Mittwoch, 27. Juni 2012

La vitola - Mein Tagebuch (8)


Ich bekam die #1-2012 der Verbandszeitschrift der AVB, des belgischen Verbands der Zigar-renbänder-Sammler zugeschickt. Das im A4-Fomat kopierte Heft (54 Seiten) ist sorgsam redigiert und sauber fotokopiert. Es bietet Anschauungs-Material mit vielen Beispielen von Zigarren-Bauchbinden, deren Herkunft von Vereins-Mitgliedern recherchiert wurde. Da ist z.B. eine 50-teilige Sammlung zum Thema „Chef-Koch“. Die Ringe sind jeweils abgedruckt; zu jedem gibt es eine kurze Beschreibung. Weitere Sammlungen, mit denen sich AVB-Leute befassten: Ringe der Firmen Brakman, Don Tomas, Esceptionales, Nova usw. Auch einzelne, nicht-serielle Ringe werden dargestellt und untersucht. Da ich neu im Verband bin und mich noch nicht besonders auskenne, sind die Darstellungen-Beschreibungen für mich gute Orientierungshil-fen.  Eines vermisse ich:  Zeitangaben.  Nur ausnahmsweise gibt es vage Angaben über Zeiträume, etwa über Firmen-Gründungen. Fast nirgends findet sich ein Hinweis darauf, aus welchem Jahr oder auch nur bestimmte Ringe sind. Wahrscheinlich ist dies nicht ganz einfach oder sogar sehr schwer herauszufinden. Trotzdem fände ich ungefähre Hinweise wün-schenswert, etwa ob Ringe aus den 50-er, 60-er oder 70-er Jahren sind. Ich weiß, daß alle Aktiven ehrenamtlich tätig sind, d.h. für ihre Recherchen, Artikel usw. nicht bezahlt werden. Ich hoffe, daß mir mein kritischer Hinweis nicht verübelt wird.  * Die ZS erscheint dreisprachig: Französisch, niederländisch und deutsch. Neben den reich bebildertten Recherche-Berichten gibt es auch u.a. Hinweise auf Sammler-Börsen.    *R.S.* 

WortKunst-Poetry - Notizen


Spannung aufbauen ... und halten. Der Langeweile entkommen, indem ich auf Schreiben und Phantasie setze. Statt auf  TV und PC. Dichten. Schriftstellern. Wortkritzeleien. + die dabei entste-henden Ergebnisse vortragen. * Ich gehe mittlerweile dazu über, Text-Fragmente zu lesen und den Rest zu improvisieren. Weil ich mich auch beim Ablesen von literarischen Texten zu langweilen beginne. *** Treffen im WESTEND: Eine bunte, relativ kleine Runde diesmal: 10 Beteiligte. Am besten gefielen mir die Beiträge von Volker (Texte körperbetont vorgetragen, auch Gesang) und Ingeborg (Zwischenrufe in Form von Lautmalereien; bizarr).  Petra trug einen fußball-kritischen Text vor („aus dem Bauch heraus geschrieben“), Markus  brachte ad hoc-Statements zu verschie-denen Themen, ziemlich lakonisch. Christine las einen Text vor, der sich mit dem allmählichen Verschwinden der Bücher befasst. Horror-Vision: Es gibt nur noch E-Bücher. Helmut las zwei Gedichte. * So schafft jeder Autor eigene Welt + trägt seine Spannung, Freude, Ängste, Sehnsüchte, Hoffnungen unter die Leute. Das berührt mich stärker („persönlcher“) als Fernsehen. * Nächsten Monat ist pause. Gut.  *R.S.*

Samstag, 23. Juni 2012

Gefunden in Wilhelmsburg


In der Industriestraße fand ich die Parole: „It is time for a R-evoL-ution“, und: LOVE ME.
Wenn ich bei R-evoL-ution das R weglasse, komme ich meinen Vorstellungen nahe. Evolution. Bei den Revolutionen, die wir hatten, sei es die russische oder chinesische gewesen, ist am Ende nur Sch... rausgekommen. Bürgerkrieg, Millionen Tote, Arbeitslager usw.  Die Freiheits-kämpfer wurden selber zu Tyrannen.  * LOVE und EVOLUTION. Die beiden passen zusammen. Phantasiere ich ... * RE-volution will, wie der etymologische Ker des Wortes sagt, etwas zurück-holen, zurückbe-wegen, einen alten Zustand herbeischaffen. Ich denke manchmal, daß einiges früher besser war. Aber: ich bin mir nicht sicher. ... Man kann nur aus der jeweiligen Situation das Beste machen. HIER & Jetzt.    *R.S.* 

La vitola - Mein Tagebuch (7)


