Donnerstag, 29. Oktober 2015

"Der letzte Deutsche" -Botho Strauß

Der Titel klingt reißerisch und provokant, der Text ist eher verhalten. Im SPIEGEL vom 2. Oktober ist ein Essay des publikumsscheuen, mit großer Nachhaltigkeit schreibenden Botho Strauß abgedruckt: "Manchmal habe ich das Gefühl, nur bei den Ahnen noch unter Deutschen zu sein. Ja, es ist mir, als wäre ich der letzte Deutsche" beginnt sein Essay mit einem Selbst-Zitat aus "Die Unbeholfenen", um dann aber gleich moderater zu tönen "Man soll's darin nicht übertreiben, immer von irgendwas ein letzter sein zu wollen - doch der Posten schien mir unbesetzt ..." Und weiter: "die Fiktion ließ mich nicht los, ein Fortsetzer von Empfindungs- und Sinnierweisen zu sein, die seit der Romantik eine spezifisch deutsche Literatur hervorbrachten. Etwas davon wieder aufleben zu lassen war mein Leben. Bei zahllosen schöpferischen Geistern war ich zu Gast, ich konspirierte". Einige dieser "schöpferischen Geister" hat der Spiegel abgebildet - wer sich ernsthaft mit Botho Strauß befasst, wird den Autor besser verstehen können, wenn er auch, zum Beispiel, Jünger, Böhme, Nietzsche liest. In sämtlichen deutschen Medien wird, durch die Verschärfung der Flüchtlings-Krise, in immer radikaleren Formulierungen auf die Situation reagiert. Strauß geht auf reale Dinge, sozusagen "Fakten" des Islam und des Islamismus wie auch des Deutschseins ein. Sein Aufsatz bleibt aber insgesamt moderat, teilweise rätselhaft. Der Autor maßt sich nicht an, irgendwem irgendwelche Ratschläge zu geben. Dabei hat er einen scharfen Blick für längst vergangene Zeiten, etwa die ismailitische Sekte der Assassinen, für die sich viele Parallelen beim sog. "Islamischen Staat" finden. ** Ein sehr nachdenklicher Aufsatz. Einer, den aufzuheben und im Bücherregal zu plazieren sich lohnt. Um ihn nochmal zu lesen. ** Dichter sind keine Ärzte oder Politiker, die praktische Rezepte ausgeben oder Gebrauchsanweisungen für das tägliche Leben. Ihre Verlautbarungen sind der Musik verwandt ... Man kann sie auf sich wirken lassen und durch sie ins Denken und Sinnieren kommen. 
                                                              *RS*   
 

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