Freitag, 15. Juni 2012

Meese goes Entertainment

Der SPIEGEL bringt in dieser Woche 4einhalb Seiten über Jonathan Meese. Die Zeitschrift führte in Kassel (Documenta) ein öffentliches Gespräch mit dem Künstler, Thema: „Größen-wahn in der Kunstwelt“. Wer kritische Äußerungen über Megalomanie erwartet, wird ent-täuscht. Schließlich ist Kunst eine gute, wenn nicht die Region, um seinen Größenwahn zu leben. Meese macht das sehr unterhaltsam. Ich war beim Gespräch nicht dabei, erlebte den heute 42-jährigen aber 2006 in den Deichtorhallen anläßlich einer Ausstellung. Schon damals war er sehr poppig, lustig, provokativ. Schien keine Lust auf ernsthaften intellektuellen Diskurs zu haben. Ich sehe in Meese einen großen, tollen Zeichner; sehr inspiriert, phantastisch, quer, dissoziativ, leben-dig. Superfleißig. Der Mann hat ein riesiges Output – und wird so immer besser. Meese ist ein dolles Beispiel für einen Künstler, der sich stetig weiter entwickelt. Als Performer fand ich ihn eher schwach, 2006. Er machte auf unernst und Entertainer. Die Show mit seiner Mutter fand ich aufgesetzt.  Aber dann wieder die Ausstellung mit dem Riesen-Bühnenbild, seine Collagen, Assemblagen, Skulpturen. Das hatte was, sehr stark. Vor allem: Der Mann ist stilistisch nicht festgelegt, setzt sich intensiv mit anderer Kunst auseinander, reflektiert, nimmt Impulse auf, gibt Impulse weiter. Ein impulsiver Mensch mit auch philoso-phischen Bezügen (u.a. Nietz-sche). * Das Spiegel-Interview ist Show, Spaß, aber dann ist doch auch ernsthafte Kritik einge-baut, etwa an Beuys („ichversaut zum Schluss bis zum Gehtnichtmehr, der hat die Grüne Partei gegründet, das ist ja ganz grauenhaft. Da hat er versucht, die Kunst der Realpolitik unterzujubeln.“ Und das ist Beuys, meine ich, auch gelungen. Der „erweiterte Kunstbegriff“ ist heute Standard in der Politik + in der gesamten Kultur-Szene eh selbstverständlich. Die meisten Politiker haben von Kunst keine Ahnung, aber den erweiterten Kunstbegriff haben sie im Programm. Der ersetzt dann das genau Hinkucken.  * Meese propagiert die Diktatur der Kunst. Find ich frech. Ich bin da vergleichsweise soft, versuche noch zu erklären, vermitteln. Natürlich ist Meese kein Nazi oder Nazi-Sympathisant, auch wenn er den rechten Arm zum Hitler-Gruß erhebt.  Immerhin schafft er aber so, ohne inhaltliche Übereinstimmung, eine Brücke zu „den Rechten“, den Neonazis zu bauen, denen in diesem Land seit etlichen Jahren die Sündenbock-Rolle zugewiesen wird. Dabei wird bisweilen vergessen, daß es sich immer noch um Menschen handelt. Meese nutzt den Freiraum, den er sich kreativ erarbeitet hat, konsequent. * Am Ende des öffentlichen Gesprächs wischt ein Störer mit den Worten „Das Spiel ist aus!“   Gläser vom Tisch.  Meese bezeichnet das als „Realitätsfanatismus“. Interessantes Wörtchen. Aber vielleicht wurde der junge Mann vom SPIEGEL genau für diese Aktion bezahlt. Um noch zusätzliche Brisanz in das Gespräch zu binden. * Fazit: Es wird, was Kunst betrifft, heute viel Mittelmaß, Kommerz-Scheiße und Langeweile gepusht. Da ist es erfrischend, Schnappschüsse von Meese zu sehen.   *R.S.*    

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