ziemlich coole Sache. Regisseur Lemke war selber da. Er sprach zum Publikum, bevor sein neuer Film BERLIN FÜR HELDEN losging. Nachher erzählte er auch noch etwas und holte einen Darsteller und seinen Kameramann nach vorn. Auch cool. Vor allem: Auch informativ. Lemke, der seit 1965 Filme macht, gehen Star-Allüren ab. Jedenfalls an diesem Abend. Sympathisch, smart, ging auf alle Fragen direkt ein. Ähnliches gilt für seine Darsteller. * BERLIN FÜR HELDEN sind mehrere Liebesgeschichten, die ineinander gehen, etliche Sex-Szenen, Leidenschaft und so, auch Prügeleien. Also ziemlich heftiger Stoff. Mir gefiel der Film. Und ich verstand auch, durch Lemkes Statements, wie der Streifen entstanden ist. OHNE großen Etat. Die Schauspieler bekamen bis zu 50 € am Tag. Acht bis 9 Wochen lang. Es gab kein festes Drehbuch. Und der Film beweist: SO geht es AUCH. Von einem Tag auf den anderen filmen, arbeiten, die Stimmung untereinander ist wichtig, sie gibt so eine ungefähre Richtung vor. Sehr spannend. Sehr locker. Aber nicht ohne Disziplin. * Ich halte Lemke für ein intuitives Genie. Also für jemanden, der von der „unmittelbaren Anschauung“ ausgeht, von der jeweiligen Situation. Natürlich sind Ideen da, Vorstellungen wie der Film werden könnte. Aber Lemke improvisiert dann viel, und seine Leute ebenso. + dann kommt dabei ein sehr lebendiges Ding heraus. LEBENDIGE KUNST. Es gibt in der Film-Branche noch etliche andere intuitive Genies. Nur: Mit einem Riesen-Set, tausend Kamera-Leuten, Visagistin, etlichen Assistenten usw. kann kein Regisseur mehr improvisieren, spontanen Ideen nachgeben. Aber GENAU DAS macht hier die Qualität aus. * Lemke hat auch HUMOR. Das ist auch ne wichtige und gute Eigenschaft. ** An-schließend lief der alte Kult-Film „ROCKER“, in Hamburg gedreht. Kannte ich bisher nur in Aus-schnitten. Sehr cool. Kloppereien, und die SPRACHE von den Typen. Klasse. * Ein wirklich guter Abend. * Von der Hamburger Kultur-Bürokratie war niemand da. Dabei könnten gerade deren Vertreter hier lernen, wie man mit WENIG GELD richtig lebendige Kunst machen kann. Kaum wo werden Millionen so verplempert wie in der Hansestadt. *R.S.*

Die Macht der SAGA/GWG


Seit rund 30 Jahren erscheint das Stadtteilmagazin aktiv wohnen in Mümmelmannsberg. Haupt-Thema der aktuellen Ausgabe: Streichungen von Zuschüssen durch die SAGA/GWG. Viele Jahre stellte die Wohnungsgesellschafte Räume kostenlos zur Verfügung. Davon profitierte u.a. das Offene Atelier Mümmelmannsberg. Damit soll nun Schluß sein. Anfang März kam es zum Eklat während einer Sitzung des Sanierungs-Beirats. SAGA-Aufsichtsrat Hoppenstedt bekräftigte, daß die Nutzer von Gemeinschaftsräumen zukünftig Betriebskosten zahlen müssten. Genaue Summen nannte er nicht, verwies aber auf „Einzelgespräche“, die mit den Nutzern geführt werden sollen. Nach dieser Ankün-digung „standen die Vertreter der Initiativen und Vereine auf und verließen den Saal. Die Sitzung wurde ... abgebrochen.“ * Ich kenne den Stadtteilkünstler Erich Heeder vom Offenen Atelier e.V. als offensiven und ehrlichen Verfechter künstlerischer wie sozialer Ideen. Und ich wünsche ihm und anderen von den Sparmaßnahmen Betroffenen Glück und Erfolg bei ihrem Engagement. * weitere Informationen: www.aktivwohnen.de *R.S.*