Ein Kollege machte mich auf eine niederländische Website aufmerksam: www.sigarenbandenkoning.nl . Dort gebe es eine Menge und preisgünstig Zigarren-Bauchbinden im Angebot. In der Tat: Das Ange-bot reicht von diversen westeuropäischen, vor allem holländischen, belgischen, spanischen, ein paar deutschen etc. Firmen bis hin zu mexikanischen, kubanischen etc. Zigarrenbändern. Du kannst hier hunderte der stilistisch höchst vielfältigen ästhetisch gestalteten Papierstücke erwerben. Die Preise scheinen mir sehr günstig zu sein. Auch der finanziell knapp ausgestattete Sammler wird hier fündig. - Der Service ist erfreulich unbürokratisch. Ich muß nicht erst 30 Paß- und Kennwörter eingeben, dann irgendwelche Ziffern + Buchstaben abtippen, anschließend meinen halben Lebenslauf tippen etcetc. Hier geht alles einfacher: Eine Brieftaube flattert durch die Luft, die schieße ich ab -äh: klicke ich an - + schon kann ich eine mail mit meiner Bestellung schreiben. Die Antwort kam schnell. Ich überwies das Geld, und ZACK landete der Brief mit den bestellten Zigarren-Bauchbinden bei mir. Die Holländer sind halt ein lockeres Volk. So hab ich sie kennen gelernt. * Das Foto des Zigarren-Bänder-Königs fand ich im Internet. Der Mann ist viel unterwegs, besucht Sammler-Börsen. Man kann bei ihm auch Etiketten, Streichholzschachteln u.ä. kaufen. * Das gute alte Hobby, es lebe hoch! ...   *R.S.*  

WortKunst-Poetry # 6

Am 26.6. veranstaltet das KUNSTBÜRO WILHELMSBURG den 6. WortKunst-Poetry-Abend. Jede/r Teilnehmer kann bis zu 10 Minuten lang eigene Texte vortragen, performen, ablesen. Gerne auch mit Musik-Begleitung. Ort: WESTEND, Vogelhüttendeich 17, Wilhelmsburg, Reiherstieg-Nord. Beginn: 19 Uhr 30. * Zuvor gibts unser Kunstbüro-Abendessen. Kosten werden umgelegt (2-3 € pro Person). * Im Juli machen wir Pause. Im August geht's dann am 28. weiter. Wie immer dienstags.  *R.S.* 

La vitola - Mein Tagebuch (6)


Seit Kurzem bin ich Mitglied im AVB, der Allgemeinen (Königlichen) Vereinigung der Bänder-sammler Belgiens (Algemene Vereniging V.Z.W. Bandjesverzamelaars). In Deutschland gibt es keinen entsprechenden Verband mehr. Der AVB hat insgesamt 400 Mitglieder aus 15 Nationen. * Meine Kontaktperson ist ein aufmerksamer Mensch aus Luxemburg. Sehr hilfsbereit, kompetent, bei Anfragen bekomme ich in kürzester Zeit eine Antwort. + ich habe eine Menge Fragen. * Zur Begrüßung bekam ich einige Zigarren-Bänder und Etiketten ("Grand Lion", siehe Bild) geschenkt. DANKE! Für den AVB mime ich gerne den Löwen. Auch wenn ich mich bisweilen wie ein zartes Pflänzchen fühle. Es ist eine Frage der Tagesform. Und der Laune! * Zigarrenbänder-Sammler sind eine vom Aussterben bedrohte Spezies. Einige wenige halten die Stellung ...  + es MACHTSPAß!!  *R.S.*  

hinz+kunzt #232 Teil 2

Ein Artikel der h&k-Ausgabe #232 ist dem Hamburger Kunst-Sammler Falckenberg gewidmet.  Der Herr ist Multi-Millionär und scheffelt sein Geld durch Erfindungen, mit denen er neue Standards an Zapfsäulen setzte. So erzählte es mir ein Mann, der für Falckenberg arbeitet(e). Außerdem schwingt Dr. Harald Falckenberg das Zepter im Hamburger Kunstverein und tut sich durch großartige Ausstellungen hervor, die er in den Harburger Phönix-Hallen organi-siert. Der Mann hat schwer zu schaffen an seinem Los, klagt er doch: „Die Künstler denken meist nur an sich.“ Wahrscheinlich hat er schon einige Millionen für Kunst ausgegeben – und einige der von ihm angekauften Werke haben an Marktwert verloren. Schlimm! Ich möchte Herrn Falckenberg helfen. Deshalb lade ich ihn zu einer Tasse Tee und einem Stück Kuchen ein. In mein Wohn-Atelier. Thema des Gesprächs: Der EGOISMUS der KÜNSTLER. Vielleicht kann ich mit ein paar Gedanken Hilfestellung geben?! 2007 hatte ich Falckenberg selber einen Brief geschrieben mit der Bitte um Unterstützung. Ich suchte für die Wilhelmsburger Busga-lerie (Kunstbüro Wilhelmsburg) händeringend Geldgeber/Sponsoren. Die Hamburgische Kulturstiftung hatte abgesagt, ebenso die Kulturbehörde. Von denen kamen immerhin Absagen – von Dr. Harald Falckenberg nicht mal das. Es wäre um lächerliche sechs- oder 700 €uro gegangen. Dabei unterhält Dr. Falckenberg einen eigenen Mitarbeiter-Stab, die sich nur um seine Kunst-Projekte kümmern. Wenn ich den hinz+kunzt-Artikel lese, wundere ich mich im Nachhinein noch mehr, daß 2007 keine Antwort kam. Hinz+kunzt zitiert den Mann mit den Worten: „Und ich kann so schlecht nein sagen“. Ahhh ... ich begreife: Ahhh, CAPITO: Weil er so schlecht nein sagen kann sagt er NICHT MAL das. * Da ich nicht „Gleiches mit „Gleichem“ ver-gelte, lade ich den Herrn also (s.o.) zu einem Gespräch ein. Ich bin zwar, materiell gesehen, vergleichsweise sehr arm, aber zu einer Tasse Tee und einem Stück Streuselkuchen für Herrn Falckenberg reicht es allemal. Ich verspreche auch, daß ich den Sammler nicht drängen werde, ein Bild von mir zu kaufen oder ein Projekt des Kunstbüro Wilhelmsburg zu unterstützen. Ich möchte ihn aber ein wenig trösten, weil „Die Künstler denken meist nur an sich“. ***** Ich frage mich: Aus welchem Grund setzt h&k einem Multi.-Millionär ein Schmuse-Denkmal? Der Artikel ist wie ein roter Teppich mit Goldbrokarden, über den die Redaktion des Hamburger Straßen-magazins  (?!) einen Mann wandeln läßt, der mit Obdachlosen, Randständigen, Outlaws etc. nun wahrlich nichts zu tun hat. Im Gegenteil. Wenn mich nicht alles täuscht, sind besondere Merkmale Falckenbergs seine Pfeffersack-Mentalität, Arroganz und Geiz. Ich lasse mich gerne eines besseren belehren. Am bsten in einem persönlichen Gespräch. * Was ist in die H+k-Redaktion gefahren? Würde Herr Falckenberg jemals ein Bild etwa von Erich Heeder kaufen, einem Künstler, ehemaligen Obdachlosen und hinz&kunzt-Verkäufer der ersten Stunde? – Es gibt eine Menge Projekte von Außenseitern, Unterprivilegierten, kreativen Outlaws in dieser Stadt. No budget-Projekte. DARÜBER wünsche ich mir Berichte. – In dem Zusammenhang kann ich die BILD-Zeitung loben. BILD brachte vor einigen Wochen einen Bericht über einen Mann, der in einer Obdachlosen-Unterkunft lebt und jeden Morgen mit seinem Fahrrad losfährt, das über und über mit Fähnchen, Wimpeln und ähnlichen Accessoirs bestückt ist. Beim Bismarck-Denkmal macht er Stop und spielt Fußball. Allein. Mit sich selber. +++ So etwas berührt mich. Und nicht  die Geschäftsgebaren und PR-Tricks eines Multi-Millionärs, der zu viel Geld hat, um es auszugeben – und trotzdem noch jammert. * Wie PEINLICH PEINLICH PEINLICH: Ein sogenanntes „Straßen-Magazin“ als Steigbügel-Halter für die Upper Class.   *R.S.* 

Hinz+Kunzt # 232 - A

Die aktuelle Ausgabe des „Hamburger Straßenmagazin“s enthält eine 28-seitige Beilage zur Fußball-EM. Der H&K-Verkäufer begeistert: „Eins-A Stimmung in der Redaktion. Wir erleben tolle Solidarität durch die Sportler.“ (sinngemäße Wiedergabe).  Auf meine Frage, worin die Solidarität der Sportler bestehe, kann mir der Verkäufer nur sagen, daß „die Sportler“, u.a. eine Hamburger Leichtathletin, „umsonst“ ein Interview gegeben hätten. „Ist das Solidarität?“, fragte ich, „oder ein PR-Gag?“  Der Mann vor mir wusste keine Antwort. „Zumindest die Fuß-baller, die jetzt auflaufen, sind doch alle Millionarios“, hake ich nach.  „Unter Solidarität würde ich verstehen, daß diese Leute  spenden, Geld. Und nicht 10 oder 20 €uro, sondern 10 oder 20-Tausend.  Das ist doch für die ein Klacks, das zahlen die doch aus der Porto-Kasse.“  Der Hinz&Kunzt-Verkäufer schien meine Kritik nicht zu verstehen. Ich kaufte mir das Heft.  Beim Lesen der Sonderbeilage stellte ich fest, daß entweder ich den Verkäufer falsch verstand – oder er die Situation naiv und blauäugig beschrieb. Gelder scheinen tatsächlich nicht geflossen zu sein. Aber es kann ein Deutschland-Trikot mit Original-Unterschriften unserer National-Spieler ersteigert werden. Bis zum 1. Juli können Gebote per mail an trikot@hinz&kunzt geschickt werden. „Das höchste Gebot erhält den Zuschlag! Unter allen Teilnehmern verlosen wir zusätzlich ein von Moritz Volz signiertes England-Shirt.“ (S.26) Keine Ahnung, wer Moritz Volz ist.  * Auf der Seite 3 der Beilage finden sich die Logos von adidas, HSV, Nike, Puma u.a. Firmen. Denen dankt die hinz&kunzt-Redaktion für Unterstützung. Es wäre interessant zu erfahren, ob diese superreichen Firmen Geld für h&k spendeten. Ich befürchte: Nein. Der HSV zeichnet sich bekanntermaßen dadurch aus, daß er Jahr für Jahr Zig-Millionen ausgibt, zum Teil aus dem Fenster wirft, und sich den Fans gegenüber gerne als großzügig und volksnah ausgibt. * Natürlich wäre es naiv, den Sportlern zum Vorwurf zu machen, wenn sie kein Geld spenden. Im konkreten Fall haben unsere National-Spieler wahrscheinlich keinen direkten Kontakt zu h&k.  Falls überhaupt Kontakte vorhanden sind, laufen diese über die PR-Agen-turen der Vereine.  Und es gibt natürlich viele andere Projekte, die unterstützenswert sind bzw. wären. Ich gehe sogar davon aus, daß es Sportler gibt, die sich nicht nur als „volksnah“ und „großzügig“ vermarkten lassen, sondern die tatsächlich auch Geld spenden. *** Bemer-kenswert finde ich, wie eine Zeitschrift, die ursprünglich von und für Obdachlose gemacht wurde, mit millionenschweren Firmen und Institutionen anbandelt, die die Gelegenheit natürlich nutzen, um für sich Reklame zu machen. Das ist PR-Geplänkel. Etwas anderes wäre es, wenn eine der Firmen oder gar einer der Fußball-Millionarios Wohnraum für Obdachlose zur Verfügung stellen würde. Das würde in diesem Fall gut passen. Ich würde es als ein echtes Signal ansehen. Als Signal dafür, daß es Menschen gäbe,  die trotz millionenschwerer Bank-konten ein Gespür dafür haben, daß es noch andere soziale Welten und andere Schicksale gibt.“  *R.S.*

