Mittwoch, 17. Oktober 2012

Alles falsch gemacht?

Als ich 1986 auf die Elb-Insel zog, war mir wichtig, guten Kontakt zu den Menschen zu pflegen, vor allem in meiner näheren Umgebung. Also klingelte ich reihum und stellte mich bei den übrigen Bewohnern im Haus vor. Es war kein großer Aufwand. Inzwischen sind 26 Jahre vergangen. Ich kann mich  nicht erinnern – oder ... ja doch, da war mal ein Pärchen, das wohnte mir gegenüber im Parterre, das stellte sich auch vor. Es gibt sogar ein zweites Beispiel, immerhin. In 26 Jahren. * Als ich 1989 das Kunstbüro Wilhelmsburg gründete, begannen wir 1 Jahr später mit der Herausgabe eines Magazins: „ELB-IBSEL – Zeitschrift für Kunst und Kultur“. Das Heft war gedacht als Forum für Autoren, Bildende Künstler usw. In der # 1 stellten wir einige Künstler (Sängerin, Maler, Autoren) in Kurz-Porträts vor.  Wir fanden wichtig, nicht nur uns selbst zu zeigen, ja sogar in den Mittelpunkt zu stellen. Genauso wichtig war uns zu schauen, wen es denn sonst noch so gibt und gab. Geschichtsforschung bzgl. Kunst und Kultur. Die Informationen über Dora Gartmann, Ruth Ostermeyer, Bert Varell, Willy von Thaden und Heino Zinserling bekam ich seinerzeit von Hermann Keesenberg, dem Leiter des Heimatmuseums. Die Info-Reihe in der ELB-INSEL wurde danach nicht fortgesetzt, mangels weiterer Informationen. Aber immerhin, wir hatten etwas versucht, was m.E. unverzichtbar ist: Auseinandersetzung mit den Menschen und dem Ort, an dem wir uns befinden. * Nun bin ich seit gut 23 Jahren in diesem Stadtteil als Künstler aktiv, und nicht nur das: Ich kümmere mich mit dem Kunstbüro-Verein seit mittlerweile mehr als 2 Jahrzehnten um gewisse Interessen und Belange auf der Elb-Insel, um die Belange auch anderer Menschen.  Mir fällt auf, daß immer mehr neue „Künstler“ und „Kreative“ auf die Insel kommen. Das ist nicht verkehrt, aber mir stößt auf, daß nicht einer von ihnen sich mal die Mühe macht, zu schauen, was es an gewachsenen Strukturen hier schon gibt. Das ist auffällig anders – wenn ich es mit meiner – unserer Kunstbüro-Geschichte vergleiche. * Nun könnte man einwenden: Die IBA. Die IBA hat dafür gesorgt, daß diese „Kreativen“, „Talente“ usw. alle auf die Insel kommen, mit einem gigantischen medialen Hype lenkte sie die Aufmerksamkeit auf Wilhelmsburg... Darauf kamen sie dann halt alle. Das ist zwar wahr, aber enthält nicht die ganze Wahrheit. All die Künstler und Künstlerinnen, die sich hier jetzt tummeln, wie die Heuschrecken, und sich einen Dreck um die Gegebenheiten vor Ort kümmern (es sei denn, irgendwo sind Gelder abzustauben) ... all diese Leute sind keine Kleinkinder, die am Rockzipfel der IBA hängen und nicht anders können. Sorry der etwas vulgäre Ausdruck, aber ich meine ihn so: Dreck. Nein, nicht die IBA ist schuld. Sie hat zwar Murks gemacht, gerade in Punkto Kultur und Kunst. Aber daß die Kreativen, die in ihrem Sog sich hier nieder- und breit machen und in egomanischer Tour nur die Dinge rechts und links von ihrer Nasenspitze sehen, das hat nicht die IBA zu verantworten. * Ich wohne gerne in Wilhelmsburg. Auch heute noch. Aber manchmal fühle ich mich etwas fremd. Habe ich – haben WIR mit unserem Verein alles falsch gemacht?  Muß ich jetzt weinen und mich blamiert fühlen? Weil ich offenbar eine Art Idiot bin mit meinem Mitdenken und Engagement? Nichts gegen Egoismus – mich stört, daß er unter dem Deckmantel der „Soziokultur“ und des „Seid nett zueinander“ daherkommt. Ich mag diese Verlogenheit nicht. Es herrscht hier zunehmend ein falscher Friede. Ich traue ihm nicht. Die Wahrheit, die ich erlebe, ist: Es herrscht totale Konkurrenz, es passieren extreme Verdrängungs-Prozesse. * Und ich denke  bisweilen: Mit dem Künstler-Volk, das sich hier breit macht, möchte ich nichts zu tun haben. Mein Kunstbüro-Verein macht weiter mit seinen Projekten und Aktivitäten, ich selber mit meinen Sachen auch. Aber ich bin nicht mehr so offen wie früher. Und allen, die mit dem Gedanken spielen, sich hier niederzulassen, möchte ich empfehlen: Überlegt es euch noch mal. Andere Stadtteile sind doch auch spannend und attraktiv. Oder? Wir sind hier genug Leute. Genug Künstler. Ich war viele Jahre viel zu bescheiden. Offenbar ein Fehler? Oder kann ich nicht anders? *** Die Tränen trocknen, Till Eulenspiegel lächelt schon wieder.  *** p.s. Die erwähnte #1 der ZS ELB-INSEL wird demnächst komplett auf einer neuen Website nachzu-lesen sein, die vom Kunstbüro-Verein erstellt wird. In ca. 4 Wochen soll die Website ins Internet gestellt werden   *R.S.* 

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