Samstag, 14. April 2012

Erich Heeder im CAFE EIGENART





Zum Havighorster Redder 50, dem ev. Gemeinde-Zentrum Mümmelmannsberg, zu welchem das Cafe Eigenart gehört, gelangt man bequem mit der U-Bahn. Man steigt aus, geht ein paar Meter ... und schon ist man da. Der Gründer und Leiter des Cafes sagte mir, Kunst und Religion seien enge Verwandte. Dem kann ich nur zustimmen. Wie es bei Geschwistern halt so ist: Mal sind sie in Friede-Freude-Eierkuchen glücklich vereint, dann wieder in heftigem Mißklang zerzankt. * Erich Heeder macht es gerne spannend. Das finde ich gut. Er passt hervorragend mit seinen Assem-blagen und Collagen ins Cafe Eigenart. Denn Erich ist Stadtteilkünstler und sehr eigenartig. Das gefällt mir auch. Übrigens erwarte ich das irgendwie auch von Künstlern und Künstlerinnen. Nein, nicht unbedingt „Stadtteilkünstler“, aber doch: eigenartig zu sein. Dazu sind sie schließlich da. AUCH da. Und da gönnt man ihnen ohne Wenn + Aber, daß sie im Mittelpunkt stehen. Der Rest + das Andere ist eher langweilig. ODER? Erich ist nicht nur eigenartig, sondern auch eigensinnig. * Die Vernissage war unterhaltsam und EIGENARTIG, entsprechend dem Namen des Cafes. Es ist übrigens immer Fr-So von 15–18 Uhr geöffnet. * Weitere Infos unter www.cafe-eigenart.net *R.S.*

Donnerstag, 12. April 2012

BILD hetzt


Die Schlag-Zeilen der gestrigen BILD-Ausgabe hatten es in sich. „Hartz-IV-Sauerei!“ – Na schön, denke ich, das Blatt bezeichnet Unregelmäßigkeiten als „Sauerei“. Nur: Zu einer Sauerei gehören mehrere Beteiligte. „Noch nie wurden so viele Drückeberger erwischt“. „Drückeberger“? 912 000 Stütze-Beziehern wird Geld gestrichen“ Hä??? Und noch ein SCHLAG gegen Hartz-IV-Empfänger, speziell für hanseatisches Publikum auf die Titelseite plaziert: „In Hamburg wird mit am meisten getrickst“. Seite 2 geht es in dem Stil weiter. Der ganze Artikel ist an Einseitigkeit nicht zu überbieten. Diese Bericht-Erstattung ist reine Hetze. * Ich bin selber Hartz-IV-Empfänger, ein sog. „Aufstocker“- verdiene ca. 560 € netto im Monat. Die Summe reicht nicht, um Wohnung und Lebensunterhalt zu finanzieren. Also bekomme ich zusätzlich noch Gelder von Arge. Immer wieder gibt es Probleme mit offenbar überforderten Sachbearbeiterinnen. Dabei mach(t)e ich folgende Erfahrung: Im Unterschied zum normalen „öffentlichen Recht“, wo es eine „Unschuldsvermutung“ gibt zugunsten des Angeklagten, wird bei vielen Arge-Streitfällen zunächst generell gegen den Antragsteller entschieden. Dieser kann dann den Weg des Widerspruchs, anschließend Klage bis hin zur Verhandlung vor dem Sozialgericht gehen. Hinzu kommen Beratungs-Termine bei der Öra, Telefon-Hilfe etc. * BILD tut so, als gebe es keine Fehler, Inkompetenz, teilweise Böswilligkeit sei-tens Arge. Pauschal werden Hartz-IV-Empfänger kriminalisiert. Basis der BILD-Hetze sind Statis-tiken des Arbeitsamtes. NICHT aufgelistet sind die Fälle, in denen von angeblichen „Drückeber-bergern“ und „Tricksern“ Widerspruch eingelegt bzw. Klage beim Sozialgericht erhoben werden. Solche Feinheiten interessieren offensichtlich die zuständigen BILD-Redakteure nicht. * Der Artikel erzeugt ein falsches Bild, das generell zu Lasten von Hart-IV-Empfängern geht. – Als seien wir nicht schon genug bestraft mit unserer Situation als Arbeitslose bzw. Teilzeit-Jobber. * Ich las in den letzten Monaten recht häufig die BILD. Das werde ich nun weniger machen. Bis auf die Montags- ausgabe nach Bundesliga-Spielen. Den Sport-Kommentator, der den HSV in seiner Rubrik behan-delt, finde ich sehr gut. Unabhängig von der Hetze, die von seinen KollegInnen ansonsten betrie-ben wird. *R.S.*

Mittwoch, 11. April 2012

"Mobbing am Arbeitsplatz"


Jeder weiß heute, was mit dem Wort gemeint ist. Früher hieß es: „Rausekeln“, „unter Druck setzen“, „austricksen“, „schikanieren“, „jemanden vor Anderen in die Pfanne hauen“, „Psycho-Terror ausüben“, „gezielt lächerlich machen“ etc. Die verschiedenen Ausdrücke zeigen, wie kom-plex die Angelegenheit ist, auch wenn der Begriff „Mobbing“ sehr einfach klingt. * Das Buch von Bernd Zuschlag erschien zuerst 1993. Mir liegt die „3., überarbeitete Auflage“ (2001) vor. Der Autor, von Beruf Diplom-Psychologe und u.a. Fachmann für Arbeits-, Betriebs- und Organisations-Psychologie schreibt wissenschaftlich-systematisch über einen gesellschaftlichen Bereich, der ger-ne totge-schwiegen und tabuisiert wird. Viel Scham und Pein, aber auch lästige Fragen gehen mit Mobbing-Problemen einher, gerade am Arbeitsplatz. Dort herrschen meist (un)ausgesprochene Konkurrenz-Situationen. Die Mittel, sich einen Vorteil zu verschaffen bzw. durchzusetzen, reichen von subtil und fein über sichtbares Benachteiligen bis zu offenem Terror und aggressives Ein-schüchtern. * Mir scheint das Buch gut geeignet für Sozialarbeiter, Pädagogen, Psychologen und anderen in sozialen Bereichen Tätige, die sich auch theoretisch mit dem Thema befassen. Zum Glück enthält es auch praktische Tips und, fast noch wichtiger, auch einige Adressen und Tel.- Nummern für Menschen, die unmittelbar betroffen sind. Wenn die Not am größten, helfen oftmals schon ein Gespräch und sensibler Umgang. 248 S., 16,5x24cm, isbn 3-8017-1451-9, Verlag für angewandte Psychologie *R.S.*

Dienstag, 10. April 2012

Sonst geht's gut - oder?


„Hamburg, Stadt der Verbote“ - War etwas in den Ostereiern, daß die MoPo-Redaktion mit dieser Schlagzeile auf Leserfang geht? Manchmal rührt das Blatt an Themen, die wert sind, genauer hinzuschauen. Aber dann begibt sie sich auch wieder auf das Niveau von billigem Populismus. Und löst Debatten aus, bei denen der Eindruck entsteht, daß unsere Gesellschaft ein großer Kinder-garten ist. Offenbar verortet die MoPo den Reifegrad ihrer Leser auf dem Niveau von Klein-kindern bzw. pubertierenden Gymnasiasten. So fragt das Blatt auf der Titelseite ihrer Sonntags-Ausgabe: „Dürfen wir bald gar nichts mehr?“ Die MoPo recherchierte, stellte einige Fragen an ihre Leserinnen. Angeblich antworteten 6000. * Es geht um Handyverbot beim Autofahren, im Kran-kenhaus usw., Radfahren in Öffentlichen Grünanlagen, Grillen in Parks, Rauchen in der Öffent-lichkeit, Alkoholverbot in Bussen, Bahnhöfen, Zügen. „Dürfen wir bald gar nichts mehr?“ wird ge-jammert und beim Leser angebiedert und (S. 5) gefragt: „Hamburg, die verbotene Stadt?“ Verbo-tene Stadt? Das klingt nach China, Peking. Schön wär’s. Ein bißchen Alt-Peking ... täte Hamburg gut. Ein bißchen Geheimnis darf, dürfte ruhig sein ... vielleicht sogar noch etwas mehr. Manchmal tun Verbote gut. Der Wunsch oder die Forderung nach mehr, am besten grenzenloser Freiheit dage-gen erscheint kindisch. Jeder Mensch erlebt in dieser Stadt jeden Tag, daß Regeln aufgestellt und Grenzen gesetzt werden müssen. Ohne sie würde nichts funktionieren. Je mehr Freiheit zugelassen wird, desto mehr Reife und Bewusstsein sind nötig. Ich bin auch für Freiheit. Das Rauchverbot in Bahnhöfen, zumal unter freiem Himmel, finde ich dagegen überflüssig. Das Verbot, in Bussen hinten oder in der Mitte einzusteigen, ist sowohl für Busfahrer als auch Reisende hinderlich. Das Aufstellen von strengen Regeln für das Verhalten in Parks, Grünanlagen finde ich jedoch sinnvoll, ja notwendig. Es gibt Menschen, die von sich aus Rücksicht auf Natur und Mensch nehmen. Und es gibt andere, die dazu offenbar nicht in der Lage sind. Auf der Elb-Insel gibt es etliche Grünanlagen, in denen gegrillt wird. Leider hinterlassen manche Leute dort regelmäßig leere Flaschen, Pappteller, Plastikbecher usw. Mülleimer, die wenige Schritte daneben aufgestellt sind, werden nicht genutzt.. * Es gibt Leute, die genau DAS richtig finden. „Wilhelmsburg bleibt dreckig“ war im letzten Jahr auf einem Transparent zu lesen. * Es gibt aber auch Bewohner, die bereit sind, ihren Müll doch noch zu entsorgen. Man muß sie nur freundlich darauf hinweisen. Diese Erfahrung machte ich im letzten Jahr. Es ist eine Frage von Zivil-Courage. Und auch von Freiheit. Der Freiheit, nicht nur die eigenen Interessen zu befriedigen, sondern auch Rücksicht auf andere zu nehmen. * Wir brauchen, dringend, noch einige Regeln, u.a. das Verbot, mit Steuergeldern schlampig umzugehen. Diese Regeln bzw. Verbote betreffen in erster Linie Politiker und andere Menschen, die über Macht und Einfluß verfügen. Bestimmte Richtlinien werden viel zu lasch gehandhabt. Wie sonst ist es möglich, daß zig Millionen € allein beim Bau der Elb-Philharmonie versickerten? *R.S.*

Klaus Lemke im Abaton


Jetzt isses offiziell: Der neue Film BERLIN FÜR HELDEN von Regisseur Klaus Lemke wird am 14. April (= nächsten Dienstag) im Abaton vorgestellt. Beginn 20 Uhr. ** Lemke ist ein MUSS für Film-Fans, angehende Regisseure etc., die nach ANDEREN Wegen suchen, Filme zu machen. Der Mann veröf-fentlichte 2010 das „Hamburger Manifest“, in dem er die in Deutschland gängige Film-Förderung scharf kritisiert. Klaus Lemke ist der Ansicht, daß OHNE staatliche Förderung letztlich bessere Filme entstehen. * Diese These ist es wert, einen grundlegenden Diskurs zu entfachen. Was ICH bisher von Lemkes Filmen mitbekam ist, daß sie sehr lebendig sind. Geiles Material. Eine andere Art von Kreativität als bei Millionen-Produktionen, wo schon der ganze Apparat, der um die Filmerei aufgebaut wird, Riesensummen verschlingt. Bei diesem Regisseur („Rocker“ ist bis heute sein bekanntester Streifen) läuft das anders. * Lemke wird höchstwahrscheinlich bei der Premiere selber anwesend sein. *R.S.*

Günter Grass im Kreuzfeuer


Die Meinungsäußerung des Schriftstellers polarisiert nach wie vor die Politik und Kultur-Szene. Bei den diesjährigen Ostermärschen wurde die Grass-Invektive fast durchgehend positiv auf-genommen, wie TV- und Presse-Berichten zu entnehmen ist. Aus Israel wurde Grass ein Einreise-verbot erteilt. Dies dürfte den Mann wenig jucken. Er hatte nicht vor, das Land zu besuchen. Auch in Israel gibt es Menschen, die die Reaktionen auf Grass Gedicht für überzogen halten. „Es ist antisemitisch, darauf zu bestehen, dass Israel in Deutschland nicht kritisiert werden darf", sagte Uri Avnery. Israel wolle mit denselben Maßstäben wie andere Staaten gemessen werden. "Jede Einstellung, die besagt, dass Israel eine Art Sonderbe-handlung haben muss, ist antisemitisch", sagte er. Es sei völlig unnötiger politischer Krawall, dass Deutsche und Israelis jetzt darum wetteiferten, "wer kann Grass mehr beschimpfen, und wer findet extremere Ausdrücke für ihn." *** Der Jerusalemer Geschichtsprofessor Moshe Zim-mermann wertete das Einreiseverbot als "Versuch von Zensur". Grass habe mit seinem Gedicht der israelischen Politik "die ideale Vorlage" geliefert, um das Bild zu pflegen, Israel sei von Feinden umzingelt. "Die Reaktion aus Jerusalem zeigt, wie groß der Bärendienst ist, den Grass der Sache des Friedens erwiesen hat", sagte Zimmermann. *** Auch der israelische Journalist Tom Segev nannte den Schritt des Innenministers "absolut zynisch und albern". Er rücke Israel "in die Nähe fanatischer Regime - wie etwa Iran". (Zitate aus SPIEGEL.online) *R.S.*

Tanzverbot - schlimm?