Freitag, 15. Juni 2012

Meese goes Entertainment

Der SPIEGEL bringt in dieser Woche 4einhalb Seiten über Jonathan Meese. Die Zeitschrift führte in Kassel (Documenta) ein öffentliches Gespräch mit dem Künstler, Thema: „Größen-wahn in der Kunstwelt“. Wer kritische Äußerungen über Megalomanie erwartet, wird ent-täuscht. Schließlich ist Kunst eine gute, wenn nicht die Region, um seinen Größenwahn zu leben. Meese macht das sehr unterhaltsam. Ich war beim Gespräch nicht dabei, erlebte den heute 42-jährigen aber 2006 in den Deichtorhallen anläßlich einer Ausstellung. Schon damals war er sehr poppig, lustig, provokativ. Schien keine Lust auf ernsthaften intellektuellen Diskurs zu haben. Ich sehe in Meese einen großen, tollen Zeichner; sehr inspiriert, phantastisch, quer, dissoziativ, leben-dig. Superfleißig. Der Mann hat ein riesiges Output – und wird so immer besser. Meese ist ein dolles Beispiel für einen Künstler, der sich stetig weiter entwickelt. Als Performer fand ich ihn eher schwach, 2006. Er machte auf unernst und Entertainer. Die Show mit seiner Mutter fand ich aufgesetzt.  Aber dann wieder die Ausstellung mit dem Riesen-Bühnenbild, seine Collagen, Assemblagen, Skulpturen. Das hatte was, sehr stark. Vor allem: Der Mann ist stilistisch nicht festgelegt, setzt sich intensiv mit anderer Kunst auseinander, reflektiert, nimmt Impulse auf, gibt Impulse weiter. Ein impulsiver Mensch mit auch philoso-phischen Bezügen (u.a. Nietz-sche). * Das Spiegel-Interview ist Show, Spaß, aber dann ist doch auch ernsthafte Kritik einge-baut, etwa an Beuys („ichversaut zum Schluss bis zum Gehtnichtmehr, der hat die Grüne Partei gegründet, das ist ja ganz grauenhaft. Da hat er versucht, die Kunst der Realpolitik unterzujubeln.“ Und das ist Beuys, meine ich, auch gelungen. Der „erweiterte Kunstbegriff“ ist heute Standard in der Politik + in der gesamten Kultur-Szene eh selbstverständlich. Die meisten Politiker haben von Kunst keine Ahnung, aber den erweiterten Kunstbegriff haben sie im Programm. Der ersetzt dann das genau Hinkucken.  * Meese propagiert die Diktatur der Kunst. Find ich frech. Ich bin da vergleichsweise soft, versuche noch zu erklären, vermitteln. Natürlich ist Meese kein Nazi oder Nazi-Sympathisant, auch wenn er den rechten Arm zum Hitler-Gruß erhebt.  Immerhin schafft er aber so, ohne inhaltliche Übereinstimmung, eine Brücke zu „den Rechten“, den Neonazis zu bauen, denen in diesem Land seit etlichen Jahren die Sündenbock-Rolle zugewiesen wird. Dabei wird bisweilen vergessen, daß es sich immer noch um Menschen handelt. Meese nutzt den Freiraum, den er sich kreativ erarbeitet hat, konsequent. * Am Ende des öffentlichen Gesprächs wischt ein Störer mit den Worten „Das Spiel ist aus!“   Gläser vom Tisch.  Meese bezeichnet das als „Realitätsfanatismus“. Interessantes Wörtchen. Aber vielleicht wurde der junge Mann vom SPIEGEL genau für diese Aktion bezahlt. Um noch zusätzliche Brisanz in das Gespräch zu binden. * Fazit: Es wird, was Kunst betrifft, heute viel Mittelmaß, Kommerz-Scheiße und Langeweile gepusht. Da ist es erfrischend, Schnappschüsse von Meese zu sehen.   *R.S.*    

Montag, 11. Juni 2012

Mein Wilhelmsburg (2012)

Die Elb-Insel, das sind nicht nur die Parks und Kanäle, Straßen, Plätze, Büsche+Bäume, Hinter-höfe und Fassaden, sondern auch die Menschen, die dort leben. Einige verbringen einen Großteil des Tages auf der Straße oder sitzen in Parks. + feiern, haben Spaß, vertreiben die Zeit.  Man trifft sie am Kiosk, am Veringkanal, in der Fährstraße.* Diese Menschen sind in der Regel unge-bildet. Das ist heute schon ein Schimpfwort: „Ungebildet“, igitt!.  „Ungebildet“ zu sein kann Nachteile haben, hat aber auch Vorteile. Zumindest den: Nicht einen Ballast, ein Übermaß an Information mit sich herum zu tragen. * Werfen wir einen genaueren Blick auf das Bild: Die Person, die ich collagierte, hat ein Holzbein. Dabei dachte ich an Ian Dury, einen englischen Punker, der vor einigen Jahren starb. „Ian Dury & the Blockheads“ traten u.a. im Stadtpark auf. Ich besaß mal eine LP von diesem munteren, nonkonformen Gesellen. Apropos „nonkonform“. Diese Menschen, die in Wilhelmsburg eine eigene Szene bilden, zersplittert in viele kleine Mini-scenes, sind auch non-konform. Sie machen daraus allerdings kein politisches Programm. Sie sind auch nicht besonders empfänglich für die frommen Sprüche und Parolen unserer Sozial-Arbeiter und Sozialarbeiterinnen, die es in Wilhelmsburg wie Sand am Meer gibt. Mein Mann sagt: „Laß mich in Ruhe mit deinem Scheiß. Siehst du nicht, daß ich gut drauf bin?“ Einige dieser Männer sind auch tätowiert.  Aber mit den Tattoos ist es so eine Sache. Seit jeder Mann und jede Frau sich tätowieren lassen, hat diese Malerei, durch inflationäre Verbreitung, etwas an Besonderheit verloren. Der Mann, den ich collagiere, gehört noch zur alten Garde. 60-er, 70-er Jahre. Ein Rocker, der’n Motorrad-Unfall hatte + nicht mehr so auf Gewalt steht wie früher. Er will Spaß haben und sich von keinem Bürokraten die Laune verderben lassen. * Mein Wilhelmsburg: 21107, Reiherstieg-Nord. Menschen, die mich inspirieren.    *R.S.*  

Samstag, 9. Juni 2012

48 h - Yuri Balabanow



Achtundvierzig Stunden lang wird die Elb-Insel zur Festival-Bühne, de-zentral wird an 40-50 Orten Musik gemacht, 24 Stunden lang. Anbei ein paar Schnappschüsse von einem Konzert des Sängers Yuri Balabanow, der in einer umgebauten Garage im Otterhaken russische Lieder singt und sich am Keyboard begleitet. Ungewohnte Klänge für Ohren, die von Dauerberieselung durch Ballermann-Gekeuche abgestumpft sind. * Hoch lebe der LIVE-Gesang!  (Y.B. heute bis 22 Uhr) *R.S.*     

La Vitola - Mein Tagebuch (5)


Heute: CARAIBE. Caraibe heißt eine belgische Firma, die seit 1960 in großem Umfang Zigarren-Bänder herstellt und auf den Markt bringt. Ich besitze gut 500 Caraibe-Bänder (von sicher mehreren Tausend, vielleicht sogar 10000). Interessant: Auf einer Serie sind Mitglieder (Kadet-ten) vom F.C.Elsum abgebildet, einer Jungen-Fußballmannschaft, vermutlich aus einem Dorf oder einer belgischen Kleinstadt. Eine Serie umfasst 13 Bänder, die in 5 verschiedenen Farben her-ausgegeben werden, macht zusammen 65 Bänder. Dann gibt es diese Serien in 2 verschiedenen Ausgaben; so kommt man schon auf 130 Bänder. Mir scheint, hier wird eine geschickte Markt-Strategie verfolgt. Wer fühlt sich nicht geehrt, auf einer Zigarren-Bauchbinde abgedruckt zu werden?  Hätte man mich als Jungen gefragt, wäre ich vermutlich auch begeistert gewesen. * Von caraibe gibt es Dutzende Serien: Sehr viele mit Städte- und Landschafts-Motiven, Tierbilder (Affen, Schmetterlinge etc), Serien von Fürsten, Königen, aber auch Parfüms, antiken Schränken, sogar Panzer. Offenbar alles, wofür es einen Markt gibt  bzw. was Käufer findet.  Es gibt auch ein paar (kleinere) Serien, auf denen fast nichts mehr zu sehen ist.  Ist das künstlerisches Kalkül?  Wenn man (im Sammler-Alltag) hunderte Zigarren-Bauchbinden im Gold-und Prägedruck vor sich aneinander gereiht sieht, die einem mit ihrem Prunk ins Auge stechen, ist es angenehm, mal auf Bänder zu stoßen, die fast „leer“ wirken. Aber natürlich werden auch die verkauft. Nur halt eben nicht zusammen mit Zigarren.  Dies würde ich gerne mal wissen: Gibt es überhaupt noch Zigarren, die von Caraibe beringt werden? Oder konzentriert sich die Firma ganz auf Verkauf von Bändern - unabhängig von Zigarren? Zwei Caraibe-Bänder habe ich, die wie „normale“ Bänder aussehen, die um Zigarren gebunden werden. * Ich finde es spannend, mich intensiver mit dem Thema zu befassen. Mich faszinieren die Vitolen (Plural von Vitola = Zigarren-Bauchbinde), aber mich interessieren auch Hintergründe. Wie hoch sind die Auflagen der Serien? Werden sie beliebig oft nachgedruckt? Wird die Auflagenhöhe bekannt gegeben? Fragen über Fragen. Es gibt in Belgien den AVB (Allgemeiner königlicher Verband der Bänder-Sammler), dem ich beigetreten bin. Dort werde ich sicher Antworten auf einen Großteil meiner Fragen finden. Einige bekam ich bereits von einem sehr aufmerksamen Menschen vom AVB.   *R.S.*  

Text-Labor Bergedorf 6.Juni




Dichter, Schriftsteller, Poetry Slammer, Rapper, freie Musiker sind Individualisten. Die Erkenntnis ist nicht neu. Es kommt darauf an, Situationen (hier: Text-Labor) so zu gestalten, daß jeder optimal zur Entfaltung kommt. Petra Klose macht das m.E. sehr gut. Sie begrüßt jeden Autor und jeden Gast persönlich. Und dann hat jede/r die Chance, auf die Bühne zu gehen und 10 Minuten nach eigenem Gusto zu lesen, rappen, singen (::: performen).  * Je breiter die Basis ist, d.h. je besser es gelingt, daß alle "zum Zug" kommen, desto größer ist die Chance, daß sich das Text-Labor auf Dauer halten + entfalten kann. Es geht um die Entfaltung-Entwicklung jedes Einzelnen. Eigene Publikationen (Bücher, Hefte) können verkauft werden, aber das Kommerzielle steht ganz im Hintergrund. Das gefällt mir. Von Wilhelmsburg nach Bergedorf brauche ich immer mehr als eine Stunde, aber solange die Stimmung gut ist, interessante Texte vorgetragen werden von Dichtern/Poetry Slammer, die etwas riskieren, nehme ich die Anreise in Kauf. * Veranstaltungen wie diese sind äußerst rar.    *R.S.* 

Mittwoch, 6. Juni 2012

Ausstellung im Westend

Im WESTEND gibt es übermorgen, am 8.6. eine Vernissage. Helmut Reithofer, Kunstbüro-Mitglied und Saxophonist, zeigt in seiner ersten Einzelausstellung Fotografien. Titel: "Wilhelmsburger Impressionen".  Beginn ist 16 Uhr. * Das WESTEND (Vogelhüttendeich 17) ist immer mittwochs bis freitags von 15-19 Uhr geöffnet.  *R.S.*

Lektüre: "Das waren noch Männer - Die Cowboys und ihre Welt"

H.J. Stammel knüpft mit dem Buch-Titel an Klischee-Vorstellungen an, denen wohl die meisten Leser (einschließlich mir selber) unterliegen. Mit einer riesigen Fülle Anekdoten, Zeitungs-Notizen, Tagebuch-Aufzeichnungen usw. rückt der Autor das Klischee-Bild zurecht, erweitert es, aber es zeigt sich: So ganz falsch sind die Klischees vom besonders männlichen Cowboy nicht. Die Männer waren keine Heiligen, aber auch nicht die Säufer, Vergewaltiger, Räuber usw., als die sie in manchen Filmen und Groschenheften dargestellt werden. Im Gegenteil: Viele Cowboys gingen ausgesprochen respektvoll mit „dem anderen Geschlecht“ um, seien es Bürger-Töchter, Rancher-Frauen, aber auch Prostituierte gewesen. Ein ganzes Kapitel widmet H.J.Stammel dem „Sexualle-ben der Cowboys“  (S.93 – 117). Auch hier zeigt sich, daß der Autor gut recherchierte, das Leben und den Mythos geradezu wissenschaftlich erforscht. Dazu schreibt er spannend und lebendig. Natürlich gibt es fließende Übergänge zu anderen Männer-Gruppen im Westen, „Wilden Westen“ der USA, etwa den Soldaten, Trappern, Yankees usw. Als Indianer-Killer und skrupellose Betrü-ger schlimmster Art erwiesen sich manche Soldaten und deren Befehlshaber inclusive einiger Rinderbarone, Goldgräber, Banker usw. * Das Buch ist unterhaltsam geschrieben, es ähnelt mehr einem spannenden Erzählungs-Band als einem wissenschaftlichen Werk. * Einiges wirkt aus heutiger Sicht nicht political correct.  Das Buch erschien erstmals 1970, wurde dann im Januar 1973 als rororo-Taschenbuch herausgegeben. * Im Internet finden sich eine Menge Hinweise auf den Autor, der u.a. allein zwischen 1956 und 1966 120 Western-Romane verfasste, meist unter Pseudonym. Auf Wikipedia finde ich diese Sätze: „Stammels Kunst besteht darin, dass diese entmythologisierenden Inhalte nicht trotz, sondern durch interessante Charaktere und packende Geschichten vermittelt werden. Golo Mann fasste dies folgendermaßen zusammen: „Ich bewundere die Art, in der Sie so überaus gründliche, wohl das ganze Material erfassende Studien mit einer so angenehm fesselnden, ja, recht eigentlich unterhaltenden Form der Darstellung verbunden haben.“ * Meine eigene Wahrnehmung ist geprägt durch unzählige Filme und TV-Serien. Da lese ich dieses Buch gerne als Korrektiv. ... Und zur Unterhaltung ...   *R.S.*   

Dienstag, 5. Juni 2012

La Vitola - Mein Tagebuch (4)


Derk de Vries ist eine niederländische (belgische??) Firma, die seit 1891 existiert.  Von ihr gibt es die „normalen“, auch dem Normal-Bürger bekannten Zigarren-Bänder, mit denen Zigarren oft umwickelt sind (Abb. 1). Derk de Vries gehört zu den (in Belgien und den Niederlanden häu-figen) Firmen, die auch andere Zigarrenbänder herstellen, nämlich solche, die nicht mehr dem eigentlichen Zweck dienen, sondern ausschließlich für Sammler produziert werden. Allein von Derk de Vries gibt es Dutzende, nein: weit mehr als 100 Serien (meist a 24 St.), die für den Sammler-Markt produziert werden. Nach meinem Wissen druckt de Vries in der Mehrzahl Landschafts-Motive. Ich habe jedoch auch einige Zigarrenbänder der Firma mit Bildern aus TV-Serien (Burt Reynolds).  Diese Sammler-Bänder werden in verschiedenen Größen herausge-bracht. Die größten kann man sich fast ums Handgelenk wickeln. * In Deutschland ist das Zigar-renband-Sammeln fast ausgestorben.  Ich finde das Gebiet faszinierend. *  Heute stieß ich auf eine Website, bei der man sich Bänder einzeln anschauen und kaufen kann.  http://www.catawiki.de/catalog/741105-zigarrenband    *R.S.*    

