Freitag, 27. Februar 2015

Luxus-Bedürfnisse Wilhelmsburg

Ein seit gut 10 Jahren auf der Elb-Insel ansässiger und aktiver Mensch argumentiert mit dem Begriff der "post-materialistischen Lebensstilorientierung", um meine Kritik am Konzept des "Soulvillage" lächerlich und mich unglaubwürdig zu machen (siehe Video und Einträge vom 21.2.). Der hochge-stochene Begriff der "post-materialistischen Lebensstilorientierung" wäre ein gutes Thema für die Wilhelmsburger "Philosophische Runde" gewesen, nur: Es gibt sie nicht mehr. * Ich habe mit vielen Menschen auf der Elb-Insel regelmäßig zu tun. Mir fällt dabei auf: Sie haben Geld-Probleme, sind oft arbeitslos oder unzufrieden mit einem 1€-Job, die Wohnung ist zu klein oder zu teuer. Es gibt immer noch Menschen aus unteren und untersten sozialen Schichten, die auf der Elb-Insel leben - auch wenn es, dank IBA, weniger geworden sind. Sie sind -kein Wunder- wenn nicht materialistisch orientiert, so doch zumindest gezwungen, sich mit materiellen Problemen zu befassen. Täglich. Das zeigt sich auch u.a. beim Flaschensammeln. * Auf der Elb-Insel gibt es ein paar Künstler und Intellektuelle, denen es halbwegs gelingt, ihre Lebens-Situation selbst zu gestalten. Auch sie sind selbstverständlich mit den materiellen Bedingungen ihrer Existenz behaftet, aber diese hängen nicht ständig wie ein Damoklesschwert über ihnen. *** Mit der von der IBA speziell und durch "flankierende" politische Maßnahmen allgemein auf der Elb-Insel vorangetriebenen Gentrifizierung erlebten wir eine Umstrukturierung der Bevölkerung. Bis 2009 bekamen alle Studenten, die auf die Elb-Insel zogen, 100 € Ermäßigung auf ihre Miete. Pro Monat! Dadurch wurde das Wohnen auf der Elb-Insel für viele attraktiv, die vorher nicht auf die Idee gekommen wären, hierher zu ziehen. Man sollte den Studenten nicht böse sein- zu Recht wurde allerdings darauf hingewiesen, daß die u.a. mit hunderten von Millionen €uro vorangetriebene Gentrifizierung vor allem mittelständischen und besser verdienenden BürgerInnen zugute kommen würde. IBA und Hamburger Senat schafften vollendete Tatsachen - anschließend wurde dann per "Bürgerdialog" darüber diskutiert. Das Kalkül ging auf. Dank der steigenden Mieten sind etliche Wilhelmsburger weggezogen. Dies war so geplant bzw. entsprach der politischen Strategie. *** Zurück zum Anfang: Post-materialistische Lebens-stilorientierung ist ein modischer Begriff, der die Situation eines winzigen Teils der Bevölkerung (ich schätze 2-5 %) umschreibt. Zu berücksichtigen ist, daß die schätzungsweise 10-20 % der Bevölkerung, die nicht materialistisch orientiert sind und ihren katholischen, evangelischen, muslimischen Glauben praktizieren, nicht zu den potentiellen Nutzern eines "Soulvillage"  zu rechnen sind. Mit dem "Soulvillage" wird nun angestrebt, einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung spezielle Angebote zu machen - die auch anders zu befriedigen wären. Es gibt HoFa, Atelierhaus, Dutzende Kneipen, Nachbarschaft-Treffs etc etc *** Das Konzept (www.soulvillage.de) ist in enger, geradezu beispielhafter Weise an den theoretischen Vorgaben etwa eines Richard Florida orientiert, diesem Stichwortgeber von Gentrifizierung weltweit und der Hamburger IBA im Speziellen. Darüber könnten sich interessante Debatten ergeben. Genau das, was u.a. Florida vorschlägt, nämlich: An kreativem Potential anzuknüpfen, dieses Potential zur Entfaltung zu bringen und dadurch weiteres Potential von außerhalb anzulocken (und gleichzeitig weniger "kreative" oder kaufkräftige Bürger zu verdrängen), wird mit dem "Soulvillage" angestrebt. Ob und wie die Kreativen vor Ort sich darauf einlassen, ist jedoch die Frage. Für mich ist jede Art von Kooperation verknüpft mit der Forderung nach Respekt. Die IBA zumindest war unfähig bzw. nicht willens, mir Respekt entgegen zu bringen, auch wenn ich "nach außen" mit meinem Kunstbüro zeitweilig wie ein Kooperationspartner wirkte. ***




                                                                              *RS* 

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