Freitag, 9. Juni 2017

eigentümlich frei - eigentümliche Sprache



Die Juni-Ausgabe der Zeitschrift „eigentümlich frei“ trägt den Untertitel „Libertäre Strategien der Befreiung“. Herausgeber Andre F. Lichtschlag versucht den Begriff des „Libertären“ abzugrenzen gegen den der neueren politischen Bewegung der „Identitären“. Als reiche diese anspruchsvolle Auslotung nicht, führt er auch noch das polemische Wörtchen „Liberallala“ ein, mit dem er linksliberale Opportunisten meint. Der Mann ist wie ein Rokoko-Fürst, der jedoch nicht über Schloß und Ländereien regiert bzw. regierlt, sondern über einen ausufernden und permanent von ihm erweiterten Wortbezirk. Er spielt mit Begriffen und begrüßt artig imaginäre Gäste, die sein Wortreich betreten. Er brilliert mit Intelligenz, und noch mehr Intelligenz, und, als reiche dies noch nicht, mit noch mehr davon. Er hört garnicht mehr auf mit seiner Intelligenz-Schau. Ist er ein Genie? Aber daß er seinen Aufsatz „Eine Kultur- und Klassen-analyse“ nennt „Und nebenbei noch eine bescheidene Kampfansage“ finde ich neckisch und nicht ganz ernst zu nehmen. Oder ist der Mann echt bescheiden? Es stellt sich die Frage: Was kann der Leser von einem Heft erwarten, das stolz auf dem Cover verkündet „Weder liberallala noch identitär – und schon gar nicht politisch“? Nochmal: Ist Andre Lichtschlag ein Genie? Oder ein –notorischer Besserwisser, der jeder ernsthaften „politischen“ Diskussion ausweicht, indem er Haare spaltet? Ein Links-Hegelianer im Gefolge Max Stirners ist Lichtschlag nicht – oder täusche ich mich? Sein Essay „Eine Kultur- und Klassenanalyse“ umschreibt etliche Schleifen und mäandert in einem schier unendlichen Delta aus klugen Worten, die Gefahr laufen bzw. dabei sind, zu Phrasen zu werden. Aber wenn ich etwas Wasser dazu gebe, aus ner Gießkanne, könnten die Sätze und Begriffe noch 1 bißchen grüner werden und wachsen. Zwei Blumen öffnen ihre Knospen, schauen sich an und wissen: „Wir werden uns nie berühren.“
                                                                                                      Raimund Samson
  
   

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