Freitag, 4. Mai 2012

Lektüre: "Sonnenbad im Sagaland" von Eberhard Höhn

Der Autor, Jahrgang 1949, lebt seit 2009 in Hamburg. Die Gedichte und Erzählungen themati-sieren seine Situation in der Hansestadt: Angekommensein, aber noch nicht ganz dazugehören (aber immerhin fast). Höhn findet gute Worte für die Menschen an der Elbe („Hamburger“, S. 9-11). Das Buch ist sehr sorgfältig gemacht; Prosa und Lyrik halten sich die Waage, formal, und dazwischen Fotos, die der Autor von Stadt und Menschen, Häusern, Schildern machte. Auch der Erzähl-Duktus ist sehr ausgewogen. Kein Platz für Aufgeregtheiten! * In “Niedergang“ (S. 84-86) spricht mir der Autor aus der Seele mit seiner Kritik an unserer Hochtechnologie-Gesellschaft. Mediale Dauer-berieselung und der Dauer-Einsatz von Kommunikations-Apparaten lassen ein schlichtes Gespräch wie etwas Besonderes erscheinen. Der studierte Musiker, feinfühlig und weltoffen, leidet unter der der medialen Vermüllung. „Menschen twittern, chatten, bloggen, sind im Gegenzug blockiert, sprachlos, kommunikationsunfähig. Menschen lassen sich beschallen und können nicht mehr zuhören, nicht mehr lesen“.  Zur Situation von Kunst und Kultur meint der Fachmann: „Seit Beginn der Neunzi-gerjahre findet meines Erachtens keine Entwicklung, Neu-schöpfung von dauerhaftem Wert statt in Musik, Dichtung und Malerei, Schauspiel und Oper. Die neue Kultur ist der Kommerz, der Mammon, der alles beherrschende ...“  * In „Dichterlesungen“ kritisiert Höhn „Inzucht“. Mir kommt der Vorwurf bekannt vor: „dichterlesungen in hamburg / finde ich inzestiös / denn man trifft immer wieder / auf die gleichen menschen“. In der social beat-Szene hatte ich vor x Jahren mit einem Autor aus Aachen zu tun, der ständig betonte, wie „in-zestuös“ ihm die Poetry-Szene vorkomme. Ich schlage vor: Um dem Problem auszuweichen, besucht man am besten keine Dichterlesungen mehr – oder läßt sich auf die Menschen ein, die man dort „immer wieder“ trifft. Aus einem „immer-wieder-treffen“ können sich Freundschaften entwickeln oder Arbeitszusammenhänge.  Ich glaube nicht, daß sich die Situation auf absehbare Zeit ändern wird. Dichterlesungen werden keine Massen-events werden. Wäre dies überhaupt wünschenswert? *  102 Seiten, isbn 978-3-8448-0829-2, edition inoshishi, www.bod.de  * R.S.* 

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