U.a. in Köln, Frankfurt und Kassel gab es Aktionen gegen das Verbot von Tanz-Veranstaltungen an Karfreitag. Die Piraten scheiterten mit einem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht. Diese Partei wie auch Teile der Grünen wollen aber gegen die „unzeitgemäße Regelung“ weiter an“kämp-fen“. Die Grüne Jugend Hessen meint, es sei „nicht Aufgabe des Staates, allen Andächtigkeit vorzu-schreiben“. * In Hessen sind Tanzveranstaltungen von Gründonnerstag 04.00 Uhr bis Ostersamstag 24.00 Uhr, außerdem am Ostersonntag und –Montag jeweils von 04.00-12.00 Uhr verboten – „wie an allen anderen gesetzlichen Feiertagen im Jahr“. ...“Ähnliche Vorschriften gibt es auch in anderen Bundesländern“. (Info: www.zeit.de/politik/deutschland/2012-04/piraten-tanzverbot-flashmob) * Wie die Bestimmungen in Hamburg genau sind, weiß ich nicht. Ich habe kein Problem mit einem Verbot öffentlicher Tanz-Veranstaltungen während ein paar Stunden im Jahr. Wer privat tanzen will, konnte und kann dies jederzeit tun – in den „eigenen vier Wänden“ oder bei Veranstaltungen, die als „privat“ gelten und nicht die Feiertags-Ruhe stören. * Meine Zustimmung zur traditionellen Regelung hat nicht religiöse Gründe. Ich genieße die immer seltener werdende Ruhe, die wenigen Pausen vom täglichen Streß in der Großstadt. Früher gab es dies viel häufiger. Mit der Auf-lockerung, Aushebelung alter Ladenschluß-Gesetze gab es schon erhebliche Änderungen im Groß-stadt- und Lebens-Rhythmus allgemein. Änderungen auch mit negativen Folgen. * Mir kommen die an Karfreitag gegen das Verbot inszenierten Tanz-Verantaltungen zwanghaft vor, irgendwie kin-disch und aufgesetzt. Leben wir nicht längst in einer Spaß-Fun-Konsum-Gesellschaft? Es gibt genug Möglichkeiten, das Tanzbein zu schwingen, zu flirten, die Sau rauszulassen etc etc. Für viele wird das Feiern zum Selbst-Zweck. * (Fotos oben sind aus dem Internet) *R.S.*

Freitag, 6. April 2012

Volker Pripnov: Bergedorfer Spitzen


Dem Autor und Theater-Mann, der in vielfältiger Weise kreativ ist, geht es wie manchen anderen Künstlern: Für Presse und andere Medien sind sie oft nicht interessant. Nicht interessant genug. Das kommt nicht von mangelnder Qualität – bei Volker Pripnov jedenfalls nicht. Im 1. Kapitel der Kurzgeschichten –Untertitel „Lyrisches-Satirisches-Prosaisches“ geht es um „Die Macht einer Lokal-zeitung“. Wie kommt es, daß auch nach zwei kleinen Büchern –außer dem hier vorgestellten publizierte er im Eigen-Verlag bereits „Geschichten aus dem Bergedorfer Gehölz“ und „Bergedorfger Lieder“ – Pripnov nicht von der „Bergedorfer Zeitung“ gebracht wird? Über andere Leute aus dem Stadtteil, die in verschiedener Weise kreativ sind, berichtet die B.Z. regelmäßig. Ausgerechnet V.P., der im Unterschied zu den Anderen seinen Stadtteil thematisiert, findet keinen Eingang in die Lokalzeitung. + damit auch nicht breitere Öffentlichkeit. Vielleicht liegt es genau an Volkers The-men! Indem er schreibend seinen Stadtteil unter die Lupe nimmt, wird er –ungewollt- zum Rivalen oder Konkurrenten von Lokal-Reportern. Die sind zwar nett zu ihm, bringen aber keine Berichte über seine Publikationen. Oder sind seine Texte -von der Tendenz her- zu kritisch? * Irgendwie kommt mir das bekannt vor, aus meinem Alltag und Versuchen, mehr (: angemessene) Öffent-lichkeit zu finden. Naja, ab und zu bringen Lokalblätter etwas. Außerdem kann ich bloggen. - Zurück zu den Bergedorfer Spitzen. Die zweite Kurzgeschichte heißt „Lamento“ und beginnt: „Ich bin die Bergedorfer Straße. Bedeutend? Wie man’s nimmt. Vielleicht zweckmäßig, obwohl ...“ Diesen Ansatz, aus der Sicht einer Straße zu schreiben, finde ich originell. Und dabei einfach. Verständlich geschrieben. Das dritte Kapitel heißt „Brunnen-träume“ und beginnt mit einem Reim-Gedicht: “Wasser, falle sprühend nieder / Falle in des Beckens Rund / Hört, ich singe Wasserlieder / Mache meine Freude kund.“ Sehr schlicht, finde ich, geradezu klassisch. „Endlich, endlich ist es Frühling geworden.“ geht der Text weiter, „Wie mild die Luft mich umfließt und wie freundlich die Sonne durch die noch kahlen Baumkronen lächelt. ...“ Ich schaue aus meinem Fenster im Wilhelmsburger Otterhaken. Baumkronen kann ich von meinem Computer-Platz aus nicht sehen, aber zwei Baumstämme. Außerdem scheint die Sonne. Mein Zimmer ist ziemlich dunkel, da im Parterre gelegen, aber die gegenüber liegenden Häuserwände sind deutlich erhellt. * Ich erlebte Volker Pripnov schon mehrfach bei Lesungen. Er hat sehr viel (Rhythmus)-Gefühl in seinen Texten und Vorträgen. Je mehr ich in dem Band blättere, lese, und über das Wenige, das ich von ihm weiß, nachdenke, meine ich sagen zu können: Er ist ein echter Stadtteilkünstler. Und zwar einer, der nicht von irgendwem (z.B. einem Kulturamt) in eine Position oder Rolle gehievt wurde, sondern aus eigenem Interesse und Liebe zur unmittelbaren und weiteren Umgebung sich darüber äußert. * Der Band enthält auch jeweils einen Text von Petra Klose und Udo Neumann. * 48 S., Eigen-Verlag; keine Adresse oder Telefon-Nummer sind ange-geben. * Wer die Bergedorfer Spitzen kaufen oder den Autor kennen lernen möchte, begebe sich am besten zum nächsten Text-Labor am 2.5. ins BelAmi. *R.S.*

Günter Grass


Der Nobelpreisträger wagt es, warnend auf die Lage im Nahen Osten hinzuweisen. Er nennt nicht nur den Iran und seinen Präsidenten beim Namen, sondern auch Israel. Die beiden Länder eint, daß sie Atom-Energie zu Kriegs-Zwecken einsetzen wollen bzw. es bereits können. Von Israel ist bekannt, daß es –auch wenn es keine offiziellen Kontrollen = internationale Überwachung gibt- zumindest kurz davor steht, Atomwaffen einzusetzen. Vom Iran wissen wir, daß dort daran gear-beitet wird. Nun kritisiert Grass, daß Deutschland ein U-Boot an Israel liefert, mit dem Atom-Waffen abgeschossen werden können. Und zwar auf den Iran. Da der Iran (bzw. dessen Führung) damit droht, Israel zu vernichten, plant dieses Land umgekehrt schon seit längerem, Irans Atom-Anlagen zu zerstören. * Grass’ Kritik ist hoch-brisant – aber ich finde sie legitim und nicht –wie BILD meint- beleidigend. BILD-Kommentator Mathias Döpfner (Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG) desavouiert Grass publik gemachte Meinung als „politisch korrekten Antisemitismus“. Weder ist Grass Antisemit, noch sein Text (den ich auszugsweise aus der BILD kenne). M. E. beging Grass einen Fehler, indem er seine SS-Mitgliedschaft (als Jugendlicher-junger Mann) verschwieg. Dadurch wird er aber nicht automatisch zum Antisemiten, auch nicht zum „politisch korrekten“ Antisemiten. * Man fragt sich bei der Empörung, die von BILD jetzt losgetreten wird, wieviel in diesem Land das im Grundgesetzt festgeschriebene Recht auf Meinungsfreiheit gilt. * Ahma-nidedschad ist gefährlich, ja ein Verbrecher – aber das rechtfertigt noch nicht, einen nuklearen Angriff auf sein Land zu unterstützen. Der würde zigtausende, vielleicht Millionen Tote mit sich bringen. Das Existenzrecht Iraels steht ganz außer Frage. Aber außer Frage sollte auch stehen, daß auch dieses Land kritisiert werden darf, wenn es Atomwaffen einsetzen will. * Bisher wurden zweimal Atomwaffen eingesetzt, beide male von den USA – im zweiten Weltkrieg gegen Japan. Der Einsatz wurde seinerzeit (+ wird noch heute) damit gerechtfertigt, daß ohne diese beiden Terror-Akte Japan nicht kapituliert hätte. Auch bei einem atomaren Angriff auf den Iran bzw. einem Angriff auf dessen Atomanlagen würden zigtausende Zivilisten umkommen. Die auf einen Krieg zusteuernde Politik Israels darf von Deutschland nicht unterstützt werden. Diese Meinung ist nicht Ausdruck von Antisemitismus. *R.S.*

Text-Labor 4. April




„Wir sind die Literatten, / Die aus der Dunkelheit, / Aus Goethes, Schillers Schatten / Sich schreiben ganz befreit // Wir schreiben die Gedanken / Nicht auf für Brot und Lohn ...“ beginnt der erste Text aus dem LYRIK + PROSA-Band der Bergedorfer Literatten von 2001. Die Anthologie erschien bereits vor 11 Jahren, aber von der Programmatik und Haltung der Beteiligten ist er durchaus aktuell. Volker Pribnov, aus dessen Gedicht ich zitierte, und Arne Poeck, der in dem Buch mit mehreren Texten vertreten ist, gehören mit Petra Klose, die die Abende moderiert, und Rita Wagner, Renate u.a. (ich kenne die Namen nur teilweise) zum Stamm des Text-Labors, das sich seit mehr als einem Jahr jeden Monat (jeweils am ersten Mittwoch) im BELAMI, Holtenklinker Str. 26, trifft. Gäste sind herzlich willkommen. Jeder darf bis zu 10 Minuten eigene Texte vortragen. * Regelmäßig spielen auch Musiker auf, jetzt am 4. eine Saxophonistin. *** Die nächste Offene Lesung gibt es am 2.5. um 19 Uhr 30. Weitere Infos: www.textlabor-bergedorf.de * „Wir haben angefangen, / Am Ende sind wir nicht. / Mit Hoffen und mit Bangen / Steh’n wir im Rampenlicht. // Was Ratten niemals hatten, / Das macht uns heute groß. / Der Dichterfürsten Schatten / Ist trotzdem unser Los. // Wo andre aufwärts schreiten, / Knien wir vor ihrem Thron. / Uns bliebt zu allen Zeiten / Die Kanalisation.“ *R.S.*

Dienstag, 3. April 2012

Endlich berühmt - oder?


Wussten Sie schon, daß es riskant ist, Briefmarken zu sammeln? Haben Sie ein Faible für „Drittes Reich“? Achtung!, da findet sich womöglich Hitlers Konterfei von 1 Pfennig in schwarz-grau über 24 Pfennig in dunkelorangebraun bis 5 RM in schwarz-violett/ultramarin als Postwert-zeichen in Ihrem Album. Schlimmer noch: Auf einigen Marken des „Dritten Reichs“ und erst recht auf den Stempeln ist ein Hakenkreuz abgebildet. Das Symbol ist in diesem Land verboten. Verrä-terische Zeichen diese Marken, oder? Sammeln Sie Rußland, Sowjet-Union, kann kaum ausbleiben, daß Hammer und Sichel, Stalin, Lenin, Marx in Ihrem Album zu finden sind. Nun werden Sie sagen: Aber das sind doch nur Briefmarken. Wer kommt auf die Idee, von diesen kleinen unschuldigen gezackten Winzlingen auf die Gesinnung des Sammlers zu schließen?Nun, es gibt solche Menschen. Ich kenne einen.Er ist mein Stalker.Sie wissen, was ein Stalker ist? * Bei einer Veranstaltung im Februar fiel ein Mann durch Aggressivität und freche Pöbeleien auf. lch setzte ihn vor die Tür – was nicht ganz einfach war. Da ich mit dieser Person seit mehr als 10 Jahren zu tun habe, erwartete ich in den Tagen, aber vor allem in den Nächten nach dem Rausschmiß Anrufe und Störmanöver. Diesmal dauerte es, ein Novum, länger als eine Woche, bis es losging. * Ich traf den Mann zufällig auf der Straße, antwortete auf seinen launigen Gruß und ließ mich, naiv wie ich bisweilen bin, in ein Gespräch verwickeln. Wahrscheinlich ein Fehler. Mit noch größerer Wahrscheinlichkeit war es ein Fehler, daß ich in dem Small Talk zum Besten gab, daß ich „wieder Briefmarken sammle“. * Bereits in der nächsten Nacht wurde eine Botschaft auf meinen Anrufbeantworter gesprochen. Zunächst nur laute Musik, sehr schräg, dissonant, dann die coole Frage eingeblendet: „Na, was hältst du davon?“ * Die Stimme kam mir bekannt vor.

Am nächsten Tag –ich war nicht zu Hause- zwei Anrufe auf AB. „Hallo Anrufbeantworter, Du bist mal wieder nicht da. Naja, das kennen wir ja.“ und „Hier spricht der automatische Anrufbeantworter von XX. Ruf doch mal zurück. Muß ich denn immer von mir aus anrufen?“ Abends erwischte mich XX dann direkt am Telefon. Er erzählte von irgendwelchen Konzerten, die er in Wilhelmsburg organisieren wolle, nannte das „U-Boot-Orchester“ und andere Namen. Ich ahnte, was er wollte. „Nein, ich hab keine Zeit“, versuchte ich die Stimme bzw. die Person dahinter abzuwimmeln. „Einmal durch den Dschungel und zurück. Du kennst meinen Weg“, lautete die kalte Antwort, „Solidarität gibt es nur für die Anderen. Ich hab zwei Jahre aufm besetzten Gelände bei Lübeck gelebt. Das Härteste überhaupt“. Ich legte auf. Diese Leier wieder! Nein danke, die Story hatte ich schon mehrfach gehört. Besetztes Gelände, Bullen, Bauwagen, die ganze Klischee-Nummer von A bis Z. * Zwanzig Minuten später klingelte erneut das Telefon. Ich ging ran, denn ich rechnete mit dem Anruf einer Freundin. Es war X. „Was gibts?“, fragte ich unfreundlich. „Ich hab nur wenig Zeit, zwei Minuten“. - „Nur zwei Minuten? Ach ja, der Herr sammelt neuerdings Briefmarken. AHHH! Keine Zeit!!?“ – „Genau, keine Zeit. Zehn Sekunden sind schon um. Noch eine Minute 45“. – „Noch eine Minute 45 Sekunden“ äffte es vom anderen Ende der Leitung. – „Oke, dann ist auch eine Minute zu viel“ erwiderte ich und legte auf. * Bis zum nächsten Anruf dauerte es mehrere Stunden. Ich saß vorm Computer, hörte es klingeln, ging aber nicht ran. Am nächsten Morgen drückte ich auf den Abspiel-Knopf. * „Hier XX. Ich hab mal einen Tip für Dich. Du hast ja keine Zeit, wie du behauptest. Geh mal ins Krankenhaus und laß dir einen Termin für eine OP geben. Dein Problem kann man operieren.“ * Oh Gott, dachte ich, oh nein, was für ein Idiot! Was will der von mir? In den letzten Jahren warf ich ihn zweimal aus meiner Wohnung, schrieb ihm mehrere Briefe, in denen ich nachdrücklich darauf hinwies, kein Interesse an ihm zu haben. Weder an ihm persönlich noch an seinen politischen Phrasen. Ich stehe anarchistischen Ideen nicht negativ gegenüber, aber dieser Mann ist für mich ein durchgeknallter Alkohol- und Dro-gen-Freak. Einer, der überall jedem aufdängen will, was ihm gerade durch den Kopf geht. Geradezu zwanghaft. Das widerspricht meinen Vorstellungen von Freiheit. Wie kann ich den Kerl auf Distanz halten? Als ich ihn das letzte mal aus meiner Wohnung schmiß, randalierte er noch 10 Minuten lang vor der Tür, haute gegen die Fensterscheiben, pöbelte herum und ritzte im Hausflur in die Wand: „F ... Dich!“ ** Der Mann läßt nicht locker. Gestern ging ich spazieren und entdeckte auf einem Strom-Kasten bei mir um die Ecke den Spruch „Du sammelst Briefmarken“ Groß geschrieben, mehr als ein Meter breit. Ausrufezeichen!

DU SAMMELST BRIEFMARKEN!

Die Schrift kenne ich. Und ich kenne den Mann, der mich hier anklagt. Wie ein enttäuschter Lover. Schwul ist er aber nicht. Ich kenne diese Sorte Polit-Freaks. Die von dem Hobby eines Menschen auf die politische Gesinnung schließen. Die für sich und ihre Probleme Solidarität und Mitgefühl erwarten. * Diese Leute sind gefährlich, weil dumm. Emotional dumm.

Ich träumte davon, als Künstler berühmt zu werden. Nun werde ichs als Briefmarken-Sammler. * (Name, Adresse, Tel.Nr. des Stalkers sind mir bekannt; ich möchte sie aber an dieser Stelle nicht bekannt geben) R.S.

Sonntag, 1. April 2012

Lektüre: "Der Roman-Navigator" von Rolf Vollmann


Vollmann stellt im „Roman-Navigator“ „200 Lieblingsromane von der Blechtrommel bis Tristram Shandy“ vor, die Zeitspanne umfasst 200 Jahre (1759-1959). Für das Jahr 1956 steht bei ihm Heimito von Doderers „Die Dämonen“. Vollmann in diesem Zusammenhang: „Das Romanlesen kann vor Ideologien bewahren, die sich als die einzige Aktualität ausgeben; und in vielem, was er erzählt, war genau das auch das heimliche Thema von Doderers Buch; als er fertig war, schreibt er in sein Tagebuch: „... ich wusste, daß dieses Werk mein Leben ändern würde. Wozu auch wäre es sonst getan“. Vollmann ist nicht nur ein äußerst kompetenter Fachmann, der selbst auch Romane schrieb-schreibt; er versteht sein Wissen, seine Begeisterung, bisweilen auch Kritik unterhaltsam, stets wohlwollend an den Leser zu bringen. Für jedes der von ihm vorgestellten Bücher nimmt er sich eine Seite. * Ich ließ mich schon von seinem wesentlich umfangreicheren (ebenfalls gut lesbaren) Buch „Die wunderbaren Falschmünzer: Ein Romanverführer 1800-1930“ anregen, etliche der be-schriebenen Roman zu lesen. Ich habe Kauf und Lektüre keine Sekunde bereut. * Romane-Lesen kann wie eine Droge sein – ein Mittel mit jedoch nicht körperlich schädlichen Folgen. Die kulturelle Szene, mit der ich zu tun habe, ist krass ideologisch orientiert. Nicht ästhetisch (oder körperlich). Beim Lesen finde ich immer wieder zu mir selber – - - auch diesbezüglich gibt der Romane-Kenner und -Liebhaber Vollmann immer wieder (auch) nützliche Tips. * Eichborn Berlin; isbn 3-8218-0575-7 *R.S.*