Sonntag, 19. April 2015

Rüdiger Safranski - Romantik


Wie dem Autor gelingt, literaturwissenschaftlich und philosophisch präzise die komplizierte Geschichte der deutschen Romantik zu beschreiben und unterhaltsam zu erzählen, ist mehr als cool. Safranski untersucht nicht nur die eigentliche Epoche, die sich zum ausgehenden 18. Jahrhundert u.a. aus dem literarischen Sturm und Drang entwickelte und bis ca. 1820 anhielt, sondern auch das Wesen und die Geschichte der Romantik, die nicht plötzlich anfing und abrupt endete. Das "Romantische" wie auch das Romantisieren sei eine für Deutschland typische Haltung und Eigenschaft, behauptet Safranski und belegt seine These mit zahlreichen Beispielen. Auch nach dem Ende der Epoche wurden weiterhin romantische Werke geschrieben und publiziert. Das romantische Denken, das von Dichtern und Schriftstellern wie Herder, Novalis, Tieck, den Gebrüdern Schlegel, Hölderlin, Schleyermacher, E.T.A. Hoffmann u.a. geprägt wurde, wurde auch von Philosophen beeinflusst, u.a. von Fichte und Schelling. Mit Richard Wagner, der Antisemitismus, revolutionäre Gesinnung (: befreundet mit Bakunin!) und musikalisches Genie in einer Person vereinigte, erlebte Deutschland nach den literarischen Höhepunkten Mitte des 18. Jahrhunderts musikalische Glanzzeiten der Romantik. Spannend finde ich u.a., wie Heinrich von Kleist charakterisiert wird (S. 190): "Er fühlte sich lebendig nur in der Anspannung aller Kräfte der Aufmerksamkeit, der Empfindung, des Schaffens. Es verfolgte ihn eine panische Angst vor der Leere, die ihn gleichermaßen von innen wie von außen anfallen konnte...  Der horror vacui war Kleists ständiger Begleiter, und dieses "sich heben", um nicht abzustürzen, war die Anstrengung seines Lebens. Nur das selbstvergessene Versunkensein in eine Tätigkeit, einen Traum, ein Gefühl bot ihm Schutz ...)" Das Buch ist eine Fundgrube für Menschen, die sich weiterbilden wollen, und speziell für solche, die sich für deutsche Geschichte, Kunst und Poesie interessieren. * Das "Romantische" löste sich nicht irgendwann im 19. oder 20. Jahrhundert in Luft auf, sondern lebt bis heute fort. Auch in der jüngeren Geschichte, zumal der 68-er-Bewegung gibt es romantische Elemente, behauptet der Autor und bringt überzeugende Argumente. Gefährlich werde es, wenn die Romantik aus dem Bereich der Kultur heraustrete und politisch werde. Der Nationalsozialismus kann auch unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. * Safranski beweist mit diesem Buch umfassende literarische wie philosophische Kompetenz. Ich kann es wie ein Kompendium benutzen, mit dem ich, auch über zahlreiche Literaturhinweise im Anhang, mich immer tiefer in das Thema hineindenken kann.
                                                                     *RS*

Keine Kommentare: