Dienstag, 28. April 2015

Raddatz "Jahre mit Ledig"

In den 60-er Jahren war Fritz Raddatz Cheflektor des Rowohlt-Verlags und wurde dessen stellvertre-tender Leiter. Seine Erinnerungen an Heinrich Maria Ledig-Rowohlt sind sehr locker und präzise erzählt - keine Silbe zu viel, kein Absatz zu lang. Das Büchlein zeugt von Empathie und Raffinesse des Schriftstellers. Rollenspieler Ledig trifft auf Rollenspieler Raddatz, der zum Entdecker etlicher Autoren und zum Mittelsmann für die meisten Schriftsteller wird, die in den 60-er Jahren den Verlag bereichern und sein Prestige mehren. Der Rowohlt-Verlag wächst zu einem Giganten, auch Dank der von Raddatz herausgegebenen Reihe rororo aktuell. 
Ein gut gelauntes Buch diese "Jahre mit Ledig", ein meisterhaft geschriebenes zudem. Der rauchende und zugleich Purzelbäume schlagende Verlags-Chef, der im Büro ein Schaukelpferd stehen hatte wie auch eine Modelleisenbahn, war eine besondere Persönlichkeit. Sein Geheimnis: Bei größter Nähe und stetigem Zufluß und Umgebensein von Menschen wahrte er stets einen Rest Distanz, während mancher sich einbildete, mit ihm eng befreundet zu sein. Ein Dichter, der aber keine eigenen Bücher schrieb. "Der sensible Elefant. Er konnte trompeten, stampfen; und zärtlich sein.": Was Raddatz über seinen ehemaligen Chef kund tut, trifft auf ihn selber zu. 
Das Buch ist eine Liebeserklärung an einen großen Verleger. Das Traurige dabei: Einen Tag vor Erscheinen nimmt sich Raddatz in der Schweiz, wo er Mitglied einer Sterbehilfeeinrichtung war, das Leben. 
                   *RS*
 

Keine Kommentare: