Dienstag, 13. November 2012

Libertäre Zukunft Elbinsel (3)


Mitte der 70-er Jahre wurde mir klar, daß meine wilden romantischen Phantasien nicht in politische Praxis umzusetzen waren. Meine Gruppe, die „Schwarze Hilfe Hamburg“, wurde zu einer Rekru-tierungsstelle für Extremisten und Chaoten. Ich war selber extrem und chaotisch, wollte mich aber nicht vor den RAF-Karren spannen lassen. Ich fing wieder an, Gedichte zu schreiben. * 1989, mit dem Niedergang des „realen Sozialismus“, setzte ein Umdenken ein, von der auch verschiedene linke scenes betroffen waren. Die heutige Anarcho- und linksradikale Sub- bzw. Sozio-Kultur ist mit der damaligen kaum zu vergleichen. Es gab auch in den 70-ern schon Aufsplitterungen in pazifistische, Sponti-, syndikalistische und kommunistische A-Strömungen, auch von Spaß-Guerilla war bisweilen die Rede. Aber Einiges war anders. * Bemerkenswert an gegenwärtigen A- und linksradikalen scenes finde ich ein Sprach-Bewußtsein, das pointierter und ausgeprägter ist als in den 70-er Jahren. Sprache wird als Indikator für richtige Haltung und Bewußtsein angesehen, hoch-moralisch. In den 90-er Jahren nahm ich an einer Versammlung teil und bezeichnete einen bestimmten Alt-Linken als „Diva“. Damit wollte ich auf Allüren hinweisen, die ich bei dem Mann erlebte. Das von mir verwendete Wörtchen wurde als „sexistisch“ kritisiert. Ich fand das seltsam und abtörnend. Bei anderer Gelegenheit wurde ein Argument von mir als „typisch DVU“ interpretiert. Ich halte mich zwar nicht für „sexistisch“ und käme auch nie auf die Idee, Deutsche Volks Union zu wählen. Aber offenbar gibt es in der (radikalen) linken Szene Menschen, die besonders sensibilisiert sind für richtige und falsche Sprache. Es entbehrt nicht der Logik, von bestimmten Worten auf politische Haltung und Gesinnung zu schließen. Aber hier kann mensch sich auch täuschen. Wer einigermaßen clever ist und nicht auffallen möchte, paßt sich in seinem Sprachgebrauch dem jeweiligen Jargon an. Wer wie der „Fisch im Wasser“ (Mao) schwimmen will, kleidet sich entsprechend und redet in der jeweils passenden Sprache. Und schon ist die Rolle perfekt. Es gibt keine besseren Mittel, um eine bestimmte soziale Identität zu erreichen. * Ich erwarte von Menschen, die die Gesellschaft ändern wollen, durchaus sprachliches Feingefühl. Ich finde es jedoch lästig und abtörnend, wenn im Gespräch jedes Wort auf die Gold-Waage gelegt wird. Als Künstler will ich mich frei äußern, und gestehe dies auch meinem Gesprächs-Partner zu. Ich bin nicht auf Gegner und Feinde fixiert. Ich habe welche, leider. Oder sollte ich sagen "Viel Feind, viel Ehr"? Klar ist: viel schöner, als einem Gegner eins auszuwischen ist, einen neuen Freund zu finden oder einen interessanten Menschen zu treffen. Der kann auch ein politisch Andersdenkender sein. Na und? Ich finde kaum etwas langweiliger als zwei Individuen oder Gruppen von Menschen, die sich gegenseitig nach dem Maul reden. Um wieviel befriedigender und aufregender müsste es sein, als Gruppe eine Ausstrahlung und Attraktivität zu gewinnen, die sie auch für Andersdenkende anziehend macht. * Ich will andere Menschen, anderes Bewußtsein, andere Situationen, andere Gefühle, andere Zustände. Was passiert, wenn man Naturgesetze außer Kraft setzen will? Ich meine physikalische Gesetze... * Im Dickicht der Großstadt ist es gut, ein paar Orte zu kennen.         meint     der Blogger 

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