Samstag, 2. Juni 2012

2. Juni 1967-2012

Es läutet Sturm an meiner Wohnungstür. MB (Mein Bekannter) steht mit einem Blumenstrauß im Flur. – „Oh, danke! Das ist aber nett von Dir. Leider hab ich keine Vase frei.“ – Hahaha. – „Bist mal wieder untreu. Du schlimmer Junge!“ – „Du weißt, was für ein Tag heute ist?“  - „Hmmm ... laß mich überlegen... Vor 45 Jahren wurde in Berlin Benno Ohnesorg erschossen.“ – „Wer denkt denn heute noch daran?“ – „Und fünf Jahre später, 1972, kam die Bewegung 2. Juni aus den Startlöchern.“ – „Ist doch kalter Kaffee!“  - „Hast Du heiße Neuigkeiten?“ – „Heut ist die Demo gegen den Nazi-Auf-marsch in Wandsbek. Tu nicht so, als ob Du nichts davon weißt!“ -  „Na klaro hab ich das mitge-kriegt. Die Parole „Nazis blocken“ steht schließlich seit Monaten auf der Häuserwand, 3 Meter Luft-linie von hier!“ – „Sag bloß, Du gehst nicht hin!“ – Ich: „Seh ich so aus?“ – MB: „Gerade Künstler müssen gegen die Nazis sein.“ – „Bin ich auch. Aber im Unterschied zu Dir bring ich den Demon-stranten keine Blumen.“ – „Ha ha ha.“ – „Mal im Ernst. Wenn auch nur eine minimale Wahrschein-lichkeit bestünde, daß die Nazis in Deutschland oder in Hamburg an die Macht kämen, stünde ich an vorderster Front. Aber so.“. – „Und die Morde von dieser Nazi-Zelle?“ -  Sone Menschen gibt es. Da nützen keine Demos.“ -  „Die Bockwurst-Party ist vorbei“ steht auf einem Kleber.“ – „Is Folklore. Die Nazi-Aufmärsche und Bockwürste. Und die Gegen-Demonstrationen mit ihrer veganen Suppe auch.“ – „Wobei aber ein himmelweiter Unterschied ist zwischen den Parteien.“ – „Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.“ -  MB wendet sich zum Gehen. „Denn mal frohes Schaffen in der Werkstatt.“ -  „Danke. Und selber viel Spaß. Beim Demonstrieren.“ – „Ich geh nicht hin.“ Mein Bekannter hat schon die Haustür aufgemacht. Ich bin erstaunt. „Wie bitte?“ – „Das Argument, daß die Nazis eine verschwindende Minderheit sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Also irgendwo hast Du Recht.“ – „Du gibst mir Recht? So viel Ehre auf einmal ...Hab ich das verdient?“ – „Du, laß uns die nächsten Tagen darüber quatschen. Ich bin noch verabredet.“ * So zog mein Bekannter von dannen. Ich ging in die Küche, um einen Tee aufzusetzen.  *R.S.*

Freitag, 1. Juni 2012

La Vitola - Mein Tagebuch




Ich besitze ein Album, in das nicht nur hunderte von Zigarren-Bändern (2, 3), sondern auch Etiketten u.ä. geklebt sind. Diese Beigaben gab es seinerzeit gratis dazu, wenn man eine Kiste Zigarren kaufte.  Wie alt mögen die Teile sein? Auf den Seiten mit Kaiser Wilhelm und anderen (königlichen) Regenten (1) sind die Daten des Regierungs-Antritts angegeben. Die Etiketten sehen alt aus, ich glaube aber nicht, daß sie vom Beginn des letzten Jahrhunderts stammen. Der Sammler klebte auch einen ganzen Satz Zigarren-Bänder mit dem Thema Olympische Spiele in Tokio 1964 in das Album. Ich schätze daher, daß die meisten Bänder, Etiketten und Bilder aus den 50-er und 60-er Jahren stammen. * Im Unterschied zu Briefmarken, wo jede jemals erschienene Marke genau katalogisiert und mikroskopisch analysiert wird, gibt es Katalogisierung und Untersuchung bei Zigarren-Bauchbinden nur teilweise. Immerhin schrieb mir ein Mensch, der sich auf dem Gebiet auskennt, daß Kataloge existieren. Ich finde das Sammel-Gebiet Vitola – Zigarren-Bauchbinde sehr spannend. Das Album enthält einige Kostbarkeiten. Und lädt dazu ein, sich auch historisch mit Tabak und dem Rauchen zu befassen. Kultur-Forschung. Meine Phantasie wird angeregt.   *R.S.*